Herlmut A. Gansterer

Darf man sich`s urgut gehen lassen?


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Verliebtheit und praktisch ausschließlich Dialekt gesprochen wird. Dialekt ist dort der wichtigste Stempel für Zusammengehörigkeit und spontanes Vertrauen. Wer beispielsweise in Tirol oder Kärnten nicht Tirolerisch („bischt a Tirola, bischt a Mensch“) oder nicht Kärntnerisch („Lei lafn losn“) spricht, obwohl er die lokale Sprechfarbe beherrscht, ist umnachtet.

      Wer dort ohne Notwendigkeit Hochdeutsch spricht, verliert den Vorteil einer natürlichen Sympathie. Er handelt sich den Nachteil ein, zunächst wie ein Säbelzahntiger als fremdes, gefährliches Raubtier wahrgenommen zu werden.

      Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass man den jeweiligen Dialekt wirklich gut, am besten ideal beherrscht. Denn noch schlimmer als ein „Hochdeutscher“ wird jeder eingestuft, der sich mit hölzern eingeworfenen Dialekt-Brocken beliebt machen will. So einer wird schnell als Einschleimer und Arschkriecher empfunden. Während der reinlich hochdeutsch Sprechende zwar fremd wirkt und zunächst Widerstand weckt, aber wenigstens als Aufrichtiger gilt, der halt aus Gefilden kommt, wo man komisch und gestelzt die Fremdsprache Hochdeutsch spricht.

      Generell empfiehlt sich, die Frage des lokalen Dialekts als Gast eines Dialektbundeslandes (egal, ob in Österreich, Deutschland, Schweiz) entspannt anzugehen. Zwar braucht man als „Hochdeutscher“ länger, um anerkannt zu werden, doch am Ende einer langen Abenddiskussion oder einer versoffenen Nacht entscheidet doch die Persönlichkeit, die sich über alle Sprachgrenzen hinweg mitteilt.

      Jetzt zur eigentlichen, zentral gemeinten Frage, ob man, ohne als dumm zu gelten, den eigenen ländlichen Dialekt in Städte wie Wien, Berlin und Zürich verschleppen darf, wo es zwar auch kräftige Dialekte gibt, aber das Hochdeutsche als Normalsprache akzeptiert wird und als Kultursprache gilt. Hier ist Vorsicht geboten.

      Die Antwort lautet logisch NEIN, wenn der eigene Dialekt so tief ist, dass keine Verständigung möglich wird. Dann unterscheidet man sich nicht von Zulus, die eine Zungenschnalzsprache pflegen. Ich darf dieses Beispiel korrekt so nennen, weil ich als gern gesehener Gast und Interviewer des Zulu-Königs Mangotsu Buthelezi diese heitere Sprache kennenlernte und begriff, dass es zu ihr keine Brücke gibt. Mangotsu selbst, in Harvard ausgebildet, sprach mit mir Englisch.

      So ist auch das Hochdeutsche in den deutschsprachigen Städten von A-CH-D als hilfreiche lingua franca zu loben, die jeder gut versteht – wie mittlerweile das Englische in allen Weltmetropolen. Kurz gesagt: Man sollte Hochdeutsch können, zumal es eine schöne Sprache ist und weltweit sogar als „Sprache der Dichter“ gelobt wird, wie das Englische als „Sprache der Technik“ und das Französische wegen seiner Doppeldeutigkeiten als „Sprache der Diplomatie“.

      Nicht Hochdeutsch zu können, wird daher letztlich mit Recht als Unbildung empfunden, und als Dummheit insofern, als es gescheit wäre, sein Hochdeutsch zu pflegen. Wie sollte man sonst in der Schule gute Referate sprechen, den Kindern gute Bücher vorlesen und mit Touristen reden können, die oft ein gutes Deutsch, aber sicher keinen Dialekt sprechen und schon gar nicht verstehen.

      Wichtig ist zuletzt auch, einen Unterschied zwischen Dialekt-Sprache und Dialekt-Färbung zu machen. Kein Zufall, dass die Darf-man-Frage von einer Ecowin-Mitarbeiterin in hohem Rang kam, die sich Sorgen machte, weil man ihr Herkunftsbundesland hört. Sie kann unbesorgt sein, weil sie perfektes Hochdeutsch spricht. Die exotische Klangfarbe, gewissermaßen der Akzent, wird ausnahmslos als bezaubernd geachtet. Prominente Kärntner wie Udo Jürgens kämpfen bewusst gegen den Verlust ihrer Kärntner Klangfarbe, wie Tobias Moretti gegen den Verlust der tirolischen und Milva gegen den Verlust der italienischen. So wie die Obertöne den Schmelz der Musik machen, adelt der Akzent oft das Hochdeutsche. Oskar Werner fand einen eigenen, singenden, wienerischen Oberton. Und von Thomas Mann sagt man, er habe sogar versucht, seinem Hochdeutsch noch einen hochdeutschen Akzent aufzusetzen.

