ein Hotel. Das größte hier in Limone.«
Valdo Carlotti schlurft in die Küche, damit ist das Thema Scalieri erst mal beendet.
»Buon giorno!«, ruf ich zu ihm rüber.
»Buon giorno«, nuschelt er in seinen nicht vorhandenen Bart.
Okay, kein Frühaufsteher, resümier ich. Aber was will er dann schon hier? Hat ihn schließlich keiner gezwungen. Will er vielleicht meinen Untergang nicht verpassen? Obwohl, das glaube ich gar nicht. Eher, dass er sich verantwortlich fühlt und ein schlechtes Gewissen hat, dass er so viel Chaos verursacht. Wahrscheinlich hat er bis jetzt noch keinen Tag gefehlt …
»Signor Carlotti, Sie kümmern sich um die Organisation der Einkäufe, richtig?«, vergewissere ich mich.
»Si, certo.« Valdo nickt. »Adriano sagt, du brauchst selbst gemachte Marmeladen fürs Frühstück? Meine Frau kann welche machen. Und ein paar Nachbarinnen auch. Die verlangen nicht viel.«
»Das ist ja megaklasse!« Ich bin begeistert. »Das geht auf jeden Fall in Ordnung, sagen Sie den Damen, sie können gleich loslegen!«
Der Alte nickt. »Sag einfach Valdo zu mir. Wir sind schließlich Kollegen.« Er verzieht keine Miene bei diesen Worten.
»Doro«, sag ich und drücke ihm spontan ein Küsschen auf die Wange. Was ihm ein breites Schmunzeln entlockt.
Okay, ich checke die Speisenauswahl. Was haben denn die lieben Gäste für den Abend gewählt? »Am besten nimmst du die Liste«, sag ich zu Valdo. »Du kannst sie Niveo und mir dann später in die Küche legen.«
To-do-Liste für heute Abend. Auf jeden Fall ausreichend Pannacotta fürs Dessert, das muss kühlen bis zum Abend. Von der Dessertsoße ist genug übrig, dazu pürier ich frische Pfirsiche, verfeinere sie mit braunem Zucker und Limoncello, schneide ein paar von den Pfirsichen in kleine Stücke, mische sie unter, und ab damit in den Kühlschrank.
»Du machst das viel schneller als ich«, lobt Niveo überschwänglich, als er mich Pfirsiche schneiden sieht.
»Was heißt, du musst viel üben«, kommentiere ich ungerührt.
»Durchschaut«, Niveo schenkt mir ein ertapptes »Jungslächeln«. Ha! Das klappt vielleicht bei seiner Mutter, aber gut, den krieg ich schon noch.
»Was hältst du von Apfelkuchen morgen früh? Und eine Rosinenfocaccia?«, frag ich ihn.
»Focaccia kann ich übernehmen. Rezept von meiner nonna«, bietet Niveo geschäftig an. »Ich mach das später, hab noch etwas zu erledigen, d’accordo?«
»Perfetto! Teil’s dir ein, wie du willst. Ich mach hier erst fertig und hab dann später ein paar Stündchen frei.«
Greta und Adriano ziehen sich ebenfalls zurück.
Mia und ich räumen einvernehmlich das restliche Frühstück ab. Mia deckt für den Abend. Sie hat gerötete Augen. Hat sie geweint?
»Was Schlimmes?«, frag ich vorsichtig.
Mia schüttelt den Kopf. Ich seh, wie ihr Tränen in die Augen steigen.
»Wenn du reden willst, ich bin da … Manchmal fällt es außerhalb der Familie leichter«, biete ich mein Ohr an.
»Tutto bene«, flüstert sie heiser, ohne mich anzuschauen.
Ich streiche ihr leicht über den Arm. »Ich mach dann mal Pause, bis der Apfelkuchen fertig gebacken ist.«
Mia nickt.
Mit nem Cappuccino auf dem Tablett verzieh ich mich nach draußen und leiste Valdo Gesellschaft, der im Schatten des Sonnenschirms sitzt.
»Willst du auch einen Cappuccino? Ich hol dir einen«, biete ich an, aber er winkt ab.
»Stört es dich?«, frag ich, bevor ich mir eine Zigarette anzünde.
»Absolut nicht. Ich rieche es immer noch gerne, obwohl ich seit fünf Jahren keine mehr geraucht habe«, beruhigt er mich.
