Jacob Walden

Wahrheit oder Sylt


Скачать книгу

      

      Jacob Walden

      Wahrheit oder Sylt

      Kriminalroman

      Impressum

      Personen und Handlung sind frei erfunden.

      Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

      Immer informiert

      Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

      regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

      Gefällt mir!

      

      Facebook: @Gmeiner.Verlag

      Instagram: @gmeinerverlag

      Twitter: @GmeinerVerlag

      Besuchen Sie uns im Internet:

       www.gmeiner-verlag.de

      © 2021 – Gmeiner-Verlag GmbH

      Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

      Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

      [email protected]

      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © machh / stock.adobe.com

      ISBN 978-3-8392-6808-7

      Prolog

      Sylt

      Siebeneinhalb Monate danach

      Seinen Trolley hinter sich her ziehend, verlässt er das winzige Flughafengebäude und tritt in den bleichen Sonnenschein, der sich noch nicht wie Frühling anfühlt. Kalt und feucht weht ihm der Wind ins Gesicht. Er fröstelt. Stets ist er aufs Neue überrascht, dass es hier so viel kälter ist als in Zürich – oder es einem zumindest so vorkommt. Wie so vieles anders scheint, als es ist. Die Wahrheit interessiert auf Sylt nicht, nur der Schein, der schöne Schein.

      »Verdammte Nordsee, verdammte Insel«, murmelt er. Ginge es nach ihm, wäre sein erstes Mal auf Sylt vor zehn Jahren auch sein einziges Mal geblieben. Und eine sündhaft teure Villa in diesem grausigen Kampen hätten sie schon gar nicht gekauft.

      Aber es geht nicht nach ihm, sondern nach Monika, seiner Frau, seiner Gattin, Herrin und Gebieterin, Walküre und Xanthippe.

      Monika liebt die Insel, die raue Nordsee, den endlos langen Strand und den steten Wind, der ihr den Kopf frei blase, wie sie nicht müde wird zu betonen, und natürlich die exklusiven Boutiquen und Restaurants, in denen sie ihre Kreditkarten strapaziert, und die »Hobbithäuschen«, wie sie die reetgedeckten Anwesen nennt.

      Ihm persönlich ist es schleierhaft, warum so viele Leute einen Narren an Sylt gefressen haben, trotz des unberechenbaren Wetters, das er nur als lästig empfindet.

      Normalerweise fliegt er ausschließlich mit Monika und – sofern diese Lust hatten – seinen halbwüchsigen Kindern zwei Wochen in den Sommerferien hierher. Zum Glück kann er diese Aufenthalte mit geschäftlichen Treffen verbinden, sonst hätte er längst Depressionen bekommen.

      Doch heute ist Monika weit weg und er trotzdem hier, tatsächlich das erste Mal ohne sie. Das hat sie nun davon. Hinter ihm kommt seine Praktikantin auf hohen Absätzen aus dem Flughafengebäude getrippelt.

      Angelina ist sehr jung, sehr blond und sehr sexy und erst seit Kurzem in seiner Abteilung. Kurz entschlossen hat er sie gefragt, ob sie ihn auf eine Dienstreise nach Sylt begleiten wolle. Zunächst hat sie sich geziert. Fast schien es, als habe sie etwas gegen Sylt, was er ja gut nachvollziehen könnte. Im Grunde findet er mädchenhafte Zurückhaltung sehr erotisch. Es macht die Reise umso reizvoller. Sein Jagdinstinkt ist nach langer Zeit wieder zum Leben erwacht. Wann hat er dieses Gefühl das letzte Mal verspürt, diese Begierde gegen Widerstände?

      Er hat ihr von seinem luxuriösen Anwesen in Kampen erzählt, von teuren Restaurants, und in Aussicht gestellt, ihr als Dankeschön für ihre Begleitung eine kleine Aufmerksamkeit von Bulgari zu schenken. Außerdem könne er sie dann gleich bei seinen dortigen Geschäftsfreunden und einigen besonderen Kunden einführen, das sei doch eine tolle Gelegenheit für sie. Daraufhin willigte sie mit einem verlegenen Lächeln ein.

