und ist der BBC zufolge »das, was einem Manifest für eine Generation selbsternannter ›Klima-Doomer‹ am nächsten kommt«12.
Da die Katastrophe gewiss ist, sei Bendell zufolge der einzig gangbare Weg die »Tiefenadaptation«. Dazu gehören: »Resilienz« durch einen Ausbau der Infrastruktur, »Verzicht«, also das Aufgeben derAspekte, die den Klimawandel befördern, und »Wiederherstellung«, die Rückkehr zu alten kulturellen Werten und Praktiken.
Die heftige Kritik anerkannter Klimaforscher an Bendells Theorien tat der viralen Verbreitung keinen Abbruch; infolge der Veröffentlichung bildete sich eine regelrechte Tiefenadaptions-Bewegung, deren Facebook-Seite mehr als 10000 Mitglieder hat, mit Ablegern in gut einem Dutzend Länder. Bei Experten mag der Text heftig umstritten sein, doch womöglich erreichte er seine Wirkung gerade wegen seiner drastischen Formulierungen: »Du wirst unterernährt sein. Du wirst nicht wissen, ob du bleiben oder gehen willst. Du wirst fürchten, gewaltsam getötet zu werden, bevor du verhungerst.« Angesichts dieser brutalen Sätze hat der Essay tatsächlich mehr mit Debatten in militanten Preppergruppen gemein als mit wissenschaftlichen Texten.
Manche Medien nutzen das Wort »Doomer« inzwischen inakkurat als Anglizismus für militante Tag-X-Nazis; auch manche Prepper distanzieren sich vom rechtsextremen Milieu, indem sie von »Doomern« sprechen. All das sorgt in der Szene für bitteren Spott: »Irgendwie haben es die Mainstreammedien mal wieder fantastisch hinbekommen und ein Wort medial auf das Negativste überhaupt geprägt«, schreibt Sebastian Hein. »Fälschlicherweise wird dieses Wort ›Doomer‹ in der Prepper-Szene auch von Unwissenden verwendet, um genau dieses Klischee zu erfüllen und zu bestärken.«
Die Realität ist komplizierter. Fakt ist, dass die Szene alle möglichen Strömungen bündelt. Bei den Vorbereitungen auf den Ernstfall schwingt vielfach eine mal mehr, mal weniger kaschierte Katastrophenlust mit. Die imaginierten Krisen und auch die hypothetische eigene Rolle sind überzogen vom matten Schimmer der Verklärung: im Einklang mit der Natur leben, mit maximalem Sicherheitsabstand von Formfleisch, Fastfood-Ketten, digitalisierter Arbeitswelt und flexiblen Genderidentitäten. Das kann man Aussteigerromantik nennen. Oder antimodern. Dem postheroischen Mann stellt sich hier ein archaisches Kriegerbild entgegen; toxic masculinity und white fragility haben in der Endzeit keinen Platz.
»Es gibt Leute, die in unserer Gesellschaft nicht zu Rande kommen und sich als Opfer fühlen«, sagt der Betreiber eines Prepperforums. »Manche denken, dass das Leben nach der Krise einfacher wird, weil sie sich nehmen können, was sie schon immer haben wollten.« Oft kreisen die Planungen und Probetrainings um den »Break-out«, den Ausbruch, also den Moment, in dem sie sich von der Zivilisation in die Wildnis schlagen. Damit öffnet die Krisenvorsorge auch einen Fluchtweg aus der Komplexität der wirklichen Welt: Das eigene Land beackern, als Jäger und Sammler durch die Wälder ziehen – die Welt im Griff haben. So reduziert sich die Vielfalt der globalisierten Welt auf den Einzelnen und die Seinen. Die Fülle der Wahlmöglichkeiten schnurrt auf die Überlebensfrage zusammen.
4 TAB beim Bundestag: https://tinyurl.com/l7lg5ma
5 T-Online: https://tinyurl.com/y94wym5r
6 Süddeutsche Zeitung: https://tinyurl.com/y6uf9bn6
7 Kirche Jesu Christi: https://tinyurl.com/yblser2t
8 Greenpeace: https://tinyurl.com/yyvjeg7d
9 Handelsblatt: https://tinyurl.com/y9346sxz
10 New Yorker: https://tinyurl.com/y4metm73
11 Lifeworth: https://tinyurl.com/ya6lxow7
12 BBC: https://tinyurl.com/ybrxp8q3
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