Sandra Busch

Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort


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Er wollte nicht begreifen, dass ein Ort existiert, in dem es kein kriminelles Gesocks gibt. Bloomwell ist …“

      „… recht beschaulich. Ich weiß.“

      Coleman stutzt kurz. „Genau.“ Er betrachtet mich ein paar Sekunden ratlos, als hätte er den Faden verloren.

      Ich helfe ihm auf die Sprünge: „Es gibt in diesem Dorf kein Gesocks, sagten Sie.“

      „So ist es. Und deswegen begann Welsham irgendwelchen Unsinn zu erfinden und den Leuten anzuhängen, damit er was zu ermitteln hatte.“

      Ob Coleman zwischen Wahrheit und Fantasien unterscheiden kann?

      „Wenn Sie mich fragen, trank er zu viel“, fährt der Mechaniker fort.

      „Tatsächlich?“

      Der Charlie auf den Fotos wirkte nicht wie ein Alkoholiker.

      „Erkundigen Sie sich bei Patrick Fitzgerald, wenn Sie mir nicht glauben.“

      „Wer ist das?“

      „Der Wirt vom Crown and Bells“, erklärt Coleman hilfreich, bevor er die Augen halb zusammenkneift. „Ermitteln Sie etwa auch, oder was soll die ganze Fragerei? Hat die Polizei uns aufs Korn genommen?“

      „Gibt es einen Grund, um genau das zu tun?“, will ich unterkühlt wissen.

      „Nein!“, ruft er empört. „Fairchild erwähnte neulich, dass Sie verdammt neugierig sind.“

      So, so. Das tratscht Fairchild über mich herum?

      „Neugier ist eine Berufskrankheit. Bloomwell wollte unbedingt einen Detective vor Ort haben, obwohl mir jeder erzählt, dass es kein friedlicheres Dorf als dieses gibt. Wenn meine Anwesenheit dermaßen dringend erwünscht ist, muss damit gerechnet werden, dass ich Fragen stelle. Oder besteht Ihrerseits ein Interesse daran, dass ich mich auch vor lauter Langeweile umbringe?“

      „Machen Sie doch, was Sie wollen“, brummt Coleman mürrisch.

      „Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen“, sage ich mit einer großzügigen Portion Sarkasmus. Damit lasse ich den Unsympathen stehen und begebe mich auf die Suche nach Fairchild, um ihm gehörig die Meinung zu geigen. Wenn die Einwohner von Bloomwell mir Vorschriften machen wollen, beißen sie auf Granit. Und ich beabsichtige, dies von Anfang an klarzustellen.

      ###

      Der Antiquitätenhändler ist nicht in seinem Laden, daher vermag ich meiner miesen Laune keine Luft zu verschaffen. Mit Mühe widerstehe ich dem kindischen Drang, gegen die Tür zu treten. Schließlich bin ich DI, befinde mich in der Öffentlichkeit und soll als gutes Vorbild vorangehen. Vielleicht ist er ja wider Erwarten doch da und versteckt sich bloß, weil er Furchtbares ahnt. Ich spähe durch die Schaufensterscheibe und entdecke nichts weiter als Gerümpel, das andere Leute wahrscheinlich als Möbel und Dekostücke bezeichnet hätten. Direkt vor mir steht die Porzellanfigur einer Ballerina, die pastellfarben bemalt wurde.

      „Holy moly!“, knurre ich unzufrieden. Und nun? Es beginnt erneut zu regnen, daher klappe ich hastig den Schirm auf. Das Wetter spiegelt meine Laune wider. Missmutig betrachte ich meine Schuhe, die in einer ständig größer werdenden Pfütze stehen. Das weiche italienische Leder hat in diesem Ort einen schweren Belastungstest zu überstehen.

      Da der Regen zunehmend stärker wird, mache ich mich in Richtung Bahnhof zum Crown and Bells auf. Auf das Blechschild über der dunkelgrünen Eingangstür wurden eine pompöse Krone und mehrere Glöckchen gemalt. Blumenkästen mit reich blühenden Geranien befinden sich vor jedem Fenster. Im Pub selbst bilden zahlreiche Regale Sitznischen. Nippes und eine Unmenge von bunten Flaschen sind darin einsortiert. Dazwischen stehen Töpfe mit Zimmerefeu. Es ist recht dunkel, dafür brennen auf den Tischen Teelichter. Die schweren Holzmöbel sind wie die Theke in Schwarz gehalten. Indirektes Licht erhellt den Barbereich, den ich sofort ansteuere.

