Nataly von Eschstruth

Bräutigam und Braut


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      Nataly von Eschstruth

      Bräutigam und Braut

      Humoristischer Roman

      Erste Auflage

      Saga

      Bräutigam und Braut

      © 1920 Nataly von Eschstruth

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711472910

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Kapitel 1

      Da kam mal ein Prinz,

      mit dem ward sie getraut —

      und er war der Bräutigam

      und sie war die Braut! —

      Quickborn

      Bald heissts „Bräutigam und Braut“

      Freischütz

      Die Sonne ging auf. — Ein sieghaft strahlendes Licht.

      Durch das Gewirr des im ersten Grün sprossenden wilden Weins flutete sie hinein in das stille Erkerstübchen, in welchem soeben eine schlanke Mädchengestalt mit ernsten, übermüdeten Augen an das Fenster trat, es zu öffnen. Ein tiefer Seufzer hob die flache Brust. — Sie strich noch einmal mit der Hand über die feuchten Wimpern und blickte wie in stiller, schwermütiger Ergebung zu dem Himmel empor. Leuchtende Strahlen zuckten über denselben wie verheissende Botschaft von Keimen, Wachsen, Blühen und Fruchttragen.

      Noch wogten die knospenden Baumzweige im entscheidenden Wipfelkampf, aber sie reckten sich in der kommenden Ruhe schon jetzt so gewaltig empor, als seien sie das Wahrzeichen jener wonnesamen Verheissung: Die Glocken läuten von fern und nah — sie wollen frohlocken, der Lenz ist da!

      Wird er auch für sie kommen? Für sie, das einsame alternde Mädchen, welchem das Leben nur Sturm gebracht bisher, von dem ersten Frühlingsbrausen bis zu dem grausamen Eiseshauch des Winters, welcher so manches — für sie wohl jedes grüne Blatt der Hoffnung unbarmherzig von dem Lebensbaum gerissen?

      Was hatte sie erreicht? — Was hatte sich von all den goldenen Jugendträumen erfüllt? Sie war so einsam gewesen inmitten der lauten, bunten, geselligen Welt.

      Ihr Vater, als Rechnungsrat, hatte wohl sein gutes Auskommen, aber kein Vermögen. Jahrelang eine kränkelnde Frau und wenig Hoffnung auf eine Aufbesserung seiner Verhältnisse. Da galt es sparen, sich einrichten, abknapsen wie und wo es nur anging. Die Tochter! — es war so gut, dass sie die einzige blieb, denn der Vater hatte kein Geld und Interesse für den Luxus, Bräute ausstatten zu müssen; ein Sohn wäre ihm als Erfüllung seines ehrgeizigsten Wunsches willkommen gewesen, denn so einem flotten Streber steht die Welt offen, und die Eltern haben Aussicht, von ihm — vielleicht noch einmal in glänzendster Weise — bedacht zu werden.

      Aber sie, die so wenig hübsche, ernste, zu allen Sorgen neigende und im Schatten verkümmernde Gerda, — sie kostete nur Geld, als sie ihr Lehrerinnenexamen machte und alsdann nicht einmal eine Stelle annehmen konnte, wo sie die Ausgaben wieder einzubringen vermochte!

      Die Mutter starb.

      Schon seit den letzten Jahren hatte Gerda den Haushalt geführt, und nun war sie in ihrem kleinen Wirkungskreis unentbehrlich geworden, denn der Vater verlangte seine gewohnte Bequemlichkeit. Da ging alles in der alten Tretmühle weiter, und Gerda war zufrieden und Gott dankbar, dass sie noch ein Plätzchen auf der Welt hatte, was ihr Zuflucht gab. — Bis vor kurzer Zeit war es so gewesen, dann kam ein furchtbarer Tag, welcher in wildem Schicksalsbrausen abermals über sie dahinfegte, als wolle er auch den letzten Rest eines friedlichen Daseins im Vaterhause vor ihr niederreissen.

      Ihr Vater hatte eine junge Dame kennen gelernt, sehr gute Familie, — jung, hübsch, anspruchsvoll, ein wenig kokett, aber ohne alle Existenzmittel, — und diese allerliebste kapriziöse, kleine Ballkönigin — verlobte sich mit einem stillen, verknöcherten Zahlenmenschen, dessen Haar und Bart bereits ergrauten!

