Nataly von Eschstruth

Bräutigam und Braut


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      „Wenn mein Mann einverstanden ist, sehr gern!“

      „Mann einverstanden!!“ rang Friedrich Karl die Hände. — „Was die Frau will, das will Gott! Also auch Ihr vergötterter Haustyrann! Wenn Sie ihm jetzt erklären, der liebe, nette, gute, appetitliche — das heisst, der mit Appetit gesegnete — Freund Rösing hat uns eben alle, — Logierbesuch dito — zu einem Ohnmachtshappen eingeladen, dann möchte ich mal den sehn, welcher seine Gattin hungern liesse!!“

      Und so war es tatsächlich.

      Als Herr von Lehnsdorf hörte, dass Rösing summa summarum deutsches Konsulat zu einem seiner bekannten einfachen, kleinen Ohnmachtshappen eingeladen, lockerte er unbemerkt die zu engen Knöpfe an der Weste und nickte: „Aber selbstverständlich! Wir haben Zeit, dass Sie Umstände machen können!“

      So fuhr man zum Souper.

      Gerda war so plaziert, dass der Gastgeber sie ungeniert beobachten konnte.

      Und das tat er.

      Er bestellte sich gleich nach dein Hühnerfrikassee nach eine zweite Portion.

      Das war ja etwas Entzückendes, wie es dem Mädel da drüben schmeckte!!

      Und wenn er eben von einer Mastsitzung aus der Bar riche gekommen wäre, der Anblick von Gerda Freienfeld hätte ihn zum ausgehungerten Tiger gemacht. Seltsam! Wie solch ein Essen voll verständnisinnigen Genusses bei dem Zuschauer den Appetit anregt!

      Und wenn er irgend was Ulkiges sagt, dann lachen ihre Augen — innig! Fabelhaft! Er hat das Empfinden, als schüttelten sich ihre sonst so ernsten Augen ordentlich vor Lachen, — aber reden tat sie nicht dabei.

      Merkwürdig! Höchst merkwürdig!

      Ein Heiterkeitserfolg, welcher ihm wohltut und nicht geniert.

      Ob das wohl immer so bei ihr ist?

      Er hat nie so recht begriffen, warum es Männer gibt, die „maulfaule“ Weiber um solcher Tugend willen missachten. Das sind meistens Stösel, welche selber nicht viel goldene Worte zuzusetzen haben! — Er denkt anders darüber.

      Nur ein einziges mal redete er Fräulein Freienfeld an.

      „Gar nichts Besonderes, — so vielleicht — ob es heute Dienstag wäre?“

      Für gewöhnlich blitzen ihn dann die Augen der Interviewten an, empört — ironisch, gelangweilt — oft recht indigniert.

      Das ist so sein Barometer.

      Bei Fräulein Gerda bleibt er auf „beständig“ stehen.

      Sie sieht ihn freundlich an und versichert, dass es heute Dienstag ist.

      Er zieht die Uhr.

      „Sie irren sich, — es ist schon Mittwoch, — fünf Minuten über zwölf.“

      Die meisten nehmen so was übel. Selbst die Frau Konsul klappt ihn mit ihrem Tulpenstengel auf die Hand und sagt schmollend: „Sie Unverbesserlicher!“

      Sie hat nur davon, dass die schöne Blume alle Blätter fahren lässt und Herr Rösing vergnüglich mit den Augen zwinkert: „Dass die Damen doch nie wissen, was die Glocke geschlagen hat! Auch Sie nicht, gnädigste Frau, — es ist nämlich schon genau eine Sekunde über ein Viertel eins!!“

      Gerda ass ruhig und eifrig weiter, denn der Kellner wartete auf ihren Teller.

      Das war vernünftig, dass sie nicht wie andere lyrische Fräuleins den ganzen schönen Pastetenrest schiessen lässt, dass sie sich auch nicht sonderlich hetzt dabei, sondern noch Zeit findet, sich wieder vor Lachen mit den Augen zu kugeln, — na, und last not least, sie beisst nicht die Würde heraus, sondern lässt sich’s weiter schmecken. Weder zimperlich, noch übelnehmerisch, noch überspannt poetisch — noch selbstbewusst ... hm ... seltsam, sehr seltsam ... und Herr Friedrich Karl Rösing ist zum erstenmal im Leben zerstreut, denn er greift nun seinerseits nach dem schönen gelben Tulpenstengel neben dem Teller und will justament die Sauce damit löffeln ...

