aufwächst. »Ich schaffs« bringt Menschen dazu, am gleichen Strang zu ziehen. Es hilft Erwachsenen und anderen Kindern, das Kind stärker zu unterstützen, und bietet jedem, der dem Kind hilft, seine Fähigkeit zu erlernen, die Gelegenheit, sich wichtig und nützlich zu fühlen.
»Ich schaffs« fordert uns auf zu überdenken, wie wir mit Kindern umgehen. Traditionell wurden Kinder als Zielobjekte elterlicher und schulischer Erziehung oder therapeutischer Beratung gesehen. Das heißt nicht, dass Kindern nie erlaubt wurde, an den Diskussionen über sie teilzunehmen. Das schon. Der Knackpunkt dabei ist, dass Kindern bislang wenig Möglichkeiten gegeben wurde, sich selbst dazu zu äußern, wie ihre Schwierigkeiten beseitigt werden sollen. Das ist bei »Ich schaffs« ganz anders. Hier werden die Kinder nicht als Zielobjekte erwachsener Interventionen gesehen, sondern sie werden als gleichwertige Partner behandelt, von denen erwartet wird, dass sie sich an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligen.
Eltern ist es oft peinlich zuzugeben, dass ihre Kinder Probleme oder Schwierigkeiten haben. Wenn sie mit anderen Eltern in der Schule oder mit professionellen Helfern über die Schwierigkeiten sprechen, tun sie das meist hinter verschlossenen Türen. Im Gegensatz dazu zeichnet sich »Ich schaffs« durch Offenheit aus. Sobald das Problem in eine zu erlernende Fähigkeit verwandelt worden ist, kann man offen über die Fähigkeit und den Lernprozess sprechen. Der Vorteil dieser Offenheit ist es, dass jeder, Erwachsene wie die Freunde des Kindes, daran mitarbeiten kann, das Kind beim Erlernen der Fähigkeit zu unterstützen.
Uns wurde bisher die Ansicht vermittelt, dass wir uns an Experten wenden sollten, wenn ein Kind Schwierigkeiten hat, die das Kind dann untersuchen und eine Therapie vorschlagen. Experten wird man zwar immer brauchen, aber »Ich schaffs« sucht nach einem anderen Handlungsablauf. Ziel ist, das Wissen um die Lösung von Problemen der Kinder denen zu vermitteln, die es am meisten brauchen – den Eltern, Lehrern, Betreuerinnen und all den anderen Menschen, die sich in erster Linie damit beschäftigen, Kindern und ihren Familien zu helfen. Mit der »Ich schaffs«-Methode zu arbeiten bedeutet, sich nicht routinemäßig auf Experten zu verlassen und gleichzeitig zu akzeptieren, dass die besten Schlüssel zu einer Lösung tatsächlich in unseren eigenen Händen liegen.
Schritt 1: Probleme in Fähigkeiten verwandeln
Finden Sie zunächst selbst heraus, welche Fähigkeit das Kind erlernen muss, um das Problem zu überwinden.
In jedem unerwünschten Verhalten steckt eine Fähigkeit, die es zu erlernen gilt.
»Ich schaffs« basiert auf der Idee, dass sich Probleme, mit denen ein Kind zu tun hat, am besten dadurch lösen lassen, dass man das Kind motiviert, eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen. Diese Idee basiert auf der Beobachtung, dass, wenn ein Kind vor einem Problem steht, es oft daran liegt, dass ihm eine gewisse Fähigkeit fehlt, und dass sich das Problem auflöst, wenn das Kind diese Fähigkeit erlernt hat.
Zunächst mag Ihnen dies als Haarspalterei vorkommen. Aber wenn wir nun über Fähigkeiten anstatt über Probleme sprechen, ist das nicht einfach nett gemeint, sondern wir sind davon überzeugt, dass es den Erwachsenen wie auch den Kindern so viel leichter fallen wird, konstruktiv über eine Schwierigkeit zu sprechen.
Stellen wir uns vor, Sie wären die Mutter eines lebhaften Jungen. Seine Lehrerin spricht Sie an und sagt: »Ihr Sohn verhält sich den anderen Kindern in der Klasse gegenüber aggressiv.« Wie reagieren Sie darauf? Danken Sie der Lehrerin dafür, dass sie Sie darauf aufmerksam gemacht hat, und sprechen dann ruhig mit ihr darüber? Das bezweifle ich, denn da müssten Sie schon eine außergewöhnliche Mutter (oder Vater) sein.
Als normale Mutter würden Sie sich angegriffen fühlen und entsprechend reagieren. Sie würden sich verteidigen, indem Sie jemand anderem die Schuld zuschieben. Zum Beispiel könnten Sie antworten: »Zuhause macht er das nie!« oder »Das liegt nur daran, dass er von seinen Klassenkameraden gemobbt wird!« oder sogar »Ich bin nie aggressiv, dieses Verhalten muss er also von seinem Vater haben!«.
