Daniel Zindel

Lieben, leiten, leben


Скачать книгу

Ehebeziehung ist vielleicht Geduld gefragt, Nachgeben, Emotionalität, Verletzlichkeit. In der Ehe lasse ich die eigene Bedürftigkeit zu und nehme die Schwäche des Partners an. Je mehr wir im Führungsalltag solchen für die Ehe wenig hilfreichen charakterlichen Prägekräften ausgesetzt sind, desto wichtiger ist es, dass der Heilige Geist unseren Charakter prägt und umformt. (Je größer die »déformation professionelle«, um so wichtiger ist die »formation spirituelle«.) Durch Stille vor Gott, durch Bibellesen, durch das Zwiegespräch mit unserem Schöpfer und die Gemeinschaft mit anderen Christen bauen wir ehetaugliche Gesinnungen auf.

      Auch wenn die Organisation, in der wir arbeiten, anders »tickt« als das Zusammenleben in Ehe und Familie, können wir anfangen, Selbst- und Sozialkompetenzen, die wir in der Ehe entdecken, auch im Unternehmen punktuell einzubringen. Als Leitende können wir sogar eine ganze Kultur umprägen. Eigentlich sind diese »weichen Faktoren«, die wir in einer Ehe lernen, auch für ein Unternehmen unerlässlich: Ich (Daniel) denke an einen unserer Mitarbeiter, der heikle Konflikte klar und ehrlich anspricht und dabei seinen Mitarbeitenden liebevoll zugewandt bleiben kann. Das hat er im Trainingscamp seiner Ehe gelernt.

      5Jürg Willi, Die Zweierbeziehung – Spannungsursachen – Störungsmuster – Klärungsprozesse – Lösungsmodelle. Analyse des unbewussten Zusammenspiels in Partnerwahl und Paarkonflikt: das Kollusionskonzept, Rowohlt, Reinbek 162004.

      6Jürg Willi, Die Kunst gemeinsamen Wachsens – Ko-Evolution in Partnerschaft, Familie und Kultur, Herder, Freiburg 2007.

       Dialog

      Vorhin ging es ums Beten. Der Apostel Paulus hat viel darüber nachgedacht und ist zu dem Schluss gekommen: »Wir wissen nicht, was wir eigentlich beten sollen« (Römer 8,26). Ähnlich ist es mit dem ehelichen Zwiegespräch, wenn es über den Austausch von Alltagsinformationen, organisatorische Absprachen und eingeschliffene Wortwechsel hinausgehen soll. Wir wissen es immer wieder nicht, wie wir uns als Ehepartnerin und Ehepartner durch Dialog in der Tiefe begegnen können.

       Mehr als Kommunikationstraining

      Wir ahnen, es braucht mehr als Kommunikationstraining. Aktives Zuhören lernen ist nützlich. Ebenso ist es hilfreich, wenn man in einer Unterhaltung zwischen Sach- und Beziehungsebene zu unterscheiden vermag. Und zwar beim Reden wie beim Zuhören. Ferner nimmt es im Gespräch Druck, wenn ich konstant von mir rede und mein Gegenüber nicht mit Du-Botschaften festnagle. Zudem ist es entlastend, wenn ich permanent davon ausgehe, dass der andere das, was er sagt, wirklich so erlebt, auch wenn meine Wahrnehmung völlig anders ist. Wir leben nun mal als Paar in zwei subjektiven Realitäten. Meine Frau trägt einen dicken Wollpullover und ich ein T-Shirt im selben Wohnzimmer. Sollen wir jetzt darüber zu streiten beginnen, ob es in der guten Stube zu warm oder zu kalt ist? (Die Hälfte aller ehelichen Reibereien entsteht genau über solchen sinnlosen Konflikten.) Schließlich soll jedes Paar sich auf die Spur kommen, wann und wo Ehegespräche mit Tiefgang am leichtesten entstehen. Spazieren, Spargelessen, Spielzeug aufräumen …

