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Und, nun ja – ich liebe diese Stadt und möchte sie gerne in ihrem vollen Potenzial aufblühen sehen. Genau wie all die Frauen, die bei mir unterkommen.“

      Eine wohlige Wärme erfüllte Julias Brust. Mit jemandem wie Mrs C an ihrer Seite würde sich ihre Situation bestimmt bald bessern.

      „Da ist auch schon Pastor Burke. Und wie es scheint, hängt Quinten ihm bereits am Ohr.“

      Bei Quintens Anblick schlug Julias Herz direkt schneller – er sah groß und gut aus, wie er so neben dem kleinen Pastor den Saal durchquerte. Als sein Blick den ihren fand, musste Julia dem Drang widerstehen, sich noch einmal schnell durchs Haar zu fahren und die Frisur zu überprüfen.

      Was war nur los mit ihr? Quinten war schließlich der Kammerdiener ihres Onkels. In England wäre es ihr nicht einmal erlaubt gewesen, sich mit ihm zu unterhalten – es sei denn, es ging um eine häusliche Angelegenheit. Aber hier in diesem fremden Land, wo die gesellschaftlichen Strukturen so viel lockerer gehandhabt wurden, verspürte Julia den drängenden Wunsch, in Quintens Nähe zu sein. Bei ihm fühlte sie sich sicher und wertgeschätzt.

      „Mrs Chamberlain. Miss Holloway“, begrüßte Quinn sie und verbeugte sich höflich. „Wie schön, Sie wiederzusehen.“

      „Ebenfalls, Mr Aspinall.“ War es wirklich erst gestern, dass sie sich so lange mit ihm unterhalten hatte?

      „Also bitte!“, sagte Mrs C und lachte. „So formell sind wir hier doch nicht. Oder, Geoffrey?“

      Schmunzelnd hob der Pastor eine seiner buschigen Brauen und gab ihr recht. „Auf keinen Fall, Harriet.“

      Sogleich zeichnete sich ein leichtes Rosa auf Mrs Cs Wangen ab. „Oh, vergeben Sie mir meine Manieren. Julia, das ist Pastor Burke, der Pastor der Holy Trinity Church.“

      „Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, meine Liebe“, erwiderte er mit einem Grinsen und nahm Julias Hand in die seine. „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber Quinten hat mir schon kurz von Ihnen erzählt. Es tut mir leid, dass Sie durch so eine schwierige Zeit gehen mussten. Ich bin mir sicher, dass wir Ihnen helfen können!“, versicherte er ihr und zeigte mit der Hand in den Saal. „Wir sind inzwischen sehr gut vernetzt in der Stadt. Und jeder der hier Anwesenden hat einmal in einer vergleichbaren Situation gesteckt. Ich werde mich gleich mal umhören, ob nicht jemandem von einer Arbeitsmöglichkeit für Sie weiß.“

      „Vielen Dank, Pastor. Sie haben ja keine Ahnung, was für ein Trost das ist“, sagte Julia und musste schlucken. „Seit … seit dem Tod meines Freundes habe ich mich hier sehr allein gefühlt.“

      Verständnisvoll nickte der Pastor. „Und ich erinnere mich noch zu gut, wie überwältigend diese Stadt sein kann, wenn man hier neu ist. Und dann auch noch so weit weg von zu Hause! Genau aus diesem Grund haben Harriet und ich es uns zur Aufgabe gemacht, Menschen wie Ihnen die Ankunft zu erleichtern. Aber wenn Sie mich nun entschuldigen würden – ich denke, der Abend kann beginnen. Wir zwei sprechen uns bald wieder.“

      Quinn führte Julia zu den metallenen Klappstühlen, die im Halbkreis um ein Podium aufgestellt waren, und setzte sich neben sie. Das einstündige Treffen verging wie im Flug. Pastor Burke und einige andere Leute sprachen über verschiedene Themen, größtenteils Anliegen, die die ärmeren Bewohner der Stadt betrafen. Etwas schüchtern hatte Julia sich kurz den anderen vorgestellt, ebenso ein paar andere Frauen und ein Mann, die heute auch zum ersten Mal da waren.

      Während einer Erfrischungspause etwas später erstaunte es Julia, wie viele Menschen auf sie zukamen und ihr ihre Hilfe anboten. Sie unterhielt sich gerade mit Barbara, als sie spürte, wie sie jemand am Ellbogen berührte.

      „Entschuldigen Sie, Julia, könnte ich kurz mit Ihnen sprechen?“ Obgleich Quinn lächelte, lag so etwas wie Besorgnis in seinem Blick und beschleunigte Julias Puls.

      „Natürlich“, erwiderte sie, entschuldigte sich und folgte Quinn in eine etwas ruhigere Ecke.

