Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler
er ihn im Pontifikalgewand porträtierte und so ähnlich schuf wie nur irgend möglich.32 Für denselben Bischof schuf er einen sehr gut gearbeiteten lebensgroßen Christuskopf aus Marmor,33 der mit den anderen Dingen aus dem Nachlaß an das Ospedale degli Innocenti ging. Heute verwahrt ihn der hochehrwürdige Don Vincenzio Borghini,34 Prior jenes Spitals, unter seinen meistgeschätzten Werken dieser Künste, an denen er sich in einer Weise ergötzt, die in Worte zu fassen mir nicht gelingen will.
In der Pfarrei von Prato schuf Mino eine Kanzel ganz aus Marmor, an der Szenen mit der Madonna sehr sorgfältig ausgeführt und so präzise zusammengesetzt sind, daß das ganze Werk wie aus einem Stück erscheint. Diese Kanzel befindet sich an der Ecke des Chors, fast im Zentrum der Kirche und über einer Reihe von Ornamenten, die nach Anweisung desselben Mino entstanden.35 Dieser schuf das Porträt von Piero di Lorenzo de’ Medici und das seiner Ehefrau, die ganz natürlich und ähnlich waren.36 Beide Porträtköpfe standen viele Jahre lang über zwei Türen von Pieros Gemach im Hause Medici, [jeweils] überwölbt von einer Lünette; später kamen sie mit vielen anderen Porträts berühmter Männer jenes Hauses in die guardaroba von Herzog Cosimo.37 Er schuf auch eine Madonna aus Marmor, die sich heute im Audienzsaal der Arte dei Fabbricanti befindet.38 Und nach Perugia, zu Herrn Baglione Vibi,39 schickte er eine Marmortafel, die in die Sakramentskapelle von San Pietro kam; es handelt sich bei diesem Werk um ein Tabernakel, eingerahmt von einem Heiligen Johannes und einem Heiligen Hieronymus, die zwei gut gelungene Figuren im halbhohen Relief sind.40 Zudem stammt von seiner Hand im Dom von Volterra das Sakramentstabernakel und zwei Engel, die es einrahmen und dabei so schön und sorgfältig ausgeführt sind, daß dieses Werk zu Recht von allen Künstlern gelobt wird.41 Eines Tages schließlich wollte Mino einige Steine versetzen, weil ihm aber die Gehilfen, die er benötigt hätte, nicht zur Verfügung standen, überanstrengte er sich in einer Weise, daß er einen Hitzschlag erlitt und daran starb. So wurde er in der Pfarrkirche von Fiesole von Freunden und Verwandten im Jahr 1486 ehrenvoll beigesetzt.42
Ich weiß nicht, von wessen Hand das Porträtbild in unserem libro de’ disegni stammt; bekommen habe ich es zusammen mit einigen mit Blei[stift] ausgeführten Zeichnungen von Mino, die sehr schön sind.43
Ende der Lebensbeschreibung des Bildhauers Mino da Fiesole.
Einleitung zum Leben des Lorenzo Costa
Giorgio Vasari blickt innerhalb der Vite, die er bekanntlich im Auftrag der in Florenz ansässigen Familie Medici verfaßte, gelegentlich und für die zweite Edition auch ganz gezielt über die Grenzen der Toskana hinaus. Für Oberitalien hielt er etwa Andrea Mantegna in Mantua, Francesco Francia in Bologna oder Boccaccio Boccaccino in Cremona als führende Maler für erwähnenswert. Unangetastet blieb dabei stets das künstlerische Primat der Toskana, auf das er in der Vita des aus Ferrara stammenden Malers Lorenzo Costa gleich zu Beginn verweist: Dieser habe die Florentiner Vorherrschaft in den Künsten erkannt und sei, um die Werke von Filippo Lippi und Benozzo Gozzoli zu imitieren, eigens in die Stadt gekommen und viele Monate geblieben, auch wenn er ein von Natur aus begabter Maler gewesen sei. Während ein Florenzaufenthalt zeitlebens nicht zu belegen ist, begleitete Costa 1503 nachweislich eine Gesandtschaft des Bologneser Senats zur Papstwahl nach Rom, wo er sich mit aktuellen Kunstströmungen auseinandersetzen konnte; davon besaß Vasari wiederum keine Kenntnis.
Lorenzo Costa (* 1460 Ferrara – † 1535 Mantua) entstammte einer seit mehreren Generationen in Ferrara ansässigen Malerfamilie. Sicher machte er seine ersten künstlerischen Schritte in der Werkstatt des Vaters Giovanni Battista Costa, der für die Familie Este tätig war.
In der ersten Edition der Vite war Vasari lediglich in einem längeren Passus zu Beginn der Lebensbeschreibung des Ercole de’ Roberti (* um 1456 Ferrara – † 1496 ebenda) auf Costa und einige seiner Werke eingegangen, nannte ihn jedoch »Lorenzo Cossa«, den Namen mit jenem eines anderen Malers mischend, Francesco del Cossa (* 1436 Ferrara – † 1478 Bologna).
