wurde ein Verschwender. Ich gab das Geld auf die sinnloseste Weise aus, es konnte ja nicht alle werden, es strömte immer weiter. Nicht schnell genug konnte ich es ausgeben. Nächtelang saß ich in den dümmsten Bars, hielt das halbe Lokal frei und fuhr mit einem schweren Kopf heim. Ich bekam für mein Geld nichts anderes als Kopfschmerzen, Arbeitsunlust, Reue, Gewissensbisse. Und fing doch wieder an.
Suse hielt getreulich zu mir. Sie machte alle diese Fahrten mit, sie brachte mich nach Haus, sie legte mich ins Bett, sie tröstete mich in meinem Kater. Sie verlor nie den Mut. Sie erhob nie Einwendungen gegen die Art, wie ich das Geld verschwendete: es war ja mein Geld, ich hatte es verdient.
Und dabei brachte sie es allmählich fertig, daß ich zur Einsicht kam, so konnte es nicht weitergehen. Sie faßte mich bei meiner Liebe zum Landleben, ich war viele Jahre meines Lebens Landwirt gewesen. Sie erzählte mir von einem Haus auf dem Lande, von einem Garten, vom Vieh, vom Wasser, an dem wir wohnen würden. Wahrhaftig, der Grüne Winkel in Altenhagen, wo wir hausten, war ihr ans Herz gewachsen. Aber der Grüne Winkel lag zu nahe bei Berlin, bei Bars, sie war bereit ihn aufzugeben.
Schließlich fing ich an, nach ›etwas‹ zu suchen, noch ohne rechte Überzeugung, in großen Zeitabständen. Ich inserierte, ich verhandelte mit Maklern, ich fuhr über Land. Aber ich fand nichts Geeignetes. Was uns vorschwebte, mußte so viel vereinen. Es mußte ganz still und ländlich liegen, nur keine Siedlung, nichts Halbstädtisches. Es mußte Wasser haben, direkt am Hause, und Wald. Es mußte eine kleine Landwirtschaft dabei sein, grade soviel, daß sie mir neben meiner Schreiberei Beschäftigung gab, ein Gegengewicht gegen das Papier. Und das Wohnhaus mußte etwas mehr als ein Häuschen sein: wir waren wieder im Begriff, unsere Familie zu vergrößern. Wir brauchten fünf, sechs Zimmer, endlich sollte der Hausherr ein Arbeitszimmer für sich allein haben.
In jener Zeit waren wir beide eigentlich krank. Der Suse, die Zwillinge erwartete, machte ihr Zustand rechte Beschwerden, und ich hatte meine Nerven und meinen Schlaf ziemlich durch mein unsinniges Nachtleben ruiniert. Wir führten gar keinen Haushalt mehr, Altenhagen war verlassen, wir hausten in einer Berliner Pension und warteten auf den Landsitz, der da kommen sollte. Er mußte jetzt ziemlich rasch kommen, sonst war unser Geld alle. Die erste große Flut war vorüber, das Geld floß sachter, andere ›Welterfolge‹ hatten den meinen abgelöst.
Unterdes mußte Suse in eine Klinik, und ich hauste allein in der Pension mit meinem Sohn und einer Betreuerin. Das Alleinleben bekam mir gar nicht, ich konnte es nicht mehr vertragen, allein zu sein. So suchte ich Gesellschaft, und wo findet man nettere und bereitwilligere Gesellschaft als in Bars? Ich konnte alle Tage den Abend nicht abwarten. Es war verdammt, daß die Bars so spät aufmachten!
Dann lag ich eines Morgens im Bett, ziemlich erledigt. Seit Tagen plagte mich ein ununterbrochener Schlucken, er kam so regelmäßig wie das Ticken der Uhr, jede Minute soundsoviele Male. Der Arzt hatte mir Eisstückchen mit etwas Kognak dagegen verordnet, eine sehr erwünschte Verordnung, denn nun konnte ich schon am frühen Vormittag Kognak trinken. Das Eis, na, meinetwegen, ab und an auch ein Stückchen, aber ich vergaß nie, daß Eis eigentlich Wasser ist ...
Da tat sich die Tür auf, und unser Freund Peter trat ein. Ich hatte Peter auf dem Verlag kennengelernt, einen echten Kavalier alter Schule, einen wahren Grandseigneur; hätte er die Mittel gehabt, wäre er der größte Mäcenas aller Zeiten geworden. So war er der getreueste Freund und Anhänger.
