Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Johnnys neue Masche


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Stunde später verließ er das Appartement in der Gun Hill Road. Er war schon draußen auf dem Gang, da schrillte das Telefon. Er hätte es überhören können, aber Selbstbetrug mochte er nicht. Also kehrte er um.

      „Hallo?“

      „Hier ist die führende Auskunftei der Vereinigten Staaten.“

      „Die Pinkerton Company?“

      „Frechheit! — Hör mal, Higgins ist ein ganz großes Tier. Einer der führenden Chemiker des Landes. Wie bist du den geraten?“

      Joesetzte sich.

      „Unwichtig“, sagte er. „Erzähl schon, Fred!“

      „Geboren in England, Studium in Cambridge, Promotion mit einundzwanzig Jahren, Verfasser eines aufsehenerregenden Buches über Molekularstruktur, als er zweiundzwanzig war. Lehrtätigkeit in England. Kam in den dreißiger Jahren in die Staaten und war zwölf Jahre in Rickhaven tätig.“

      Joehorchte auf.

      „Rickhaven? Das ist doch die Giftküche der Marine.“

      „Stimmt. Dort hat er an kriegswichtigen Projekten gearbeitet. Von ihm stammt ein neuartiger Treibstoff. Einzelheiten sind nicht in Erfahrung zu bringen, denn das Ganze läuft unter top secretʻ1), und unsere Regierung hat bekanntlich etwas gegen meine Zunft.“ „Und weiter?“ fragte Jo.

      „Nach dem Krieg schied Higgins aus dem Staatsdienst aus und betätigte sich nur noch als Privatgelehrter. Er hat ein kleines Laboratorium in Tuscaloosa, Virginia. Was er da kocht, weiß ich nicht, aber ich habe festgestellt, daß er Dutzende von Patenten hat, und sie sind alle geheim.“

      „ Schau einer an “, murmelte Joeverblüfft.

      „Higgins ist VIP“, fuhr Fred fort. „ Very important person2)! Es ist anzunehmen, daß unsere Sicherheitsorgane ihn unter ihre Fittiche genommen haben. — Was sagst du nun? Ist das ein Ding?“

      Joesah auf die Uhr.

      „Schick mir die Rechnung“, sagte er und hängte auf.

      Das veränderte natürlich die Sachlage. Joehätte nie geglaubt, daß dieser Higgins echt war. Aber seine alte Methode, auch vermeintliche Bagatellen nachzuprüfen, hatte sich wieder einmal bewährt.

      Dieser Higgins schien ein großes Kind zu sein. Aber wenn an seinen Reden etwas daran war … Das Projekt Tobby hatte plötzlich einen ganz anderen Klang.

      Joerief anschließend an sein Gespräch mit Wheatherley im Center an.

      Chef der Abteilung IXc war Leutnant Moore. Joekannte ihn gut. Moore war ein rotgesichtiger Hüne und eine große Footballkanone. In der Mannschaft des Centers mimte er den Spielführer.

      „Walker hier …“

      „Jo, alte Pflaume“, schmetterte es aus dem Hörer, „wenn du mir noch mal so einen Spaßvogel wie eben herschickst, komme ich persönlich nach Bronx und steige dir aufs Dach. Was war denn das für ein Geselle?“

      „Er war also da?“

      „Sicher, Josuah Jerome Higgins war da. Er hat mir die Ohren voll gezwitschert von seiner Tobby. Scheint ’ne Freundin zu sein, eh?“

      „No, eine Erfindung!“ sagte Jo. „Wo ist Higgins jetzt?“

      „Wieder fort. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was er mir erzählt hat. Angeblich bedroht man ihn, aber Einzelheiten wollte er nicht erzählen. Er sagte, du hättest ihn hergeschickt, damit er Polizeischutz bekommt. — Mein lieber Jo, wenn ich all den Leuten Polizeischutz geben wollte, die hier auftauchen, dann brauchten wir noch ein paar Divisionen von der Nationalgarde und würden’s immer noch nicht schaffen.“

      „Ich hielt Higgins ebenfalls für einen harmlosen Irren, aber das scheint er nicht zu sein.“

      „Was, in aller Welt, ist er denn?“

      Joewiederholte die Auskunft, die er von Fred bekommen hatte.

