Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Gnadenlose Jagd


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seine Motive mag. Daran können Geld und gute Worte nichts ändern.“

      „Gewiß“, sagte Antony seufzend, „er ist ein großer Strolch, aber da sind ein paar Dinge, die du noch nicht kennst. Dieser Aaron Tyndall hat sich nach der offiziellen Version einer Gangsterbande angeschlossen und ist dabei abserviert worden. In Wahrheit sieht die Sache anders aus. Es stimmt zwar, daß er unter Verbrecher geraten ist, aber es handelt sich nicht um irgendeine Clique von Hühnerdieben, sondern um eine internationale Bande von Waffenschmugglern. Und Aaron ist nicht das verkommene Muttersöhnchen aus gutem Haus, sondern es spricht einiges dafür, daß er eine leitende Funktion eingenommen hat. Und was schließlich die Geschichte von seinem angeblichen Tod angeht, so haben wir guten Grund zu der Annahme, daß Tyndall sie selbst in die Welt gesetzt hat. Sein Name stand auf den Fahndungslisten von sechs Ländern, da war es verständlich, daß er eine Generalbereinigung anstrebte.“

      „Also Aaron lebt?“

      „Davon bin ich überzeugt.“

      „Und er ist der Boß einer Bande von internationalen Waffenschmugglern?“

      „Die ganz Südamerika mit gestohlenen Waffen beliefert — je nach Bedarf“, ergänzte der Captain.

      Joe sah ihn nachdenklich an.

      „Und was hast du damit zu tun, Alter? Waffenschmuggel fällt nicht in dein Ressort, Brasilien erst recht nicht.“

      Das Gesicht des Captains wurde hart.

      „Aber Mord fällt in mein Ressort. Ich sagte doch schon, daß es sich größtenteils um gestohlene Waffen handelt. Im vorigen Monat hat die Bande ein Waffenlager der National Guard hier in New York überfallen und ausgeraubt. Dabei wurde ein Wächter ermordet. Die Spuren wiesen auf den Verein, dem Aaron angehört. Wir nahmen dieses Verbrechen zum Anlaß, die verschiedenen Ressorts aufeinander abzustimmen. Mein Dezernat ist jetzt federführend in dieser Angelegenheit. Mit anderen Worten: Der Fall gehört mir.“

      „Und wie weit bist du gekommen?“

      Der Captain setzte sein Glas ab, daß es klirrte.

      „Das ist es ja! Ich weiß ziemlich genau, wo ich den Mörder zu suchen habe. Er sitzt in Brasilien. Aber ich habe nicht genügend Material, um ein offizielles Fahndungsersuchen loszulassen. Es sähe anders aus, wenn ich persönlich nach Brasilien ginge. Aber das läßt sich noch nicht machen. Ich habe zwar schon einiges Material über die Bande, aber es reicht noch nicht aus. Vor allem ist noch völlig offen, durch welche Kanäle sie die gestohlenen Waffen ins Ausland schmuggeln.“

      „Und du bist sicher, daß Aaron Mitglied dieses Vereins ist?“

      „Jedenfalls war er’s“, brummte Antony. „Und da ich die Story von seinem Dahinscheiden nicht glaube, muß er noch da zu finden sein.“

      „Und jetzt soll ich nach Brasilien reisen und euch die erforderlichen Beweise besorgen?“

      Der Captain nickte.

      „So habe ich mir das zurechtgelegt. Die Geschichte geht nämlich weiter: Im vorigen Monat haben wir einen unserer jungen Leute nach Brasilien geschickt. Rod MacDonald heißt er.“

      „Ich glaube, ich kenne ihn.“

      „Er nahm Kontakt mit der brasilianischen Polizei auf, und wir hatten vereinbart, daß er einmal pro Woche telefonisch Bericht gibt. Nun, Rod wandte sich an den alten Paul Tyndall und fragte ihn nach Aaron aus, und wie es scheint, hat sich bei dem Alten dabei die Überzeugung gefestigt, daß sein Sohn Aaron noch lebt. Das Testament, durch das er Ringo zwingt, seinen Bruder zu suchen, wurde erst nach diesem Besuch abgefaßt.“

      „Also seid ihr nicht ganz unschuldig daran?“

      „Nein, und auch daran nicht, daß Ringo sich an dich gewandt hat.“

      Joe hob die Brauen.

      „Was soll das heißen?“

      Antony grinste.

