Beschreibung von Jellybeans Karriere. La Salle gewann und traf nun auf das mächtige Syracuse College. Doch trotz Joe Bryants ansonsten exzellenter Vorstellung, vergab er den Matchball und die Explorers mussten sich in der Nachspielzeit geschlagen geben. Somit zog Syracuse in die Final Four, das Semifinale, ein. Nach der Saison meldete Bryant „finanzielle Notlage“2 an und erklärte sich somit für die Profiliga als vorzeitig verfügbar. Auch Westhead war der Meinung, dass dies der richtige Zeitpunkt für Bryant war.
„Zurückblickend war Joe Bryant der erste 2,10 m große Point Guard in Amerika“, sagt Westhead. „Aber damals hätte niemand daran gedacht, Spieler von dieser Größe als Point Guard oder Spielmacher aufzustellen, oder vermutet, dass sie überhaupt solche Qualitäten besitzen könnten. Tatsächlich dachten auch viele, die Joe spielen sahen, dass er es übertrieb und seine Spielweise mehr an einen Forward hätte anpassen und nicht wie ein Point Guard hätte spielen sollen.“ Diese Kritik kam auch von Talentsuchern und anderen Trainern, doch Westhead stimmte dem nicht zu. Für ihn war es Zeit, Jelly endlich von der Leine zu lassen, denn sein bester Spieler war bereit, Profibasketball zu spielen. Und mit der Unterstützung seiner Fans in Philly im Gepäck war auch Joe Bryant sich sicher, ganz groß rauszukommen. Dass dieser Traum ein anderes Ende nehmen könnte, kam ihm nie in den Sinn.
2Finanzielle Notlage (engl. Financial Hardship) anzumelden, war damals die einzige Möglichkeit, vor Abschluss des Colleges in die Profiliga zu wechseln.
Kapitel 4
PAM UND JELLY
Während seiner Zeit an der La Salle verliebte sich Joe in eine auffallend schöne, junge Frau namens Pam Cox. Sehr zum Missfallen ihres Vaters. „Pam Cox hätte Anwältin werden können oder etwas Ähnliches“, meint John Smallwood, ein langjähriger Sportkolumnist bei der Philadelphia Daily News. „Stattdessen landete sie in einer Beziehung mit diesem verrückten Joe Bryant.“ Das war auch mehr oder weniger, was ihr Vater, John Cox II, dachte. Angeblich war ihm der Gedanke, dass sich seine Tochter mit Jellybean abgab, zuwider. Familienangehörige erinnerten sich, wie er immer wieder fragte, wie dieser Kerl für seine Tochter und ihren gewohnten Lebensstil aufkommen sollte. „Ihr standen alle Türen offen“, stimmt Dick Weiss zu. „Sie sah aus wie ein Fotomodel, eine wunderschöne junge Frau. Ich bin mir sicher, ihr Vater erwartete, dass sie einen Anwalt oder Arzt finden würde“, meint Weiss weiter. „Er hätte wohl nie gedacht, dass sie einmal einen Basketballprofi aus Südwest Philadelphia heiraten würde.“ Andererseits war diese Verbindung auch die Verbindung zweier Basketballfamilien. Pams Bruder, John Arthur Cox III, auch Chubby genannt, war ein All-Star-Guard auf der Highschool und spielte Collegebasketball für Villanova und San Francisco. Und Joe war gerade dabei Profi in der NBA zu werden. Doch es waren weder Joe noch Chubby, von denen Kobe diesen einen zentralen Baustein mitbekam, der ihn zu einem der besten und ehrgeizigsten Spieler aller Zeiten machen würde.
„Der Killerinstinkt, der kommt von Pam Cox“, erklärt Mo Howard lachend. Eine Meinung, die auch von anderen Freunden des Paars geteilt wird. „Sie ist wunderschön, doch sie kann auch eiskalt sein.“
Dazu kam, dass Pam Cox eine unglaubliche Selbstdisziplin an den Tag legen konnte, eine weitere wichtige Eigenschaft, die sie ihrem Sohn mitgeben würde. „Sie war diejenige, die dafür sorgte, dass Joe nie vom Pfad der Tugend abwich“, sagt Vontez Simpson. Einige Freunde der Familie sagen, dass es kein Zufall war, dass, als Pam und Joe zusammenkamen, Joes Spiel viel fokussierter und kontrollierter wurde als zuvor. Andere fanden allerdings, dass diese Beziehung auf wackeligen Beinen stand. Zum einen war der familiäre Hintergrund der beiden grundverschieden. Während die Bryants erst vor relativ kurzer Zeit als Migranten aus Georgia in die Stadt gekommen waren und sich auch finanziell nicht hocharbeiten konnten, waren die Coxes eine alteingesessene Familie aus Philadelphia, und zwar von der Sorte, deren Hochzeiten und gesellschaftliches Leben auf den Seiten der Philadelphia Tribune zu finden waren, einer der ältesten afroamerikanischen Tageszeitungen des Landes.