      „Es ist purer Zufall, daß ich es überhaupt erfahren habe“, betonte er. „Leider kam ich erst hinterher darauf, mich mit Higgins näher zu befassen. Wie esscheint, ist dieser Higgins seinen Bewachern vom Sicherheitsdienst entwischt und läuft nun frei im Park herum. Wenn er wirklich eine so bedeutende Persönlichkeit ist wie es scheint, kann da allerhand passieren.“

      Moore hatte mit angehaltenem Atem zugehört.

      „Da brat mir einer ’nen Storch!“ schnaufte er. „Dieses harmlose Männchen soll ein großer Gelehrter sein? Na, meinetwegen. Einstein wäre beim Rugby sicher eine Null gewesen und soll doch ein ganz tüchtiger Physiker gewesen sein. Was soll ich also für deinen Higgins tun?“

      „Ich würde die zuständigen Stellen informieren, daß er bei dir war.“

      „Und was für Stellen sind das?“

      „Weiß ich nicht“, erwiderte Joegelassen. „Das ist sicher geheim.“

      „Also Geheimdienst! — Okay, ich werde das Nötige veranlassen. Vielleicht nähen die mir dafür einen Streifen mehr auf den Ärmel. Danke für den Tip, Jo!“

      Damit war der Fall ausgestanden.

      Dachte Jo.

      Er sollte sich irren.

      2. Kapitel

      Die Adirondacks liegen im Norden, ein ausgedehntes Waldgelände mit erstklassigen Jagdgelegenheiten. Im Winter pflegte Joedort Ski zu fahren. Im Sommer hielt er eine Beteiligung an einer Jagdhütte am Paradox Lake.

      Er fuhr über Yonkers hinaus und erreichte bei Peekskill den Taconic Stata Parkway. Das breite Asphaltband zog sich schnurgerade in nördlicher Richtung, parallel zum Hudson River. Er er höhte das Tempo.

      Und erst jetzt fiel ihm der 58er Chevy unangenehm auf. Seit Peekskill war der Wagen unverändert hinter ihm.

      Um sicherzugehen, erhöhte Joedas Tempo. Die Tachonadel spielte jetzt um die neunzig. Der Chevy zog unbeirrt mit. Das gab Joezu denken. Er ging weiter mit dem Tempo, zog auf hundeftzehn. Normalerweise hätte det Chevy jetzt abfallen müssen. Das tat er aber nicht; Im Gegenteil. Er holte noch etwas auf.

      Die Maschine ist frisiert, dachte Jo. In dem Chevy saßen zwei Männer mit Hüten. Auch das gefiel ihm nicht. Drei kleine Kinder auf der Rückbank, das hätte ihn von der Harmlosigkeit des Wagens überzeugt, aber so!

      Er ging das Problem anders an: Wer konnte hinter ihm her sein?

      Er kam auf keinen. Nicht im Augenblick. Seine Fälle waren abgeschlossen, nichts lief zur Zeit. Er war unterwegs, um ein paar Tage auszusetzen.

      Also täuschte er sich. Wahrscheinlich sah er Gespenster. Davor blieb selbst der kühlste Kriminalist nicht bewahrt.

      Er ließ das Gaspedal zurückgleiten, und als er mit der Geschwindigkeit auf achtzig gefallen war, zog der Chevy an ihm vorbei. Die Männer sahen zu ihm herüber.

      Joewar gewohnt, daß sein Wagen Aufsehen erregte. Aber die Männer musterten ihn, nicht seinen Laubfrosch. Und sie hatten Gesichter, die ihm nicht gefielen.

      Dann verlor der Wagen sich vor ihm im Verkehr.

      Bei Austerlitz bog Joevom Parkway ab und rollte hinüber zur Raststätte. Hier kam der Massachusetts Parkway herüber. Austerlitz war Treffpunkt der beiden Fernstraßen, und an der Raststätte war allerhand los.

      Joebestellte sich ein Steak, das über den Teller hing. Dazu gab es ganz junge Champignons und Erbsen von der rechten Stecknadelgröße, süß wie Zucker. Wer Ferien macht und am Essen spart, macht keine Ferien, sagte sich Joeund machte sich darüber her.

      Als er beim Kaffee war, fiel ihm ein Mann auf. Er wandte ihm den Rücken zu, aber Joewar sicher, ihn zu kennen. Es war eine der beiden Schattenfiguren aus dem Chevy.

      Joebeeilte sich mit dem Bezahlen und erwischte den Mann draußen auf dem Parkplatz. Der Bursche war groß und hatte eine, ausdrucksloses