Ich dachte, das könnte Sie interessieren.«
Forti nimmt den Knopf, begutachtet ihn gründlich, hält ihn sich vor die Augen, als ging’s um Karat und nicht um Plastik. Nickt wieder. »Ich prüfe das«, sagt er, dann bin ich Luft für die beiden.
Aha. Bitte schön, gern geschehen! Oder verarscht der mich grade?
Mir jetzt egal, ich such Greta.
In der Küche läuft dann alles wie am Schnürchen, Valdo bleibt brav auf seinem Platz und schafft es tatsächlich, sich rauszuhalten – zumindest meistens.
Einmal hat er kurz gezuckt, als ich frisches Weißbrot zum Salatbüfett gestellt hab statt der alten Frühstückssemmeln … und eine Schüssel Mais und eine mit grünen Bohnen zusätzlich. Hat aber nichts gesagt.
Um halb zehn ist der Speisesaal leer, die Gäste sind runter in den Ort flaniert oder sitzen draußen auf der Terrasse mit Vino, Smartphone, Tablet oder bei einem Spiel mit den Kindern. Karten, Würfel, Brettspiele. Zum Teil aus dem Hotelfundus. Grüppchen haben sich gebildet, andere bleiben lieber separat. Adriano bedient heute Abend draußen, ich hab nen Eins-A-Beobachtungsposten vom Familientisch aus, gönn mir eine Zigarette und nippe nebenbei an einem Glas Prosecco. Mein Favorit im Sommer. Eindeutig. Und liegt durchaus im Trend, neben Spritz, Vino und Bier natürlich. Ein letzter Schluck, dann letzter Kücheneinsatz für heute. Hab mir einen schlichten Rührkuchen fürs Frühstücksbüfett vorgenommen, das schaffe ich locker, bis Niveo und Mia die Spülmaschine bestückt und die Küche gesäubert haben. Greta deckt fürs Frühstück und bereitet das Büfett vor. Danach gibt’s Essen für uns. Vom Ragout ist noch genügend da, Niveo schmeißt die Pasta ins Wasser.
»Was machen deine Eltern so den ganzen Tag?«, frag ich Mia.
»Meinst du im Hotel?«
»Ja. Sind die immer da und passen auf?«
Mia schüttelt den Kopf. »Nein, die wohnen oben in Tremosine. Da ist es kühler und sie haben ihre Ruhe. Aber in der Hauptsaison sind sie oft hier. Sie haben eine kleine Wohnung in unserem Privattrakt, gleich neben meinem Appartement. Hauptsächlich hüten sie die Rezeption und pflegen den Garten. Und papà macht den Limoncello.«
»Ach, der ist selbst gemacht?« So was interessiert mich immer.
»Ja, und sogar aus unseren eigenen Zitronen. Nach dem Essen musst du ein Glas probieren, Doro.«
Tja, Familienstolz. Geht mir mit Paps genauso.
»Gerne«, stimm ich begeistert zu und streiche die Teigmasse aufs Blech. Okay, das reicht. Die gekaufte Pampe muss schließlich auch noch weg. Ich nehm die Küchenuhr und verzieh mich nach draußen.
»Bin grade fertig«, ruft Greta durch die offene Terrassentür. »Ein Glas Weißwein zum Essen?«
»Ja, gerne«, ruf ich zurück.
»Ich bring’s gleich mit.« Sagt’s und verschwindet Richtung Rezeption und Theke.
Hoffentlich wird sie nicht von Gästen gekrallt, die immer schnell was brauchen, wenn jemand von der Familie vorbeikommt, denn die Lobby ist allgemeiner Knotenpunkt für Urlauber und Personal. Hier liegt das kleine Büro, gleich davor die Rezeption zum Ein- und Auschecken und ganz wichtig natürlich das Herzstück, die Bar, an der die kulinarische Flüssigversorgung stattfindet.
Mein Handy vibriert.
»Hallo, Vinc! Hab’s vorhin schon bei dir probiert …«
»Küsschen, Schatz. Ich war bis jetzt unterwegs und hab blöderweise mein Handy daheim liegen lassen. Zuerst war ich bei Fredi, Einweisung Motorrad, morgen hol ich es dann ab. Danach bin ich weiter zur Uni und hab mit meinem Chef geredet, wegen Urlaub und so … Geht klar, hat er gemeint. Er hilft mir morgen bei ein paar Änderungen an der Anlage, das war’s dann eh, bis das Semester wieder losgeht.«
»Super!« War ein Glücksfall, dass Vinc den Job an der Uni bekommen hat, obwohl er BWLer ist und kein Informatiker. Das externe Unternehmen ist zuständig für die digitale Versorgung der Uni und sucht immer Studenten für bestimmte Bereiche. Vinc’ Aufgabe ist die Kommunikation zwischen den Technikern und den Laien. Und das kann mein Schatz. Er ist geduldig, kommunikativ, diplomatisch und innovativ. Ich grinse. Alles Eigenschaften, die auch bei mir oft zum Einsatz kommen. Sozusagen Voraussetzung beim Management von Doro Ritter.
