Gudrun Grägel

Limoncellolügen


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müssen verständigt werden. Darum kümmern wir uns.«

      Vittorio nickt. Erleichtert. Dann im Militärton zu Greta: »Druck die Unterlagen für Mario aus.«

      Kurzer Blickwechsel mit mir, dann huscht sie Richtung Rezeption davon.

      Fünf Minuten später hält Mario Forti die Daten des Toten in den Händen, zwei Leute von der Spurensicherung fotografieren den Unfallort, untersuchen den Boden, eine Aktion von maximal zehn Minuten. Ist ja nur eine Formsache.

      »Gehört das dem Mann?«, fragt Forti und zeigt auf ein Kleiderbündel auf einem der Liegestühle an der Stirnseite des Pools.

      Vittorio schaut kurz rüber. »Ich denke schon«, sagt er.

      »Dann packt das ein«, weist Mario Forti seine Männer an.

      »Si, capitano«, meldet der Kollege.

      »Du musst bei Gelegenheit noch das Protokoll unterschreiben und dein Koch auch, ich gebe dir Bescheid«, wendet sich der Capitano an Vittorio und hebt abschließend die Hände. »Dann werde ich mich auf den Weg machen. Wir melden uns.«

      »Grazie, Mario.«

      Nochmals ein fester Händedruck. Mario nickt Francesca zu, wir anderen sind unwichtig.

      »Wie spät ist es?«, flüstere ich Greta ins Ohr. Laut zu reden, scheint irgendwie unpassend.

      »Halb Sieben.«

      Okay. The show must go on.

      »Niveo, höchste Zeit fürs Frühstück«, reiß ich meinen Assistenten in Normallautstärke aus der surrealen Stimmung.

      Aufbruchsignal für alle.

      »Adriano, du machst hier alles sauber«, bestimmt Vittorio Rinaldi und verschwindet mit seiner Frau Richtung Rezeption.

      Keine Frage, wer hier der Chef ist. Ist mir letztes Jahr gar nicht so aufgefallen.

      Adriano bleibt hier, wir anderen eilen zum Haus.

      Die Tische im Speisesaal sind schon am Vorabend eingedeckt worden, Greta und Mia servieren, Niveo und ich übernehmen den Bereich Küche, die Alten walten im Büro und an der angrenzenden Rezeption, an der die Gäste ein- und auschecken.

      Hmm … irgendwie … »Äh … Greta, wart mal.«

      Sie dreht sich um. »Was ist?«

      »Kannst du Niveo kurz in der Küche helfen? Ich muss was nachschauen.«

      »Ja gut, aber was …«

      »Nichts Wichtiges«, wink ich ab. »Bin gleich wieder da.«

      Okay, schnell zum Pool, bevor Adriano sauber gemacht hat. Der rückt schon mit Schlauch und Bürste an.

      »Halt!«, schrei ich, und er schaut mich erschrocken an.

      »Ist nichts«, entwarne ich, »ich will nur die Stelle genauer überprüfen.«

      »Wenn du meinst.«

      Guckt ein bisschen irritiert, der Gute, enthält sich aber eines Kommentars. Gut, wüsste auch nicht, was ich antworten sollte. Ist nur so ein Bauchgefühl. Bei diesem Wort würden bei Vinc sämtliche Alarmglocken schrillen. Normalerweise find ich das witzig, aber grad nicht, dazu steckt mir der Anblick des Toten noch zu sehr in den Knochen. Hätt ich ihn bloß nicht gesehen am Abend vorher … das macht’s irgendwie realer. Quatsch, ich weiß, ist aber so.

      Während ich mit den Händen über den Boden streiche, starrt mich der Mann an. Obwohl er nicht da ist. Julian Weigel heißt er. Hat er geheißen. Für ein paar Leute wird er immer so heißen.

      Die Fliesen am Beckenrand sind rau. Das muss saublöd gelaufen sein … An der Kante zum Wasser klebt Blut. Und ein paar dunkle Haare. In der Fugenritze steckt etwas. Ein kleiner, fliederfarbener Knopf. Ein Hemd in dieser Farbe hat er am Abend getragen, ich seh’s vor mir. Ist er wahrscheinlich schnell reingeschlüpft, bevor er zum Pool runterging. Ein kleiner Knopf. Alles, was von ihm geblieben ist. Hier. Ich pule ihn aus der Fuge, wickle ihn in ein Papiertaschentuch und stecke ihn in die Hosentasche. Erscheint mir unwürdig, ihn einfach von Adriano in den Gulli spülen zu lassen. Und gleich planschen wieder alle im Wasser. Ich schlucke. Soll Forti checken, ob der Knopf am Hemd des Toten fehlt. Und wenn nicht, wer weiß, den kann schließlich jeder hier verloren haben.