      „Bevor ich gehe, wollte ich nur sicherstellen, dass es Ihnen gut geht bei Mrs Chamberlain und Pastor Burke“, sagte er. Wie immer stand er mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt da, wie er es von seiner Stellung als Diener gewohnt war, und doch strahlte irgendetwas an ihm Unruhe aus.

      „Ich fühle mich ganz wie zu Hause. Die beiden waren überaus nett zu mir“, sagte Julia und lächelte. „Und keine Sorge, ich werde später gemeinsam mit Mrs C und den anderen nach Hause gehen. Sie müssen also nicht auf mich warten.“ Die Tatsache, dass er stets auf ihre Sicherheit bedacht war, beeindruckte Julia. Die meisten ihrer Verehrer damals in England waren nicht ansatzweise so fürsorglich gewesen. Er war ein wahrer Gentleman!

      „Das ist gut, aber ich meinte eigentlich nicht nur heute Abend“, erwiderte er und atmete langsam aus. „Ich habe vor, morgen nach Norden zu reisen und nach meinen Brüdern zu suchen. Und sobald ich sie gefunden habe, werde ich weiterfahren in Richtung meiner Schwester.“

      „Oh, ich verstehe“, erwiderte Julia. Warum fühlte es sich nur an, als öffnete sich ein riesiges Loch in ihrem Magen? „Und wie lange werden Sie wohl weg sein?“

      „Mehrere Tage auf jeden Fall. Sollten Schwierigkeiten auftreten, vielleicht auch länger“, erklärte er und griff nach Julias Hand. „Aber ich werde nicht gehen, wenn Sie sich nicht wohlfühlen mit der momentanen … Lösung“, schob er nach und suchte ihren Blick.

      Bei Quintens grauen Augen und der Wärme, die von seiner Hand ausging, fiel es Julia schwer, einen klaren Kopf zu bewahren. Sie schluckte. „Machen Sie sich keine Sorgen um mich, Quinn. Sie haben bereits die Miete für mich bezahlt und Pastor Burke scheint zuversichtlich, dass er bald eine bessere Arbeit für mich finden wird“, beruhigte sie ihn und zwang sich zu lächeln, um damit die aufsteigende Unruhe in sich zu überspielen.

      „Aber bitte versprechen Sie mir, dass Sie bis zu meiner Rückkunft bei Mrs C wohnen bleiben.“

      „Warum ist Ihnen das so wichtig?“, fragte sie und starrte ihn misstrauisch an. „Hat mein Onkel Ihnen aufgetragen, mich zu bewachen?“

      Quinn erstarrte. „Das hat nichts mit Ihrem Onkel zu tun.“

      „Sie kennen mich doch kaum. Anders kann ich mir nicht erklären, warum Sie sich für mein Wohlbefinden verantwortlich fühlen sollten“, sagte Julia und hob entschieden den Kopf. Es störte sie noch immer, in Quinns Schuld zu stehen, da sie seine wahren Motive nicht kannte. Und nach dem Fiasko mit Dr. Hawkins traute Julia ihrem eigenen Urteil nicht mehr.

      Quinn atmete hörbar aus. „Das ist vielleicht schwer nachvollziehbar, aber … für mich sind Sie ein Teil der Familie Brentwood. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich der Kammerdiener Ihres Onkels bin und damit verantwortlich für sein Wohlbefinden. Und nicht nur für seines, sondern auch für das all derer, die zu Earl Brentwood gehören. Deshalb kann ich den Gedanken einfach nicht ertragen, Sie noch einmal unter solch schrecklichen Bedingungen leben zu sehen.“

      Quinns aufrichtiger Blick war beinahe zu viel für Julia. „Es wird mir gut gehen, Quinn. Danke.“

      „Also gut“, erwiderte er und die Falten auf seiner Stirn legten sich. „Ich freue mich, Sie bald wiederzusehen“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Hand.

      Die davon ausgehende Wärme stieg in Julias Arm hoch bis in die Wangen. „Gute Reise, Quinn. Ich bete, dass Sie mit guten Neuigkeiten zurückkommen.“

      „Ja, das tue ich auch. Auf Wiedersehen, Julia.“

      Er sah sie noch einige Sekunden lang an, bevor er ihre Hand wieder freigab und davonging.

      „Bitte bewahre ihn, Herr“, murmelte Julia. „Und lass seine Geschwister bei guter Gesundheit sein.“

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      Die Zugfahrt nach Elmvale am nächsten Tag bot Quinn zu viel Zeit, um seinen Gedanken nachzuhängen. Noch nie war er so hin- und hergerissen gewesen. Einerseits hielt er es für einen Fehler, zuerst nach seinen Brüdern zu sehen und danach zu seiner Schwester Becky zu fahren. Aber Peterborough lag etwa zwei