»Hören Sie mal, Fallada«, sagte er. »Ich war eben bei der Suse. Sie meint, dieses Angebot ist endlich das richtige. Stehen Sie auf, wir wollen gleich hinfahren.«
»Ach was!« sagte ich und versuchte mit Mühe, die Beschreibung des Maklers zu lesen. »Das ist ja doch wieder nichts. Außerdem bin ich krank und kann nicht fahren. Mecklenburg? In meinem Zustand Mecklenburg, kommt ja gar nicht in Frage!«
»Fallada!« sprach Peter. »Ich habe von der Suse den Auftrag, Sie dorthin zu bringen, und ich bringe Sie dorthin! Da hilft Ihnen alles nichts! Ich habe einen Tag Urlaub genommen, ein Auto steht vor der Tür, in einer halben Stunde fahren wir!«
»Ich bin krank, ich kann unmöglich fahren«, stöhnte ich, immer von Schlucken unterbrochen. »Eben war der Arzt hier. Ich soll immerzu dies Zeug trinken.«
»Was ist das? Kognak, schätze ich. Nun gut, Sie sollen im Auto soviel Kognak trinken, wie Sie wollen, aber mit müssen Sie! Ich habe von der Suse den Auftrag.«
Und mit mußte ich, es half mir alles nichts. Ich wurde in ein Auto gesetzt, neben mir saß Peter, zwischen uns war die Kognakflasche, und los fuhren wir. Aber weiter weiß ich auch von dieser Fahrt fast nichts, da ist ein großes Loch in meinem Gedächtnis. Ich erinnere mich einzig und allein daran, daß ich in einem grünen Kaffeegarten sitze und ziemlich aufgeregt sage: »Dies kaufe ich. Auf der Stelle kaufe ich. Gleich kann ich noch nicht kaufen? Dann wollen wir wenigstens einen Vorvertrag machen!«
Peter hat mir später manchesmal versichert, daß ich den Eindruck eines vollkommen nüchternen, besonnenen Mannes gemacht habe. Der Schlucken war weg. Ich habe alles angesehen, besprochen. Ich habe aus der nächsten Stadt einen Baumeister kommen lassen, der mir einen Kostenvoranschlag über den Ausbau des Hauses machen mußte. Kein Mensch, auch Peter nicht, ist auf die Idee gekommen, daß ich völlig ohne Besinnung war. Aber in diesem völlig besinnungslosen Zustand habe ich meinen heutigen Besitz, die geliebte Heimat unserer Kinder, gekauft. Wundersam ergeht es einem im Leben.
Natürlich habe ich am nächsten Tag bei Suses Bett eine verdammt schlechte Figur gemacht. Ich sollte ihr erzählen, was ich gekauft hatte, wie es dort aussah, wieviel Zimmer, was für Vieh, Wassernähe und Garten? – Ich wußte nichts. Sie hatte allen Grund, über mich verzweifelt zu sein, sie war es sicher auch, aber sie ließ sich nichts merken.
»Fahr möglichst bald mit Uli hin«, sagte sie, »und sieh, daß die Bauerei rasch fertig wird. Wenn die Zwillinge da sind, möchte ich gerne im eigenen Heim wohnen. Nicht wahr, du gibst dir rechte Mühe?«
Dies war der Wendepunkt, von nun an gab ich mir wieder Mühe. Der Goldrausch war vorbei, jetzt hieß es arbeiten.
Ich weiß ein Haus am Wasser
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Es ist Sommer geworden, wir wohnen im Hotel ›Schwarzer Bär‹ zu Bergfeld, der Sohn Uli, seine Pflegerin Wendehals und ich. Suse liegt noch immer in der Klinik; die Zwillinge sind gekommen, aber nur eins der beiden kleinen Mädchen lebt, das andere starb schon nach wenigen Stunden. Das hat mich sehr erschüttert, im geheimen messe ich mir eine Schuld am Tod des kleinen Mädchens bei: Suse hatte zuviel Aufregungen in der letzten Zeit.
Auch dies wurde zu einem Wendepunkt, so vieles kann Wendepunkt werden, wenn man nur empfänglich ist. In diesem Sommer wendete sich vieles, in diesem Sommer war ich für Besinnung und Einkehr sehr empfänglich. Solch kleines Wesen – es hatte nur ein paarmal kläglich geschrien, dann war es gestorben – ein Stück von uns.
Jede Woche zwei-, dreimal fahre ich mit Fräulein Wendehals und Uli auf unsern Besitz hinaus, um die Bauarbeiten zu kontrollieren. Nun kenne ich, was ich gekauft habe. In meinen Briefen bereite ich Suse darauf vor, daß bis zum Herbst noch nicht alles in Ordnung kommen wird. Es bleibt Bauerei genug für das nächste Jahr, um das Haus in einen wohnlichen Zustand zu versetzen, von Stall und Scheune ganz zu schweigen. Trotzdem finde ich, ich habe nicht schlecht gekauft.
Andere sind darüber anderer Ansicht. An einem heißen Sommertag trete ich in eine Wirtschaft der Stadt Bergfeld, ich lasse mir ein Glas Bier geben. Ein paar Leute sitzen da, ich kenne sie nicht, sie kennen mich nicht, ich bin ein Kurgast für sie. Eine Stimme erhebt sich und spricht: »Da hat ja so 'n Berliner Dösbartel das Haus von dem Pendel in Mahlendorf gekauft. Zwölftausend Mark soll er dafür gegeben haben. Daß die Dummen nicht alle werden!«
»Dat segg man, Paule!« stimmt der Wirt eifrig zu. »Zwölfdusend Mark – und is doch bloß ne Baracke, die alle Tage einfallen kann! Herrgott, wie groß ist dein Tiergarten!«
»Meine Herren!« sprach ich hoheitsvoll. »Der Dösbartel aus unsers Herrgotts Tiergarten – der bin ich!«
Sah sie alle der Reihe nach sehr an und verschwand unter tiefem Stillschweigen.