Der erste John Cox war ein wichtiges und angesehenes Mitglied der St. Ignatius Pfarre in West Philadelphia, einer wichtigen Glaubensgemeinde katholischer Afroamerikaner, gewesen. 1956 wurde er als einer der ersten Farbigen bei den Kolumbusrittern – eine der größten römisch-katholischen Laienvereinigungen für Männer – aufgenommen, was aufgrund der damaligen Spannungen zwischen Farbigen und Weißen und den sehr traditionalistischen Ansichten dieser Loge eine beachtliche Leistung war.
Sein Sohn, John Arthur Cox Jr., machte sich Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfzigerjahre als gewiefter Boxer und Basketballer bei lokalen Bezirkteams einen Namen. Trotzdem war in dieser Zeit für junge Schwarze der Zugang zu Bildung äußerst begrenzt, selbst wenn sie begabt waren. Also trat er der Armee bei, anstatt aufs College zu gehen. Im Alter von 20 Jahren heiratete er die 17jährige Mildred Williams in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, um gleich danach zu seiner neuen Dienststelle bei der Militärpolizei in Alaska aufzubrechen. Bald darauf folgte die Geburt der beiden Kinder des Paars, John Arthur „Chubby“ Cox III und seiner jüngeren Schwester Pam.
Nach Ende seines Militärdienstes kehrte John Cox II wieder nach Philadelphia zurück, wo er einen Job als Feuerwehrmann annahm. Die Integration Farbiger in den öffentlichen Dienst war kein einfaches Unterfangen in dieser Ära. Umso beachtenswerter ist es, dass John Cox Jr. es schaffte, sich in dieser schwierigen Zeit unter Bürgermeister Rizzos Administration zu einem der ersten farbigen Feuerwehrleutnants hochzuarbeiten. Er wurde nicht mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren, sondern musste sich alles hart erarbeiten. Damit schaffte es das Paar, ihren beiden Kindern einen recht annehmlichen Lebensstil zu bieten. „Als ich Pam und Chubby das erste Mal traf, wohnten sie am Fairmount Park. Wenn man dort ein Haus hatte, hatte man es zu etwas gebracht, vor allem als Farbiger“, meint Mo Howard. Wahrscheinlich war ihre bescheidene Herkunft der Antrieb für John und Mildreds Erfolg. Es gab einige Stimmen, die John Cox II als einen schwierigen, oft herablassend wirkenden und kontroversen Menschen auch innerhalb der eigenen Familie beschrieben. Gail Williams, eine enge Verwandte von Mildred Williams Cox, schrieb sogar eine fiktive Geschichte über die Familie eines Basketballstars, bei der die beiden Charaktere, die Pam Cox und ihren Vater darstellten, nicht besonders gut wegkamen. Enge Vertraute der Familie bestätigten immer wieder, wie schwierig der Umgang mit Vater und Tochter manchmal sein konnte, hoben jedoch auch immer wieder ihre positiven Seiten hervor.
Eine Basketballliebe
John Cox mag vielleicht die Beziehung seiner Tochter zu Jellybean missfallen haben, doch ihre Verbindung, aus der drei äußerst erfolgreiche Kinder hervorgingen, würde für Jahrzehnte halten. Die Geschichte von Pam und Jelly sollte auch ein bestimmendes Element im Leben ihres berühmten Sohnes werden, von der Kinderstube bis hin zu der tiefen Kluft, die später das Leben der Familie prägen sollte.
Laut Pams Erinnerungen bemerkte sie Joe das erste Mal, als sie noch Kinder waren, da beider Großeltern nahe beieinander wohnten. Damals hätte sie sich nie für ihn interessiert, meinte sie einmal zu einem Reporter.
Joe kannte Pam nur durch Chubby, erklärt Gilbert Saunders. Ihr Bruder und Joe Bryant waren beide sehr umgänglich und hatten großes Talent. Jelly und Chubby verstanden sich richtig gut und sahen die Welt durch die Augen von jungen Basketballspielern. Chubby war ein Jahr unter Jellybean und Mo Howard in der Schule und sie spielten oft gegen- und miteinander. Chubby wollte immer so gut wie die beiden sein. Er wollte tun, was die beiden taten. Und um das zu erreichen, musste er Punkte machen. Joey hatte einen der höchsten Punktedurchschnitte in der Public League. Chubby war immer knapp dahinter, er war ein sehr, sehr guter Spieler, erinnert sich Mo Howard. Jahre später, als Howard den jungen Kobe Bryant spielen sah, erinnerte er ihn an Pams Bruder. „Dieses leicht angeberische Gehabe, das man am Anfang von Kobes Karriere sah, das war Chubby Cox“, sagt Howard.
Etwas ungewöhnlich war allerdings, wie sehr Pam Cox ihren Bruder verehrte. „In ihren Augen konnte Chubby nichts falsch machen“, erinnert sich Vontez Simpson. Es wurde bald klar, dass Chubby Cox von seinen Eltern und seiner Schwester mit so viel Liebe und Aufmerksamkeit überhäuft wurde, dass sein Vater beschloss Sonny Hill um Hilfe zu bitten.
„Die Cox Familie überließ mir