Sandra Busch

Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort


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ich wissen.

      „Äh, nein, Sir.“

      „Schade“, sage ich leise. „Dabei sind Bloomwells Einwohner doch so hilfsbereit.“

      Maggie rettet ihren Mann aus der unangenehmen Situation, indem sie mir das dampfende Pie bringt. „Lassen Sie es sich schmecken, Mr. Culpepper.“

      „Vielen Dank, das werde ich.“

      Sie schenkt ihrem Ehemann ein Kopfschütteln, bevor sie in die Küche zurückkehrt. Ich schnappe mir den Teller mit dem Pie und mein Bier und sehe mich auf der Suche nach einem ansprechenden Tisch um. Da entdecke ich Nathan in einer Nische.

      „Hi“, grüße ich. Er wirft mir lediglich einen abwesenden Blick zu und nickt kurz. Gleich darauf starrt er wieder in sein Bier. Das wirkt nicht unbedingt wie eine Einladung, mich zu ihm zu setzen. Deswegen gehe ich zwei Tische weiter und nehme dort Platz. Hungrig probiere ich die Mahlzeit. Sie ist köstlich. Das Hackfleisch ist nicht zu sehr mit Pfefferminze gewürzt, die Soße ist herrlich tomatig-fruchtig und der Deckel aus Kartoffelbrei genau richtig mit Muskat versetzt. Ich speise in aller Ruhe und mit außerordentlichem Genuss und trinke dazu das Bier. Plötzlich steht Maggie vor mir und tauscht das leere Glas gegen ein volles aus.

      „Das Essen ist hervorragend“, lobe ich sie.

      „Danke schön. Das höre ich gern.“ Maggie beugt sich zu mir und schielt dabei zur Bar, wo ihr Mann soeben Fairchild bedient. Der Antiquitätenhändler muss vor Kurzem hereingekommen sein.

      „Hören Sie nicht auf Patrick“, sagt sie leise. „Er ist ein Dummschwätzer. Genau wie Coleman.“

      Ich nicke langsam.

      „Mr. Welsham war ein freundlicher Mann. Vielleicht war er ein bisschen einsam. Ein Trinker war er garantiert nicht. Er hat sich für Bienen interessiert und wollte sogar in seinem Garten Körbe aufstellen. Soweit ich weiß, benötigt man für Bienen eine ruhige Hand.“

      „Sie haben sich über Bienen unterhalten?“, frage ich verblüfft.

      Maggie schmunzelt. „Jeder Mensch hat ein Hobby. Warum nicht Bienen? Jedenfalls arbeite ich seit dreißig Jahren im Crown and Bells. Ich bin hinter dem Tresen aufgewachsen. Da erkenne ich einen Alkoholiker, wenn er vor mir steht.“

      „Und Charlie Welsham war keiner.“

      „So wenig wie Sie und ich.“

      „Warum behauptet Ihr Mann etwas anderes?“, möchte ich gerne wissen.

      Maggie zuckt mit den Schultern. „Er ist ein Wichtigtuer. Ein harmloser Mensch und trotzdem ein Wichtigtuer.“

      „Habe ich das richtig verstanden, dass Ihnen der Pub gehört, wenn Sie hinter dem Tresen aufgewachsen sind?“

      „Ja.“ Sie lächelt stolz. „Ich habe ihn von meinen Eltern geerbt. Mein ganzes Herzblut steckt in dem Lokal.“

      „Das hört sich prima an. Man braucht eine Aufgabe, in der man aufgeht.“

      Sie sieht mich wissend an. „Bei Ihnen ist es genau wie bei mir der Job.“

      „Korrekt.“

      „Die viele Fragerei über den armen Mr. Welsham hat einen Grund?“

      „Stimmt.“ Ich lächle möglichst unverfänglich. „Meine furchtbare Neugier.“

      Maggie schaut mich skeptisch an, setzt sich auf den Stuhl direkt neben mir und sagt leise: „Ich glaube nicht an einen Selbstmord, Mr. Culpepper. Meiner Meinung nach hat er zu viele Fragen gestellt. Genau wie Sie.“ Letzteres flüstert sie, schnappt sich danach den leeren Teller und rennt förmlich in die Küche. Ich sitze still da und versuche das Gehörte zu verdauen. Na, wenn Maggie mir da nicht einen wirklich dicken Brocken zum Knabbern hingeworfen hat. Ich linse verstohlen zu Nathan hinüber, der weiterhin in sein Bierglas starrt, als würde dort ein Kinofilm gezeigt werden. Dagegen wird an der Bar getuschelt. Fairchild und Fitzgerald haben die Köpfe zusammengesteckt. Mir ist durchaus klar, dass sie über mich reden. Es wird daher Zeit für deutliche Worte. Darum trinke ich das zweite Bier aus, das Maggie mir gebracht hat, und schlendere anschließend mit dem leeren Glas an die Theke.