       Trialog: Gott öffnet uns das Herz und löst unsere Zunge

      Es kommt vor, dass wir das alles wissen und trainieren, aber das Zwiegespräch der Herzen gelingt doch nicht. Wir geben uns zwar auf der Verhaltensebene Mühe, aber auf einer tieferen Ebene stimmt etwas nicht. Einer von uns oder gar wir beide sind blockiert. Der eheliche Dialog kann damit beginnen, dass ich mein Unvermögen erkenne, mich wirklich zu öffnen – und damit auch angreifbar und verletzlich zu werden. Ja, so ist es, ich blockiere mich immer wieder. Ich bringe dieses Unvermögen vor Gott. »Gott, du siehst, wie ich mich eigentlich nach dem Austausch im Gespräch sehne und zugleich Angst davor habe. Ich möchte mehr Nähe und fürchte mich doch davor. Ich gebe dir jetzt mein Ungenügen und meine Angst ab. Gott, ich bringe dir auch meine Unlust zum Gespräch. Berühre mein Herz, löse meine Zunge, wecke mein Ohr.« Die innere Veränderung zur Gesprächsbereitschaft, für die jeder Ehepartner selbst verantwortlich ist und die nicht eingefordert werden kann, ist wie ein Vorspiel. Es weckt Lust auf das Gespräch. Gute Ehegespräche sind sexy. Es hat mit einer Wahl zu tun: Ich lasse mich jetzt auf den Partner, die Partnerin ein. Es kann auch sein, dass die Zeit noch nicht reif ist: »Nein, jetzt nicht, ich lese den Artikel fertig. In zwanzig Minuten machen wir uns einen Tee und nehmen uns Zeit füreinander.« Mir (Käthi) fällt es leicht, das mitzuteilen, was mir auf dem Herzen ist. Ich kann in Gesprächen leichter den Anfang machen. Also mache ich es. Warum soll ich warten, bis mein Mann beginnt? Ich beginne, er kommt dann schon.

      Paulus, der nicht wusste, was er eigentlich beten sollte, schreibt dann weiter: »der Geist selber jedoch tritt für uns ein mit wortlosen Seufzern« (Römer 8,26). Gehen Sie auch davon aus, dass Ihnen jemand zu Hilfe kommt, wenn Sie sich ehrlich auf ein Gespräch einlassen. Der Heilige Geist, der Meister der Kommunikation, will Sie im Gespräch unterstützen. Im Verlauf des Redens wird es ja manche Klippen geben. Sie werden nicht verstanden. Ihr Gegenüber geht nicht auf das ein, was Sie gesagt haben, oder verdreht Ihre Worte. Es gibt unzählige Momente, wo Sie sich übergangen, unverstanden fühlen könnten. Deponieren Sie diese Irritation oder Verletzung mit einem Stoßseufzer bei Gott. Lassen Sie sich von ihm Verständnis, Humor und Barmherzigkeit für Ihr Gegenüber zufließen. Gott ist auch Ihr Schutz, Sie müssen nicht sofort den Rückzug antreten.

      Eigentlich ist der Dialog dann ein »Trialog«. Ich kann während des Redens mit meiner Ehepartnerin Ärger oder Frust bei Gott abfließen lassen oder mir von Gott Wachheit und Frische für die Begegnung erbitten und empfangen. Gott inspiriert, schärft und heilt mein Reden und Hören. »Gott, der Herr, hat mir die Zunge eines Schülers gegeben, damit ich den Müden zu helfen weiß mit einem Wort. Er weckt auf, Morgen für Morgen weckt er mir das Ohr, damit ich höre wie ein Schüler« (Jesaja 50,4).

       Keine Konfliktvermeidung

      Es könnte der Eindruck entstehen, dass wir uns einander nicht mehr zu stellen brauchen, wenn wir Gott auf diese Art und Weise in unsere Gespräche einbeziehen. Doch wir reden hier nicht frömmlerischer Konfliktvermeidung das Wort! Im Gegenteil: Gerade wenn wir die göttliche Dimension in unsere Dialoge einbeziehen, schaffen wir ein konstruktives Klima für harte und faire Auseinandersetzungen. Streitgespräche machen für uns nur Sinn, wenn aus dem Gespräch mit dem »Gegner« eine gute Begegnung entsteht, bei der kein Stachel zurückbleibt. Durch den »Trialog«, wo ich immer wieder zuerst selbst dafür sorge, dass ich mit mir im Reinen bin, wo beide Partner die Verantwortung für klares, wahres Reden in Achtung und Liebe für den anderen übernehmen, entsteht konstruktives Ringen. Dann gehen wir Konflikte ziel- und lösungsorientiert an und überschütten uns nicht gegenseitig mit unseren miesen Gefühlen.

       Führen ist Kommunizieren

      Kommunizieren ist ein wesentlicher und wichtiger Teil unserer Führungsverantwortung.