Als die Bentivogli Anfang der 1480er Jahre zahlreiche Künstler in Bologna beschäftigten, folgte ihnen die Künstlerfamilie Costa dorthin. Vasari berichtet, daß Costa sowohl bei der Ausmalung des Palastes der Bentivogli als auch ihrer Kapelle in San Giacomo Maggiore in Bologna mitwirkte und Kapellen der städtischen Honoratioren, etwa in San Petronio, auszustatten half. Viele dieser Angaben sind korrekt. Manchmal stellt Vasari sogar die einzige und früheste, beinahe zeitgenössische und damit um so wichtigere Quelle für Costas Werke dar, die dieser aber auch meist signierte und datierte. Besonders genau beschreibt Vasari eine große Tafel mit dem Martyrium des Heiligen Sebastian in San Petronio, vielleicht weil sie der Florentiner Bildsprache besonders nahekommt. Sie gilt heute nicht mehr als von des Künstlers Hand, sondern wird einem anonym gebliebenen Meister zugeschrieben.
Vasaris kenntnisreiche Angaben zu Bologna rühren von seinem mehrmonatigen Aufenthalt in der Universitätsstadt her, in der er eigene Malaufträge ausführte. Es ist bekannt, daß Vasari Bologna zwar wegen seiner vielen gebildeten Bewohner schätzte, von der Stadt als Kunstzentrum aber keine allzu hohe Meinung hatte. Bereits 1529 hatte Vasari bei den Festdekorationen für Papst Clemens VII. und Kaiser Karl V. mitgewirkt. 1539 hielt er sich acht Monate dort auf, um das Refektorium von San Michele in Bosco zu freskieren. Beim zweiten Aufenthalt nutzte er die Gelegenheit, sich mit Kunstwerken der Stadt zu beschäftigen (vgl. Vasari, Mein Leben, S. 29–32). Kenntnisreich und ausführlich beschreibt er das Leben von Francesco Francia, um so verwunderlicher sind die Vermischungen und Lücken bei Lorenzo Costa.
Während er Francia mit dem für die Bentivogli von fünf Malern freskierten Cäcilienzyklus verbindet, erwähnt er Costa in diesem Zusammenhang nicht. Vasari war sich allerdings bewußt, daß er Costas Schaffen nur unvollständig beschrieb. Er wolle nur die besten Werke Lorenzo Costas aufführen, so die Begründung, auch sei das Erwähnte alles, was er über den Künstler herauszufinden vermocht habe.
Immerhin widmet er ihm in der zweiten Edition der Lebensbeschreibungen eine eigene Vita, für die er gezielt neue Informationen sammelte. In der Torrentiniana war Costa lediglich zu Beginn der Vita des Ercole de’ Roberti erwähnt worden. Hier wie dort vermischte Vasari Costas Werke mit denen des ebenfalls aus Ferrara stammenden Malers Francesco del Cossa, der rund zwanzig Jahre vor Costa in Bologna tätig gewesen war. Auch wenn der Biograph die beiden Künstler 1568 nicht mehr zu einem Lorenzo Cossa vereint, führt er doch das klar von Francesco stammende Griffoni-Polyptychon aus San Petronio und (heute verlorene) Fresken der Garganelli-Kapelle im Dom von Bologna unter Lorenzo Costas Namen auf.
Vasari weiß Francesco del Cossa, dessen berühmte Fresken im Palazzo Schifanoia zu Ferrara in den gesamten Vite nicht erwähnt werden, offensichtlich in beiden Editionen nicht als eigene Künstlerpersönlichkeit zu fassen und stiftete mit der Vermischung der beiden Künstler lang anhaltende Verwirrung bei nachfolgenden Kunsthistorikern. Erst im 20. Jahrhundert wurden beider Künstler Hände eindeutig geschieden. Die nicht erhaltenen Kapellenausstattungen in Ferrara und Ravenna, für die Vasari seine Angaben 1568 leicht spezifiziert, mögen eher von Francesco del Cossa als von Lorenzo Costa stammen.
Durch zahlreiche Quellen gesichert ist Lorenzo Costas Wechsel – nach der reichen Schaffensphase in Bologna – an den Hof der Gonzaga in Mantua im Jahr 1506. Auch Vasari berichtet davon, der Mantua zweimal besuchte, in erster Linie um die Werke von Andrea Mantegna, Costas dortigem Vorgänger als Hofkünstler, und die seines Nachfolgers Giulio Romano zu studieren, Vasaris bewundertem Freund. Anläßlich seines zweiten Aufenthalts im Jahr 1566 wird sich die Gelegenheit ergeben haben, den von Francesco II. Gonzaga ausgebauten Palazzo San Sebastiano zu besichtigen. Vasari beschreibt zwei sich damals dort befindliche, heute nicht mehr erhaltene Gemälde Costas recht ausführlich. Von ihnen hätten wir ohne seine Notizen keine Kenntnis. Auch das Selbstporträt Costas erhielt er bei dieser Gelegenheit von Fermo Ghisoni, einem ehemaligen Schüler des Malers.
Kein Einblick wurde ihm offensichtlich in die Kunstsammlungen, das berühmte studiolo, Isabella d’Estes gewährt, für die Lorenzo Costa zwei Leinwände mit allegorisch-mythologischen Szenen schuf.