      Ehe wir an die Antwort gehen, muss ich meinem Haberer Hermann Maier, mit dem ich in Frieden und wechselseitiger Bewunderung lebe, hastig versichern, dass die Frage in dieser Form von einer Dame gestellt wurde, die mit Wintersport nichts am Hut hat.

      Andernfalls hätte sie gewusst, dass durch ihn, den Hermann, gerade der Name Maier von einem Allerweltsnamen zu einem strahlenden Etikett wurde. Wir reformieren die Frage also insofern, als wir uns statt Maier jetzt Huber, Gruber oder Novak vorstellen.

      Eine Höflichkeit höherer Ordnung verlangt zunächst, dass wir uns an die Gesetze halten, da diese eine Übereinkunft der demokratischen Gesellschaft sind.

      Die Gesetze befähigen die einschlägigen Behörden, gewisse Vornamen abzulehnen, die irregeleitete oder dauer-rauschige Eltern in Anfällen geschmackssicherer Heiterkeit für ihre Kinder vorsahen. So lehnte man dem Vernehmen nach „Bastard“ und „Souvenir“ ab, auch „Mickymaus“ fand keine Gnade. Begründet wird dies meist mit vorhersehbaren Nachteilen des Kindes, wenn nicht gar bleibenden psychischen Schäden.

      Dem Ehrgeiz der Eltern aber, ihren Kindern schon durch den Vornamen einen Höhengewinn zu verschaffen, sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Die Eltern dürfen dabei auch ihre eigenen Sehnsüchte und Leidenschaften einbringen. Wer das Säuglings-Töchterchen in die Nähe von Leinwandschönheiten rücken will, darf es als Laetitia Moser, Gwyneth Hinterschratebner und Penelope Bauernfeind taufen lassen.

      Männliche Säuglinge, deren Zeuger sich eine reiche Hightech-Karriere des Kindes erträumen, dürfen fortan Steve Joppinger und Bill Gartelhofer heißen, oder Edison Eipeldauer. Ganz leicht werden es auch diese Kinder nicht haben. Doch manchmal kommt der Versuch, einen bodenständigen Familiennamen mit einem weltweit günstig besetzten Vornamen zu verbinden, so sympathisch rüber, dass zumindest kein Schaden entsteht.

      Ein Beispiel ist mir persönlich vertraut. So plante ich in meiner Sturm- und Drangzeit, als ich noch viele Raufhändel vom Zaun brach, den tüchtigen Rechtsanwalt Novak ins Boot zu holen. Dieser war von theaterverliebten Eltern auf Romeo getauft worden. Der Name Romeo Novak ist so ergreifend witzig, dass er jeden Richter, zumindest aber jede Richterin, zu mildesten Urteilen gerührt hätte. Leider verlor ich, bevor ich ihn engagieren konnte, jede Lust an Streitereien.

      Um dieses Kapitel im Wege eines Kreisschlusses zu beenden: Viele Eltern in Österreich, der Schweiz und Deutschland, die Maier gerufen werden, haben zumindest überlegt, ihren Sohn Hermann und die Tochter Hermine zu nennen. Darauf gibt es ja kein Copyright, und das ist gut so.

      JA, sicher. Wen denn sonst? Wenn die Hausbank keinen Dispositionskredit mehr einräumt, weil sie selbst neger ist, bleibt niemand anderer übrig, den man anschnorren könnte. Fremde Menschen schnorrt man nicht an, denn dies hieße betteln. Brüder und Schwestern fallen aus, weil sie Äpfel vom gleichen Stamm sind, also im gleichen Rhythmus mal zu viel, mal zu wenig Geld haben. Und Erbonkel sowie Erbtante anzuschnorren, ist unökonomisch. Dort kriegt man vielleicht 5000 Euro zur Überbrückung, verliert aber ihre Achtung, fällt aus dem Testament und verliert am Ende eine Erbschaft von 1 Million.

      Anregung für den umgekehrten Fall: Wenn Sie von Freunden angeschnorrt werden, geben Sie das Geld nicht als Kredit. Das ist das sicherste Mittel, eine Freundschaft zu verlieren. Denn fortan wird der Freund, sobald er Ihren Namen hört, ein unangenehmes Gefühl von Schuld & Verbindlichkeit haben, was sich im Lauf der Zeit sukzessive zum Hass steigern kann. Übergeben Sie die Kröten lieber als Geschenk, mit den Worten: „Wenn es dir wieder besser geht, schenkst du mir etwas davon zurück.“ Dies nimmt der Sache die Schärfe. So kriegt man das Geld erfahrungsgemäß auch wieder zurück, oder wesentlich schneller, oft mit einer freiwilligen, zusätzlichen Verzinsung in Form einer Zigarre, eines echten Panama-Huts oder einer Vespa GTS 300 Super Touring.

      Diese Frage kommt zwar nicht aus der heitersten Ecke meiner Fragen-Lieferantinnen (Frauen sind im Auffinden merkwürdiger Fragen weit besser als Männer, da in Neugier geschult), ist aber keineswegs so krank wie sie klingt.

      Als Reisender, der gern