»Echt? Respekt!«
»Na ja, mein Arzt hat gemeint, mit meinen Gefäßen steht es nicht zum Besten, und wenn ich nicht aufhöre zu rauchen … Du hättest meine Frau hören sollen. Da hättest du auch aufgehört! Wäre übrigens nicht das Schlechteste, gerade junge Frauen …«
»Danke, das weiß ich selber, aber es hält sich in Grenzen bei mir. Was sind das eigentlich für komische Vögel?«, lenk ich Valdos Aufmerksamkeit auf zwei Männer, schätze mal Anfang 30, die auf der Hotelterrasse einen Kaffee trinken. Hausexterne Gäste fallen auf, noch dazu um diese Uhrzeit. Wir beobachten sie eine Weile.
»Möchte wissen, was die hier wollen«, grummelt Valdo stirnrunzelnd.
Würde mich auch interessieren. Ein bisschen seltsam, die beiden. Quatschen jeden an, der vorbeigeht.
Ich steh auf. »Ich peil mal die Lage«, sag ich und geh zur Gästeterrasse rüber. Greta ist inzwischen aufgetaucht und hat den Service übernommen.
»Buon giorno, signori. Tutto bene?«, frag ich scheinheilig.
»Grazie mille, signorina. Und selbst?«, kommt es mit charmantem Lächeln retour.
Das können sie, die Italiener. Fühlt man sich immer gleich viel schöner!
»An so einem herrlichen Tag muss es einem ja gut gehen«, schmalz ich mit einer ausladenden Handbewegung auf gleicher Ebene mit.
Wir plänkeln ein bisschen hin und her.
»Il conto, per favore«, ruft der eine Greta zu.
Aha, das Gespräch scheint beendet, die beiden waren bei den anderen Gästen wesentlich redefreudiger, denk ich und setz mich wieder zu Valdo.
»Keine Ahnung, was die hier wollen, die labern bloß belanglos herum«, informiere ich ihn. »Die reden so ähnlich wie Niveo, find ich.«
Valdo schaut mich alarmiert an. »Vom Süden?«
»Keine Ahnung, da darfst du mich nicht fragen. Bei dem Dialekt versteh ich wesentlich weniger als normal. Niveo strengt sich immer an, wenn er mit mir redet und er kann ja auch recht gut Deutsch.«
»Hmm …« Valdo reibt sich nachdenklich das Kinn.
Ich beug mich vor. »Meinst du … Mafia?«, flüstere ich ungläubig. Sensationslüstern, würde Vinc sagen. Ich grinse heimlich und mein Herz schlägt ein, zwei Takte schneller. Ausnahmsweise nicht wegen Vinc, eher wegen der Gedanken an die Mafia …
»Wer weiß. Fangen die jetzt hier auch schon an, verdammt!«, presst Valdo zwischen den Zähnen hervor, anstatt mich zu beruhigen. Er springt auf.
Ich habe Angst, dass er Ärger macht, aber er dreht ab und verschwindet in der Küche.
Die beiden Mafiosi, wie ich sie für mich nenne, verlassen die Bühne. Aus der Küche hör ich Valdo. Ich geh hinein.
»Die belästigen die Gäste«, schimpft er. »Sind aus dem Süden, wie du«, schmeißt er grade Niveo provozierend an den Kopf.
»Aha! Und alle Süditaliener sind von der Mafia, oder was? Und Sizilianer sowieso. Mach dich nicht lächerlich«, weist Niveo den Vorwurf scharf zurück. Er ist auf einmal total bleich, schielt durch den Vorhang, aber die Typen sind längst weg.
Fast witzig, denk ich, wenn die beiden nicht so … ernst dreinschauen würden. Bayern – Norddeutsche, Nord- und Süditaliener … überall das Gleiche. Wie soll Greta als Deutsche hier Fuß fassen? Megaschwer.
»Fino a presto.« Niveo verschwindet ohne ein weiteres Wort zu dem Thema.
»Ja, bis später«, ruf ich ihm hinterher.
»Bisschen empfindlich, der Gute.«Ich zwinkere Valdo zu, um die Stimmung aufzulockern.
»Werd jetzt mit meiner Frau reden, wegen der Marmeladen«, murmelt der und geht.
Okay, Mimose Nummer zwei, denke ich und finde die italienische