      Wenn alles glatt liefe, würde er noch etwas ganz anderes einführen, denkt er und grinst, als sie auf die Rückbank des Taxis gleiten.

      »Kampen«, instruiert er den Fahrer. »Sie können uns am Ende des Wattweges absetzen.«

      Die Reise ist nicht geplant gewesen, aber notwendig geworden. Er hat nicht mehr einfach so tun können, als sei alles in Ordnung. Seit zwei Monaten ist die halbjährliche Abrechnung seines Hausverwalters überfällig. Wahrscheinlich ist dieser schmierige Typ einfach abgehauen. Er hatte bei dem Kerl von Anfang an ein ungutes Gefühl gehabt, aber auf dieser Insel war es ja leichter, einen echten Piratenschatz zu finden als gutes Personal.

      Angelina seufzt versonnen und drückt ihr Gesicht an die Scheibe, obwohl sie noch nicht einmal das Flughafengelände verlassen haben. Während des Flugs sind sie mithilfe einer kleinen Flasche Champagner zum Du übergegangen. Das ist doch schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, denkt er. Er wird ihr natürlich eines der Gästeschlafzimmer anbieten. Sie solle sich das beste aussuchen, wird er sagen, das schönste sei gerade schön genug für sie. Sie wird leicht erröten, so wie immer, wenn er ihr ein Kompliment macht. Und nach dem Dinner in der Sansibar (vielleicht Fondue? Oder doch besser ein Menü? Hauptsache, viel Wein dazu!) würde das Bett im Gästezimmer kalt bleiben. So sein Plan.

      Die Wattseite Kampens liegt ausgestorben da, wie fast immer. Er kennt es gar nicht anders. Selbst im Hochsommer ist kaum jemand auf den Straßen, in den Gärten, vor den Häusern zu sehen. Doch nun wirkt alles noch viel verlassener. Als hätte eine nukleare Katastrophe alles Leben vernichtet und nur die Kulissen stehen gelassen, denkt er.

      Das Schloss des taubenblau gestrichenen Hoftors klemmt. Korrosion, Flugrost, lange nicht geölt? Er runzelt die Stirn. Doch was hat er erwartet? Warum ist er denn hergekommen, mal abgesehen davon, um seine Praktikantin flachzulegen? Auch Angelina sieht mit Befremden auf das verwelkte Unkraut vom Vorjahr, das sich vor dem Hoftor sanft im Wind wiegt.

      Höchstwahrscheinlich hat der Hausverwalter bei ihm und seinen anderen Kunden alles ausgeräumt, was sich zu Geld machen ließ, und sich nach Kolumbien oder Mexiko abgesetzt. Der Typ hatte ihm mal erzählt, woher sein Vater stammt, aber es interessierte ihn so wenig, dass er es im selben Augenblick schon wieder vergessen hatte.

      Trotz dieser Erwartungen verschlägt es ihm fast den Atem, als das Hoftor endlich quietschend aufschwingt. Der einstige Golfrasen hat sich in eine buschige Wiese verwandelt. Die Hecken haben zig wilde Triebe gebildet, armlang zittern die Zweige im Wind. Das Fähnchen, das das Hole seines kleinen Putting-Greens markiert, ist umgefallen. Ein undefinierbarer Haufen, der sich bei näherem Hinsehen als ein kopfloser ausgeweideter Vogel entpuppt, liegt mitten in der Einfahrt.

      Scheiß Katzen, elende Drecksviecher, denkt er und dreht Angelina schnell in eine andere Richtung. Ihr Gesichtsausdruck wird mit jeder Sekunde skeptischer, ihr sonst wie in Stein gemeißeltes Lächeln ist mehr und mehr nervöser Anspannung gewichen.

      Er schämt sich. Verdammt, da bezahlt er diesem Carlos ein kleines Vermögen, jahrein, jahraus, damit immer alles