Wie würden Sie aber reagieren, wenn die Lehrerin das gleiche Thema auf eine andere Art und Weise ansprechen würde? Stellen Sie sich vor, sie würde kein Wort über das problematische Verhalten Ihres Sohnes verlieren, sondern mit Ihnen über die Fähigkeiten sprechen, von denen Sie denkt, dass Ihr Sohn sie noch erlernen muss. Ungefähr so:
Ich habe mit meinen Kollegen über Karl gesprochen, und wir haben darüber nachgedacht, was wohl im Moment für ihn am wichtigsten wäre zu lernen, damit er in der Schule erfolgreich ist. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es für ihn wichtig wäre, etwas mehr Selbstkontrolle zu entwickeln und ruhig zu bleiben, selbst wenn andere nicht nett zu ihm sind. Was meinen Sie dazu?
Das ist ziemlich entwaffnend, oder nicht? Wie würden Sie jetzt reagieren? Sie würden vielleicht sogar in Betracht ziehen, etwas zu sagen wie: »Das habe ich auch schon gedacht!« oder »Er muss wirklich noch mehr Selbstkontrolle entwickeln, und, um ehrlich zu sein, die Fähigkeit könnte ich manchmal auch selbst ganz gut gebrauchen«.
Über zu erlernende Fähigkeiten statt über zu bewältigende Probleme zu sprechen ist eine weitaus kooperativere und konstruktivere Herangehensweise an die Schwierigkeiten, vor denen Kinder stehen.
»Verfähigen« – die Fähigkeit hinter dem Problem herausfinden
Wenn wir anfangen, Probleme als zu erlernende Fähigkeiten anzusehen, werden wir bald in der Lage sein zu erkennen, welche Fähigkeit ein Kind erlernen muss (oder in welcher es besser werden muss), um ein bestimmtes Problem zu lösen. Nehmen wir an, ein Kind ist ungeduldig und möchte, dass alles auf einmal passiert. Wahrscheinlich würden wir dann sagen, dass das Kind die Fähigkeit entwickeln muss zu warten. Wir haben dann die passende Fähigkeit gefunden, wenn wir vorhersagen können, dass sich das Problem auflösen wird, wenn diese Fähigkeit erworben wurde.
Nichtsdestotrotz ist es nicht immer leicht, Probleme als zu erlernende Fähigkeiten zu betrachten. Probleme in Fähigkeiten zu verwandeln, das »Verfähigen«, ist eine Fähigkeit für sich, eine Fähigkeit, die wir alle erlernen und weiterentwickeln können. Viele, die sich die »Ich schaffs«-Methode angeeignet haben, fanden diesen Schritt am schwierigsten.
Beim »Verfähigen« eines Problems kann es uns weiterhelfen, wenn wir uns folgende Frage stellen: Was muss das Kind lernen, damit das Problem verschwindet?
Stellen wir uns nun vor, Sie hätten ein Kind, das die in der Gesellschaft verpönte Angewohnheit hat, in der Nase zu bohren. Sie könnten obige Frage so beantworten, dass das Kind lernen muss, seine Nase mit einem Taschentuch zu putzen (statt mit seinem Finger).
Wenn wir über die Fähigkeit nachdenken, die das Problem beseitigen kann, sollten wir stets eine Regel der lösungsfokussierten Psychologie beachten, die besagt, dass eine Fähigkeit immer so formuliert sein soll, dass sie aussagt, was gelernt werden soll, und nicht, was man aufhören soll zu tun. Die folgenden Beispiele verdeutlichen diese Regel:
•Wenn ein Kind nachts ins Bett macht, ist die Fähigkeit, die das Kind zu erlernen hat, nicht »Aufhören ins Bett zu machen«, sondern aufzuwachen und nachts auf die Toilette zu gehen oder bis zum nächsten Morgen abwarten zu können.
•Wenn ein Kind mit dem Essen spielt, ist die Fähigkeit, die es erlernen muss, nicht, damit aufzuhören, mit dem Essen zu spielen, sondern ordentlich zu essen.
•Wenn ein Kind beim Anziehen trödelt, besteht die Fähigkeit nicht darin, mit dem Trödeln aufzuhören, sondern seine Kleider in angemessenem Tempo anzuziehen.
Wenn das Kind viele Schwierigkeiten hat
»Aber unser Kind hat nicht nur eine Schwierigkeit, es hat massenhaft Schwierigkeiten!«, ist das, was uns viele Eltern sagen, die darüber nachdenken, wie sie ihren Kindern beim Bewältigen der Schwierigkeiten mit »Ich schaffs« helfen können. Auch sie werden erkennen, dass es einfacher ist, Kindern bei