      „Guten Tag. Ich bin DI Culpepper“, stelle ich mich vor. „Ich hätte gerne einen Pint der Hausmarke und mir wurde Ihr Shepherd’s Pie empfohlen.“

      Über den Tresen hinweg wird mir von einem rundlichen, fast vollkommen glatzköpfigen Herrn eine Hand entgegengestreckt.

      „Patrick Fitzgerald. Willkommen in Bloomwell, DI. Endlich lassen Sie sich mal im Pub blicken.“

      „Ja, es war an der Zeit.“ Ich schüttle die Hand und bekomme danach ein Bier gezapft.

      „Maggie, komm her“, ruft Fitzgerald. „Der DI ist hier und will dein Shepherd’s Pie probieren.“

      Die Frau, die erscheint, ist wie ihr Mann recht mollig und wischt sich die Finger an einer Schürze ab, wobei sie mich gut gelaunt anstrahlt.

      „Hi, Mr. Culpepper. Wir konnten es kaum erwarten, Sie kennenzulernen. Herzlich willkommen.“

      „Vielen Dank, Mrs. Fitzgerald.“ Sie reicht mir ebenfalls die Hand, die noch ein bisschen feucht ist. Wahrscheinlich hat sie gerade etwas abgewaschen.

      „Und? Haben Sie sich ein wenig eingelebt? Mögen Sie Bloomwell?“, erkundigt sie sich freundlich.

      „Ich muss mich erst an den etwas anderen Trott gewöhnen“, antworte ich ausweichend. „Allerdings kann ich nicht abstreiten, dass es ein wirklich hübsches Dörfchen ist. Okay, der Bahnhof macht nicht viel her …“

      „Vor allem, wenn man nachts und im Regen in Bloomwell eintrudelt, nicht wahr? Larry Coleman hat erzählt, dass Sie keinen besonders angenehmen Start hatten.“

      „Es kann ja nicht ständig regnen. Wie hat sich denn mein Vorgänger mit Bloomwell arrangiert?“

      Maggie schaut kurz ihren Mann an.

      „Offenbar gar nicht. Ansonsten hätte er sich nicht umbringen müssen, oder?“, fragt sie unsicher.

      „Mr. Coleman behauptete mir gegenüber, dass Charlie Welsham öfter einen über den Durst getrunken hat.“

      „Nicht mehr als andere.“ Maggie winkt ab.

      „Na ja, manchmal kam er bereits angesäuselt herein.“ Ihr Mann meldet sich damit erneut zu Wort und überrascht mit der Aussage seine Frau.

      „Was redest du da?“, fragt sie verblüfft.

      „Ich rede über Tatsachen. Du bist ja meistens hinten in der Küche und bekommst nichts mit“, sagt er wenig charmant. „Mr. Culpepper bestellte das Pie. Schon vergessen?“

      Maggie wirkt, als wollte sie ihren Mann ordentlich anfahren. Stattdessen dreht sie ihm demonstrativ den Rücken zu.

      „Ihr Pie braucht nicht lange“, verspricht sie mir, bevor sie in der Küche verschwindet.

      „Sie hat Welsham kaum gekannt“, sagt Fitzgerald entschuldigend und stellt das gezapfte Bier vor mir ab, um danach gleich abzukassieren. Ich mustere sein pausbäckiges Gesicht mit der breiten roten Nase und erlaube mir im Stillen ein eigenes Urteil, da Maggie auf mich einen mütterlichen und kontaktfreudigen Eindruck macht. Eine warmherzige Person wie sie wird von traurigen, einsamen Würstchen, wie Welsham anscheinend eines gewesen war, unweigerlich angezogen.

      „Welsham war also dauernd betrunken?“, frage ich gelassen nach.

      „Nicht betrunken in dem Sinne, dass er hilflos durch die Gegend getorkelt ist und gelallt hat“, erklärt mir Fitzgerald. „Er schien eher einen gewissen Pegel zu benötigen. Warum wollen Sie das so genau wissen?“

      Ich lächle schmal und fahre mit dem Finger den Rand des Bierglases nach. „Tja, Mr. Coleman deutete bereits etwas in der Art an. Ein alkoholisierter Detective Sergeant wirft schließlich ein hässliches Licht auf unsere Polizei.“

      „Über Tote soll man nicht schlecht reden.“

      „Das ist Ihre Meinung?“

      „Er ist nie ausfallend geworden“, versichert mir der Wirt schnell. „Es würde aber seine melancholische Verfassung erklären. Oder?“

      „Wie