Gellner, ansonsten hätte man im Raum eine fallende Stecknadel hören können.
Nach einer Weile düsteren Schweigens erhob sich der Graf. »War es das, was Ihr mir mitteilen wolltet, Eure Exzellenz?«
Auch der Statthalter erhob sich, und mit ihm eilig die drei Polizeibeamten.
»Jawohl, das war der wesentliche Inhalt unserer Unterredung.«
»Dann kann ich ja wieder gehen.«
»Auf ein Wort, Herr Graf.«
»Noch eines?«
»Ja.«
»Also bitte.«
»Ein schwerer Unfall im Hafen, bei dem ein Mann getötet sowie zwei unbescholtene Hafenarbeiter verletzt wurden und bei dem erheblicher Sachschaden entstanden ist, welcher auf einen heimtückischen Anschlag auf eine hohe Persönlichkeit der Monarchie zurückzuführen ist, ist meines Erachtens ein schwerwiegender Grund, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich verlange eine Erklärung!«
»Was wollt Ihr wissen?«
»Wer ist hinter Euch her?«
»Niemand, den Ihr kennt.«
Stille lag im Raum. Die Mienen der beiden hohen Herren waren angespannt.
»Ihr verweigert die Auskunft?«
»Fragt doch Eure Freunde von der Wiener Polizei.«
»Ich fürchte, Herr Graf, dass Ihr weiterhin in Gefahr schwebt und der Attentäter auf eine erneute Gelegenheit lauert.«
»Der Dilettant soll nur kommen! Dem werde ich Mores lehren. Und ihn bezahlen lassen für den feigen Mord an meinem tüchtigen Fahrer.«
Es war für Bruno, Emilio und Gellner klar ersichtlich, dass der Statthalter durch die unnahbare Haltung des Grafen sehr irritiert war und um Fassung rang.
»Herr Graf, es ist meine Pflicht, eine offizielle Warnung auszusprechen und Euch während des Aufenthalts in Triest Schutz zukommen zu lassen.«
Graf Urbanau winkte ab. »Das ist nicht nötig. Sollen Eure Wachleute Hühnerdiebe und Kirchenräuber fangen, ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen.«
Der Statthalter stützte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte. Er schien mehr als beunruhigt. »Denkt bitte an die Komtess.«
»Meine Tochter hat mit der Sache nichts zu tun! Und jetzt verbitte ich mir weitere Einmischung in meine Angelegenheiten.«
»Ist das Euer letztes Wort?«
»Jawohl.«
»Dann, Herr Graf, bedanke ich mich für Euer Kommen.«
»Und ich bedanke mich für das interessante Gespräch. Ich wünsche einen angenehmen Tag.«
Damit verließ der Graf das Zimmer. Die Beamten im Bureau starrten eine Weile zur Tür, dann ließ sich der Statthalter auf seinen Stuhl fallen. Die drei Polizisten setzten sich ebenso. Der Statthalter blickte sinnierend zur Decke.
»Herr Gellner?«
»Ja, Eure Exzellenz?«
»Sie haben ja gehört, dass Graf Urbanau eine äußerst starke Persönlichkeit ist.«
»Das war unverkennbar zu vernehmen.«
»Dennoch bereitet alleine die Möglichkeit, dass dem Herrn Grafen in Triest etwas zustoßen könnte, mir größtes Unwohlsein.«
»Mir gleichfalls.«
Der Statthalter fasste nun die drei Polizisten scharf ins Auge. »Herr Gellner, ich erteile Ihnen den Auftrag, alle Bewegungen des Herrn Grafen und der Komtess auf diskrete Art zu observieren, und zu jeder Zeit eine ausreichende Anzahl von Beamten in Rufweite zu positionieren, sodass es zu keinem weiteren Anschlag mehr kommen kann.«
»Sehr wohl.«
»Und wenn ich diskret sage, meine ich es auch so!«
»Selbstverständlich.«
»Der Graf hat doch vor, eine Seereise zu unternehmen. Ist das korrekt?«
»Das ist korrekt. Der Graf und die Komtess haben Schiffskarten für die Thalia.«
»Sticht die Thalia wieder zu einer Vergnügungsfahrt in See?«
»Jawohl.«
»Wohin geht die Reise?«
»In die Ägäis und nach Konstantinopel.«
Der Statthalter pochte auf den Tisch. »Wir brauchen inkognito einen verlässlichen Mann an Bord des Schiffes!«
»Jawohl.«
»Können Sie das veranlassen, Herr Oberinspector?«
»Selbstverständlich, Eure Exzellenz! Inspector Pittoni zu meiner Linken wird die diskrete Überwachung des Grafen in Triest besorgen. Und Inspector Zabini zu meiner Rechten wird inkognito an Bord der Thalia gehen.«
»Vortrefflich!«
Der Statthalter erhob sich und verabschiedete die drei Polizisten mit Händedruck.
Bruno ging neben Gellner die Treppe hinab. »Herr Oberinspector, die Thalia wird dreieinhalb Wochen auf See sein.«
»Ja, und?«
»So lange soll ich an Bord sein?«
»Na, ich hoffe doch, dass Sie nicht über die Reling stürzen werden.«
»Ich gebe zu bedenken, dass ich an der Seekrankheit leide.«
Gellner glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Er hielt inne und donnerte: »Sagen Sie mal, Zabini, sind Sie geborener Triestiner?«
»Das ja.«
»Also werden Sie ja wohl zur See fahren können.«
»Es erscheint mir schwierig, drei Wochen an Bord inkognito zu bleiben. Meine Profession wird dem Kapitän und der Mannschaft kaum zu verheimlichen sein.«
»Als Triestiner Polizist haben Sie auf See keinerlei Dienstbefugnis, die Idee Seiner Exzellenz ist daher vortrefflich. Denken Sie sich eine plausible Tarnung aus.«
»Aber warum ich?«
»Weil Ihr Deutsch nicht so klingt, dass einem dabei übel wird, und weil das eine dienstliche Anordnung ist! Sie haben Seine Exzellenz gehört.«
Bruno schluckte. Dreieinhalb Wochen auf See, um den Grafen Urbanau zu beschützen? Porca miseria! Was würde Luise dazu sagen?
*
»Wartest du schon lange?«
»Nein, gar nicht. Nur eine Stunde.«
»Ich weiß, ich bin spät. Papa hat beim Frühstück lange gebraucht.«
Friedrich fasste Carolina an den Händen »Du bist niemals zu spät, denn du bist wie die Sonne. Du kommst, wann du kommst, und du füllst die Welt mit Licht, Liebe und Leben.«
Carolina kicherte. »Das hast du schön gesagt.«
»Lass uns gehen«, sagte Friedrich.
»Ja.«
»Den Auflauf am Hafen habe ich natürlich bemerkt. Als ich dazukam, wurde der Wagen abgeschleppt. Es ist so tragisch. Ein Leben ist ausgelöscht.«
»Ich habe Rudolf gut leiden können, gerade weil er ein wenig verschroben und eigen war. Er war ein großartiger Mechaniker. Einmal habe ich ihm zugesehen, wie er einen Reifen gewechselt hat. Rudolf hat die Arbeit mit völliger Hingabe verrichtet. Das war sehr beeindruckend. Jetzt ist er tot.«
»Wie kam es zu dem Unfall?«
»Ein Defekt der Bremse.«
»Werdet ihr trotz des Vorfalls an Bord gehen?«
»Ja. Papa hat das so entschieden.«
»Dann