      Es gibt wunderliche Rätsel im Leben, welche oft nur die Zukunft löst, welche auch gar manchmal ungelöst bleiben wie etwas Dunkles, Unheimliches, welches das Kainsmal auf der Stirn trägt.

      Wie ein schneidender Schmerz ging es durch die Seele der Tochter.

      Sie konnte nicht an ein Glück glauben, welches nicht da war.

      Wenn sie in das hagere Angesicht des Vaters sah, in welchem Eitelkeit und Ehrgeiz sich stritten, und die kleine Braut ansah, welche mit wissenden Augen den betagten Bräutigam anlächelte, als ob sie ihn auslachte, — dann — ja dann presste sie die Hände auf das wehe Herz und seufzte: „um wie wenig bin ich abermals von einem grausamen Schicksal verschachert!“

      Da oben aber ging die Sonne auf wie das grosse leuchtende Auge Gottes, welches auch auf sie herabschaut und mit segnendem Strahl versichert: „Ich übersehe auch das kleinste, unscheinbarste Wegkräutlein nicht, wenn es mich nicht übersieht!“

      Und nun sass sie schon die ganze lange Nacht hier in ihrem Zimmerchen und wartete auf die Entscheidung, wie die Würfel fallen würden.

      Als der Vater sich verheiratete, sollte sie fürerst im Hause bleiben, um die leidende junge Frau, bis sie Mutter geworden, zu pflegen.

      Sie hatte es treu und aufopfernd getan, obwohl sie wenig Dank, geschweige denn herzliche Sympathien von ihrer lebenslustigen Stiefmutter dafür erworben hatte.

      Heute nacht sollte das Kind geboren werden. Auf dem Korridor ein heftiges Hin- und Herlaufen, zweimal schlagende Türen, dann wieder alles still.

      Jetzt ein lautes jubelndes Lachen, ein ungestümes Herzueilen im Nebenzimmer: „Gerda! — Gerda! — ein Sohn!!“

      Der Vater steht auf der Schwelle, sein Angesicht gerötet wie vom Wein.

      „Gerda! ein Sohn!“

      Er schreit es ihr zu, er wirft die Arme in die Luft und keucht: „endlich! endlich, das einzige, was ich mir zu dem Leben gewünscht habe! — Prachtjunge! ein Prachtjunge!!“

      Er sieht nicht, wie seine Tochter erblasst und die Hände qualvoll zusammenschlingt.

      Nein, — sie war nie seine Sehnsucht, nie sein Stolz — nie sein Glück gewesen.

      Und die Sonne steht über den knospenden Wipfeln und wirft plötzlich einen Mantel von Gold und Licht um die arme Paria — und ein Windstoss kommt und beugt die triumphierenden Baumkronen tief hernieder.

      Die Taufe von dem kleinen Amadeus Freienfeld hatte stattgefunden.

      Ein Vetter des Rechnungsrats, der sehr repräsentabele junge Hauptmann Amadeus Freienfeld war zum Gevatter des Kleinen erkoren, und zwar hatte die sehr übermütige, junge Mama den Ausschlag dabei gegeben.

      „Er heisst Amadeus!“ lachte sie. „Das ist, soviel ich weiss, in freier Übersetzung ‚Liebesgott‘ — nun, und welch ein Name wäre mir für unsern süssen Jungen lieber wie der? — Nomen est omen!“

      So geschah es, und der kleine, blondlockige Bub lachte mit so grossen, „göttlich“-schönen Blauaugen in die Welt, dass er nach allgemeiner Ansicht den wundervollen Namen mit Fug und Recht trug!

      Nur der Patenonkel hatte sich in längerem, sehr wissenschaftlichem Schreiben an die Taufeltern energisch dagegen verwahrt, dass er mit Amor in irgendwelchen verwandtschaftlichen Beziehungen stünde, denn nach § 20 des Deutschen Reichsgesetzbuches sei das unerlaubte Tragen von Schiesswaffen, vorsätzliche Körperverletzung, sowie Vagabundieren