      „Ringo und diese Vogelscheuche Carrington wandten sich an uns, um zu erfahren, wer der fähigste Detektiv von New York sei, und da habe ich dir diesen Joeb zugeschanzt. Du bist undankbar, wenn du ihn ablehnst. Gelingt es dir bei dieser Gelegenheit, die Bande hochgehen zu lassen, erwirbst du dir unsere ewige Dankbarkeit. Uns interessieren genaue Angaben über die Mitglieder der Bande, über die Kanäle, durch die der Waffenschmuggel fließt …“

      „… und ausreichend Beweismaterial für einen großen Schwurgerichtsprozeß, bei dem Attorney Bown groß herauskommt“, brummte Joe.

      „So ungefähr, denn im Herbst sind Wahlen“, gab Antony zu. „Also wie sieht es aus — ja oder nein?“

      „Ja“, sagte Privatdetektiv Joe Barry, „denn du hast die Überredungskunst eines armenischen Teppichverkäufers!“

      Der Captain nahm seine Tasche hoch und warf ein Bündel Akten auf den Tisch.

      „Hier sind alle Unterlagen, die wir haben. Du kannst sie behalten, solange du willst. Natürlich werden wir alle Polizeibehörden anweisen, dich nach Kräften zu unterstützen. Für die finanzielle Seite sorgt Ringo, insofern wird der amerikanische Steuerzahler geschont. In Brasilien würde ich dir empfehlen, sofort mit Rod MacDonald Kontakt aufzunehmen. Er kennt die Verhältnisse!“

      Joe nickte, ging zum Telefon und wählte die Nummer des Hotels „The New Yorker“.

      „Ich möchte Ringo Yyndäll sprechen“, sagte er, „aber pronto! Zögern Sie nicht, den Schönheitsschlaf des Herrn zu unterbrechen!“

      *

      Die Düsenmaschine setzte auf dem International Air Port von Rio de Janeiro auf. Als Joe die klimatisierte Kabine verließ, traf ihn die Hitze wie ein Schlag. Er nahm seine Reisetasche — mehr Gepäck hatte er nicht — und sah zu, daß er die Zollabfertigung hinter sich bekam.

      „Irgend etwas zu verzollen?“ fragte der grünuniformierte Beamte.

      Joe nickte

      „Zwei Pfund Heroin und ein freches Buch!“

      „Angenehmen Aufenthalt“, brummte der Beamte und malte schwungvoll seinen Kreideschnörkel auf die Tasche.

      Joe betrat die große Empfangshalle und sah sich um. Es wimmelte hier von Menschen, aber in den Jahren seiner Tätigkeit hatte Privatdetektiv Joe Barry einen Instinkt entwickelt, der keiner verstandesmäßigen Rechtfertigung bedurfte. So fiel ihm der Mann an der Bar auf, obwohl nichts Auffälliges an ihm war. Es war ein Weißer, der einen hellen Leinenanzug und einen Schlapphut trug. Unter dem Hut hingen ein paar rötliche Haarsträhnen hervor; das Gesicht, schweißüberglänzt, war sommersprossig; die Augen verkniffen.

      Joe besah sich den Mann einen Augenblick und ging weiter. Am Ausgang drehte er sich nicht um, aber er konnte in den spiegelnden Glasscheiben sehen, daß der Rothaarige eben eine Telefonzelle betrat. Joe hob die Schultern und ging weiter.

      Aus der Reihe der wartenden Taxis löste sich eines und fuhr vor. Der Fahrer öffnete einladend die Tür. Joe schüttelte den Kopf, wandte sich nach rechts und ging bis ans Ende der Reihe. Das vorletzte Taxi bestieg er. Ganz so einfach wollte er es der Gegenseite doch nicht machen.

      „Wohin, Señor?“ fragte der Fahrer, ein kleiner, untersetzter Neger.

      „In die Stadt — Calle Eusebio, 218“, sagte Joe.

      Das Taxi, ein alter, klappriger Chevrolet, zog an.

      Sie erreichten den sechsspurigen Highway, der vom Flughafen zur Stadt führte. Joe sah sich mehrere Male um, konnte aber keine Verfolger entdecken.

      Kurz darauf kam eine Baustelle, und sie wurden auf einen Schotterweg abgeleitet.

      „Ich fahre eine Abkürzung, Señor“, rief der Fahrer und bog in einen schmalen Sandweg ein, der hinunter zur Küste führte. Dicht am Meer entlang ging es weiter. Sie fuhren durch Slumviertel mit elenden Hütten und Wellblechbaracken, dann erreichten sie offenes Gelände. Der Motor des Chevrolet begann zu stottern und setzte schließlich ganz aus.

      Joe