      „Hi, Mr. Fairchild. Wie ich höre, stört Sie meine Fragerei nach Charlie Welsham“, sage ich ihm direkt ins Gesicht. „Wollen Sie mir nicht mitteilen, warum?“

      Verblüfft mustert mich der Antiquitätenhändler, bevor er den Wirt ansieht und sich räuspert. Das ist nichts weiter als verlegene Zeitschinderei.

      „Mr. Fairchild, ich warte.“ Meine Stimme ist rasiermesserscharf geworden und ich behalte den Mann genau fixiert. In seinem Gesicht beginnt unterhalb des linken Auges ein Muskel zu zucken und die Finger spielen nervös an einem Pappuntersetzer.

      „Hmm ... Sie stellen schrecklich viele Fragen über einen Selbstmörder.“ Fairchilds Mundwinkel hebt sich für eine Sekunde zu einem halbherzigen Lächeln, bis sein Verstand ihm meldet, dass das bei mir nicht zieht.

      „Wenn Welsham sich selbst umgebracht hat, ist es doch egal, ob ich Erkundigungen einhole“, sage ich.

      „Sie vermitteln das Gefühl, dass unsereiner ein schlechtes Gewissen haben muss“, erklärt Fitzgerald und Fairchild nickt dazu.

      „Und?“, frage ich provozierend. „Hat jemand von Ihnen Gewissensbisse?“

      Maggie erscheint in der Küchentür und hört aufmerksam zu.

      „Mr. Fairchild, Sie etwa?“

      Das Muskelzucken wird stärker.

      „Nein! Weshalb wollen Sie das wissen? Mr. Welsham war ein Einzelgänger. Niemand wusste, was in seinem Oberstübchen vor sich ging. Und nun kommen Sie daher und stellen seltsame Fragen. Ich dachte, die Untersuchung seines Todes wäre abgeschlossen.“

      „Das ist richtig. Dessen ungeachtet habe ich nichts anderes zu tun und Sie wollen hoffentlich nicht, dass ich mich ebenfalls aus lauter Langeweile umbringe.“

      „Natürlich nicht, Sir“, murmelt Fairchild.

      „Das trifft sich gut. Ich trage mich nämlich nicht mit Suizidgedanken. Und ich habe genauso wenig die Absicht, mir vorschreiben zu lassen, wem ich welche Fragen stelle. Ich möchte Sie bitten, das zu verinnerlichen, meine Herren. Schönen Abend noch.“ Mit einem hoheitsvollen Nicken verlasse ich den Pub.

      ###

      Es ist dunkel, als ich den Feierabend einläute. Leise schiebe ich Welshams Tür hinter mir ins Schloss. Stunden habe ich in dem Zimmer verbracht, in dem er sich angeblich erhängt hat. Zum einen habe ich unter den Blumentöpfen vor seiner Haustür nachgeforscht und tatsächlich einen Ersatzschlüssel gefunden. Das Aufbrechen der Haustür wäre daher nicht notwendig gewesen, sofern Welsham den Hauptschlüssel wirklich verloren hat. Zum anderen wollte ich meinen Gedanken am Tatort freien Lauf lassen, in der Hoffnung, dass mich der Ort des Verbrechens inspiriert. Leider hat mich das nicht weitergebracht. Mir fehlen einfach zu viele Anhaltspunkte. Dass Charlie die Brille zum Zeitpunkt seines Ablebens nicht getragen hat, reicht nicht aus, um den Fall neu aufzurollen.

      Halt! Nein!

      Um überhaupt einen Fall daraus zu machen!

      Langsam gehe ich durchs Dunkel. Wie in der Nacht meiner Ankunft sitzt eine Gestalt auf dem Brunnenrand und raucht.

      „Schönen Feierabend, Sir.“

      Es ist Larry Colemans Stimme. Hält der hier ständig Wache?

      „Dito, Mr. Coleman.“

      Ohne anzuhalten gehe ich weiter, verlasse das Dorfzentrum und tauche in die schwarze Finsternis der kleineren Straßen ein.

      „Deine Aktion im Pub war nicht besonders schlau.“

      Auf einmal tritt Nathan aus den Schatten und gesellt sich an meine Seite. Ich ignoriere ihn, wie er mich im Crown and Bells.

      „SIE sind jetzt gewarnt.“ Seine raue Stimme ist so düster wie die Nacht. Genervt halte