»Wann kannst du da sein?«, frag ich.
»Tja, ich will in der Früh losfahren, aber nicht Autobahn. Eher Reschenpass, mal sehen, wenn ich schon ein Motorrad habe …«
»Logisch, mach das. Ich freu mich auf unsere Touren hier. Und auf dich.«
»Und ich mich auf dich, meine Süße. Wirst du denn überhaupt Zeit haben? Immerhin bist du ja nicht zum Vergnügen bei den Rinaldis.«
»Stimmt. Aber das organisier ich, kein Problem. Du, Schatz, kann ich dich später zurückrufen? Ich muss dir einiges erzählen. Ah, Greta kommt mit einem Glas Weißwein. Und ich muss noch was für morgen notieren und dann gibt’s Pasta fürs Team …«
»Danke für die Info! Ich sitz hier einsam draußen, mit einer dicken Wolldecke, wenn ich das erwähnen darf! Vielleicht mach ich mir noch eine Tasse heißen Tee.« Vinc lacht leise.
»Übertreib mal nicht, du Spinner! Es gibt Internet und das sagt mir, dass es bei euch in München durchaus warm ist für die Jahreszeit. Aber trotzdem, eine Runde Mitleid! Und ab übermorgen südliche Sonne, Vino und natürlich das Sahnehäubchen …«
»Das da wäre?«
»Deine liebste Doro, was sonst?«
»Na, dann bis später, du Sahnehäubchen.«
»Bussi«, sag ich und schick ein Küsschen ins herbstliche München.
Niveo kommt, die Teller beladen mit dampfenden Tagliatelle und Ragout Bolognese, Adriano erscheint mit Eltern und Mia im Schlepptau.
»Buon appetito«, wünscht Vittorio Rinaldi als Familienoberhaupt.
»In Deutschland hat sich Bolognese praktisch untrennbar mit Spaghetti verbunden. Und ist zu tomatenlastig«, überlege ich laut.
»Wir haben heute extra für dich beim Menü Spaghetti verwendet, damit du kein Heimweh bekommst«, bemerkt Niveo.
»Also ich …«
Alle lachen. Sogar der alte Rinaldi. Ich hab zu spät gemerkt, dass Niveo mich auf den Arm nimmt. Die Rache fürs Pfirsichschnippeln. Natürlich ist allen klar, dass ich das italienische Originalrezept kenne und weiß, dass man unterschiedliche Nudeln für diese Soße verwendet, aber niemals Spaghetti.
»Ja, ja, alla tedesci, ich weiß«, mein ich augenzwinkernd. »Wisst ihr, mein Paps würde sich eher die Hand abhacken, bevor er dazu Spaghetti servieren würde. Einmal hat ein Gast gewagt, sich beim italienischen Büfett über die dazu gereichten Rigatoni zu beschweren. Ihr hättet sehen sollen, wie Paps’ Miene zum Eisblock mutierte. Seine Zornader an der Stirn hat pulsiert und ich kenn ihn. Das war Mount Ritter kurz vor dem Ausbruch.« Bei der Erinnerung daran muss ich so lachen, dass ich alle damit anstecke. Die Gäste schauen schon neugierig rüber.
»Apropos«, sag ich, wieder auf dem Boden der Tatsachen, »wieso bieten wir nicht mal nen original italienischen Abend? Ich denke, die meisten Gäste würden das lieben!« Die Begeisterung geht mit mir durch.
»Mal langsam, Mädchen«, stoppt Vittorio meinen Enthusiasmus. »Wir haben genug Arbeit, das wirst du schon noch merken. Da brauchen wir keine Extratouren. Außerdem sind wir original genug.«
Hab ich’s mir wieder versaut? Nee, glaub nicht, Vittorio lächelt mich milde an, wie ein Kind halt, das man in die Schranken weisen muss. Tja, das Los meines Alters, dazu eine Prise Genderproblematik eines italienischen Machos. Werd mich wohl ziemlich ins Zeug legen müssen, um den Alten von meinen Qualitäten zu überzeugen. Haha, packt mich da gerade der Ehrgeiz?
Die Küchenuhr rasselt.
»Scusa, ich muss den Kuchen aus dem Backrohr holen«, entschuldige ich