      Adriano droht mit dem Schlauch. Wahrscheinlich wird er nur das Blut in den Gulli spülen, gechlort hat er am Abend, das muss reichen. Sonst könnten die Gäste nicht ins Wasser und er wäre in Erklärungsnot.

      »Kann ich jetzt weitermachen?«, fragt Adriano leicht gestresst.

      »Ja, klar. Hab alles gesehen … Muss eh an die Arbeit«, murmle ich eher zu mir selber und spurte los, Richtung Küche.

      »Glaub ich auch«, motzt Adriano leise.

      »Hab ich gehört«, ruf ich über die Schulter und renn weiter.

      »Avanti«, schreit er hinterher. Lachend, wie mir der Tonfall verrät.

      Während ich zur Küche haste, kreisen Gedanken planlos in meinem Kopf herum.

      Limone, eine Touristenhochburg, fast alle verdienen am Tourismus, das Bestreben, einen Unfall möglichst unauffällig und schnell zu bearbeiten, ist im Interesse aller. Da wird nicht lang gefackelt. Dumm gestürzt, Kopfverletzung, fällt in den Pool, tot. So einfach ist das. Den Einzelgänger wird keiner vermissen. Und wenn es doch einen Streit gegeben hat? Ein Gerangel? Schaut Forti da genau genug hin, wenn es um den guten Ruf des Hotels geht, um die weiße Weste von Limone?

      Ich komm nicht weiter zum Nachdenken, werd ich mir später in Ruhe überlegen, weil komisch ist das schon …

      Um halb acht trudeln die ersten Gäste in den Speisesaal. Die haben nicht viel mitbekommen von der ganzen Aufregung. Und letztendlich ist das Frühstücksbüfett wichtiger als ein paar Polizisten im Hotel.

      Ich mach mich so gut wie möglich nützlich, heute Abend werd ich die Regie übernehmen. Ein paar Verbesserungsvorschläge bezüglich des Frühstücks hab ich schon gespeichert.

      Mia schaut herein. »Adriano hilft Greta im Frühstücksraum. Mir ist total schlecht, ich leg mich kurz hin. Doro, bei dir so weit alles klar?«

      »Passt. Wir schaffen das, mach dir keine Sorgen. Die Gäste werden nichts mitbekommen …«

      »Kann ich dir was bringen, Mia?« Niveo zieht besorgt die Stirn in Falten, während er zwei Portionen Rührei mit Speck fabriziert. Ich verkneif mir den Hinweis, dass der Speck kein schlapper, fettiger Lappen sein sollte. Daran werden wir arbeiten müssen.

      »Alles in Ordnung, ich brauche nur eine halbe Stunde Ruhe«, sagt Mia.

      So schaust du auch aus, denk ich und scheuch sie mit dem Hinweis auf die hungrige Meute draußen im Speisesaal aus der Küche. Niveo schaufelt derweil das Rührei aus der Pfanne und legt den Speck dazu. Immerhin hat er das Fett mit Küchenpapier abgetupft.

      Greta holt einige Kännchen Kaffee, Adriano bringt das leere Kuchentablett, reißt die Zellophanverpackung von einem neuen Hefezopf – selber machen, notier ich – schnapp mir die Teller mit den Rühreiern und bring sie raus. Ambiente schnuppern, mich sehen lassen. Mich ablenken.

      »Buon giorno«, grüß ich im Vorbeigehen, stell mit einem freundlichen »Prego« die Rühreier an den Tisch, den Greta mir zugeflüstert hat. Bin verdammt gut aufgelegt – bis mich Julian Weigel vorwurfsvoll anstarrt … Ich checke das Büfett. Noch ne Stunde, da sollte ich die Wurst auf jeden Fall nachlegen. Ist höchstens die Hälfte der Gäste fertig. Nur ein Tisch, an dem unangenehm viel auf den Tellern liegen bleibt … Muss ich beobachten, find ich zum Kotzen … Na gut, erst mal Käse neu anrichten, ein paar frische Früchte dazu, hab ich in der Küche liegen sehen, aber nicht am Büfett. Kommt auf die Liste. Und die Tomaten sind viel zu kalt. Okay, das war’s erst mal.

      Der Speisesaal ist leer, alles abgeräumt und verstaut. Niveo übernimmt die Theke, was heißt, Getränke und Eis für die Hotelgäste. Mittags Selbstversorgung. Abends Menü. Donnerstag