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Jürgen Neff
Blutgrätsche
Fußball-Krimi
Zum Buch
Mord in der Kurve Nie wieder wollte Nina Schätzle ein Stadion betreten. Doch nach einem Pokal-Derby gegen den Erzrivalen wurde Cat Benzeler ermordet – eine wichtige Figur der Heidenheim-Ultras – und Schätzle und ihr neuer Partner sind mit dem Fall betraut. Schätzle hat einen speziellen Bezug zum 1. FCH und den weiblichen Ultras, den Societas: Sie stand selbst jahrelang als Ultra jeden Sonntag im Stadion, die Gemeinschaft bedeutete für sie Familie und Heimat. Alles endete damit, dass sie als junge Polizistin zwischen zwei Fan-Gruppen geriet und dabei ein schweres Trauma erlitt. Damals schloss sie mit ihrem alten Leben ab, muss nun jedoch unfreiwillig zurückkehren: Denn die Tote ist ihre frühere beste Freundin. Unter den Rivalen aus Aalen gibt es zahlreiche Tatverdächtige, und auch in den eigenen Reihen standen dem Opfer nicht alle positiv gegenüber. Im Laufe der Ermittlungen ergeben sich zudem Verdachtsmomente in den Reihen der Polizei.
Jürgen Neff studierte Literaturwissenschaft und Philosophie, arbeitete an deutschen Theatern und fuhr auf Kreuzfahrtschiffen zur See. Heute coacht er Seefahrer, Piloten und Ärzte in Resilienz, Kommunikation und Konfliktmanagement. Seit seinem Studium beschäftigt er sich mit Emotionen, verarbeitet dies in Theaterstücken wie „ANGST!“ oder „Freier Wille?“, das bei den Essener Autorentagen 2016 den Publikumspreis erhielt. Für seinen ersten Kriminalroman im Gmeiner-Verlag hat er sich mit einem emotional geladenen Massenphänomen beschäftigt: dem Fußball und der Faszination Fankurve.
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2021 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Katja Ernst
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © redcus / photocase.de
ISBN 978-3-8392-6700-4
Widmung
Für meine Familie,
insbesondere meinen Vater, den alten Kicker.
*
Wem du anhängst, ist,
was dich ausmacht.
Ole, ole
Dichter Dunst. Feuerdurchbrochen. Schiefe Schreie von beiden Flanken. Trommelschläge jagen übers Feld, und es riecht nach Rauchfleisch. Der Nebel lichtet sich, und man erahnt die Massen wieder. Freund? Feind? Wer weiß. Nur Farben und Parolen unterscheiden die zwei Menschenrudel. Der Blitz einer weiteren Granate macht nochmals alle blind. Noch blinder, als sie es schon sind – vor Hass.
Orientierungslos. Was für ein Scheiß.
Dann bricht der Sturm los. Heiß. Das Dreckspack schlägt jetzt zu. Gnadenlos. Wut um die Münder, Entschlossenheit im Blick, so prallen sie aufeinander. Schmerz-, Kampf-, Angstgeschrei vermischen sich mit den Trompeten. Knochen bersten, oder sind es Hölzer?
Und wir? Wir warten ab, lassen die sich auspowern. Sehen zu.
Die einen gewinnen an Boden, drängen den Gegner zurück in seine Hälfte. Und der verschiebt sich, teilt sich in der Mitte. Es war nur eine Finte. Abseitsfalle. Dahinter rollt schon eine zweite Welle an. Eingekesselt hat der Gegner keine Chance gegen diesen schnellen Konter.
Dann kommt der Befehl: Angriff! Und wir brechen von der Flanke ein. Adrenalin schießt ins Blut, die Muskeln spannen sich, verkrampfen fast. Der Mob hört uns kommen und erkennt die Uniformen. Und er weiß, unsere Ausrüstung ist besser, unsere Ausbildung auch. Und plötzlich formieren sie sich, rotten sich zusammen. Weil es einen neuen Gegner gibt, einen gemeinsamen.
Kurz darauf wirft mich etwas zu Boden. Blutgrätsche.
Stiefel, die auf mir herumtrampeln. Ole, ole.
Der Helm, der durch die Massen über mir verrutscht. Ole, ole.
Schuhe, die mir gegen Schläfe und das Brustbein treten. Ole, ole.
Eisen auf der Zunge. Blut, das mir durch die Zähne rinnt. Ole, ole.
Ole, ole.
Anpfiff –
daran gewöhnt man sich nie
Ich mag Sonntagsleichen.
Aber nur, wenn der Anruf auch sonntags kommt! Muss ich mich wenigstens nicht den ganzen Tag langweilen, kackbanale Chats führen und mich mit dem Nachbarn streiten. Nur weil der sich wieder aufregt, dass ich auf dem Balkon eine rauche.
Aber Montagfrüh! Alter, das geht gar nicht.
»Sie liegt dort drüben im Gebüsch«, informiert uns der junge Streifenpolizist, der gerade das Absperrband befestigt. Wandernde Schneemänner im Grün. Die weißen Overalls wirken deplatziert in diesem frühlingshaften Stück Wald. Das Albstadion ist nur 200 Meter entfernt und doch kaum zu sehen. Mein Kaffee-to-go in der linken Hand ist das einzig Warme. 6 Uhr, der feuchte Aprilnebel sieht aus wie unordentlich über das Feld geworfen.
Ist es wirklich schon sieben Jahre her, seit ich hier oben war? Damals. Und das nur, um innerlich damit abzuschließen. Einen Schlussstrich zu ziehen. Weil der Polizeipsychologe es für wichtig hielt. Dieser Arsch. Als ob das irgendwas geändert hätte. Auf dem »Berg der Ehre«. Dem Schlossberg.
Ja. Ich war 35 damals.
Das Erste, was ich von ihr sehe, sind nackte Beine; Laubblätter kleben daran. Sie hat nur einen Schuh an. Knallroter Nagellack. Abgeplatzt. Warum trägt sie keine Socken in Turnschuhen? Ein Schneemann der Spurensicherung schießt Fotos von allen Seiten. Sie liegt auf dem Rücken, die Hände auf dem Bauch. Als würde sie schlafen. Kurze Jeanshosen, sehr kurz. Blut, viel Blut an den Beinen. Dann sehe ich das zerfetzte rot-blaue Shirt, noch mehr Blut, Tattoos, bekannte Motive, den Seidenschal, die blutverklebte blonde Mähne und dann … Scheiße.
Es wirft mich unmittelbar zurück. In eine verlorene Zeit. Kurz bin ich ganz woanders, ringe nach Luft. Der Weißkittel macht noch immer Fotos, und ich möchte es ihm am liebsten verbieten. Nein. Eigentlich will ich ihm seine Scheißkamera aus den Händen reißen und sie ihm in die Fresse hauen. Mein Psychoonkel wird sich freuen, wenn ich ihm das nächste Mal davon erzähle.
»Identität?«, fragt Schröter