      „Dunnerknister!! wenn das einer gemerkt hätte!!“

      Niemand hatte es beobachtet, weder den deplazierten Blumenkelch noch all die heftigen Erschütterungen, welche eine katastrophale Umwälzung in dem tiefsten Herzinnern des reichen Mannes hervorzubringen drohten.

      Wer nach jedem Gang zweimal essen kann, ist nicht verliebt, — behaupten die Dichter und Denker, — aber auch diese Ansicht kann in der modernen Zeit nur noch durch die Ausnahmen der Regel gestützt werden.

      Man sagte sich sehr vergnüglich und gesättigt Gute Nacht, und die Frau Konsul fragte beim Geleit zum Fremdenzimmer Gerda noch einmal ganz harmlos, gewissermassen als (pour parler) Gesprächsblüte: „Die Oper hat Ihnen also gefallen? Ist auch erstklassig, und Freund Rösing ist ein scharmanter, gastfreier Mann!“

      „Ja, das ist er! Ich bin ihm so sehr dankbar für die Einladung!“

      Das klang ebenso überzeugt wie wohlerzogen.

      Gerda schlief sanft und friedlich die ganze Nacht ebenso wie Friedrich Karl — welcher die Hände über dem Magen zusammengelegt hatte und so zärtlich dabei lächelte, als hielte er denselben für sein Herz. Droben am Himmel aber ging die Sonne auf und lachte — lachte — lachte!

      An Esten war die neue Zeit ziemlich spurlos vorübergegangen.

      So wie es seit bald dreihundert Jahren in dem ehrwürdigen Haus lag und stand, so unverändert grüsste den Beschauer ein Stücklein Vergangenheit, welche beredter wie all die rauhen Kehllaute seiner Besitzer von holländischem Fleiss, Einfachheit und peinlichst sauberer Ordnung erzählte.

      Die grosse Diele mit den gedunkelten Bildern altholländischer Kunst und dem mächtigen Kachelofen in der Ecke, welcher seinen Geburtsschein aus Delpht gleich an der Stirn trug, die grosse Standuhr mit dem geschnitzten Gehäuse und dem eigenartigen Metallzifferblatt, dessen erhabene weisse Porzellanzahlen von Zeigern bestrichen wurden, welche nebst dem Perpendikel das Bild von Sonne, Mond und Erde — verkörperten, schien der Inbegriff aller Gemütlichkeit, und als Gerda durch die offene Tür eintrat, begrüsste sie just das „Zwölfuhrgeläut“, welches ihr in Ohr und Herzen wie Glocken des Friedens wiederhallten!

      Und eine friedliche gesegnete Zeit war es, welche nun für die so lange stiefmütterlich Behandelte anbrach.

      Herr Willem van de Eskenboom schien alles in der neuen Hausgenossin zu finden, was er erwartet hatte, die freundliche Folie für seine herzige, kleine Frau, neben welcher er voll starren Eigensinns keine andern Göttinnen duldete. Sie musste immer einzig in ihrer Art sein, nie durfte ihm und ihr anderer Geist, Witz und Grazie gefährlich werden, diese Ruhe des Herzens verlangte er für sich und sein ganzes Haus.

      Noch hatte man sich kaum recht eingelebt mit der neuen Freundin, als eines schönen Tages das Telephon klingelte.

      „Lieber Eskenboom, — ich bin hier ganz in der Nähe, möchte mir gern mal deine Jungpferde ansehen, — habe Bedarf. Schicke mal zum 1-Uhr-Schnellzug einen Wagen an die Bahn!“

      „Is gut! is gut, — alte Jong! Wen aber soll ich denn eigentlich abholen?“

      „Deinen alten Freund Rösing! — Verstehst mich?“

      „Das will ich meinen. Dann komm mal her.“ —

      Dass Rösing ein reicher, netter, famoser Kerl war, — das wusste Eskenboom, dass er aber sein Freund war ...? und duzte ihn ... hm — —“ er kraute sich in den lockigen blonden Haaren —: „Seltsam — sollte er bei dem letzten Sektgelage im Konsulat Brüderschaft mit ihm getrunken haben? Einen tüchtigen Schwipps hat er gehabt, sein Elizachen hatte ihn andern morgens in das Ankleidezimmer geführt, das sah aus, wie ein Schlachtfeld. Selbstredend hatte die süsse Schelmin das Chaos selber zusammengebraut, um ihn zu necken! — Einen roten und einen schwarzen Morgenschlappen vor dem Bett, damit fing’s schon an! und einen Lackstiefel in der Waschschüssel und sein Nachthemd im Hosenstrecker ausgespannt und den Zylinder als diskretes Toilettenstück ... o du ewiger Boonekamp of Magenbitter! Das war