und gemeinsam mit Jens Lehmann trainieren.
Neben dem Fußball wollte Osigus noch eine Ausbildung aufnehmen – als Rückversicherung für den Fall, dass es mit einer Profikarriere nicht klappen würde. „Mir war immer wichtig, ein zweites Standbein zu haben. Ich habe zu viele gesehen, die gescheitert sind, weil sie durch Verletzungen nicht weiter machen konnten und einfach nicht gut genug für die Spitze waren.“ Da Schalke ihm keine Ausbildungsstelle besorgen konnte, wechselte Osigus als Vertragsamateur zu Borussia Dortmund. Nebenbei ließ er sich nun zum Bankkaufmann ausbilden und brachte es in Dortmund bis zum stellvertretenden Zweigstellenleiter der Volksbank.
Nach zwei Jahren verabschiedete sich Osigus vom BVB und vom Traum einer Profikarriere: „Ich realisierte, dass ich für den Profifußball nicht geeignet war. Ich habe mir zu viele Gedanken über meine Fehler gemacht.“ Wohl mit ein Grund dafür, dass sich der Torwarttrainer Osigus heute sehr intensiv mit der Psychologie des Torwartspiels beschäftigt, deren Bedeutung häufig unterschätzt werde.
Aus eigener Erfahrung rät er gerade jungen Torhütern, neben dem Fußball für ein zweites berufliches Standbein zu sorgen. Er selbst konnte weiter bei der Volksbank arbeiten und stand nach seinem Ausflug zum BVB noch bis 2010 im höherklassigen „Amateur“-Fußball zwischen den Pfosten: beim STV Horst-Emscher, SV Rotthausen, Westfalia Herne, Recklinghausen.
1999 begann Christof Osigus als Torwarttrainer für die Schalker C-Junioren. Dorthin geholt hat ihn der sportliche Leiter des Schalker Nachwuchses, Helmut Schulte, der ehemalige Bundesligatrainer von St. Pauli und Schalke 04. Seither heißt es für den leitenden Bankangestellten: drei Abende pro Woche Training plus Spiel am Wochenende. Außerdem kickt Osigus für die königsblaue Traditionself. Er ist wie Lothar Matuschak einer jener stillen Helden, ohne die es Talente wie Manuel Neuer nie nach oben schaffen würden.
Die Talentschmiede
Kein anderer Bundesligist hat in den letzten Jahren so viel spätere Profitorhüter ausgebildet wie Schalke 04: Manuel Neuer, Ralf Fährmann, Christopher Heimeroth, Christian Wetklo, Mohammed Amsif, Manuel Lenz, Volkan Ünlü, Dennis Lamczyk, Patrick Rakovsky, Lars Unnerstall, Lukas Raeder, Toni Tapalovic, Robert Wulnikowski – die Liste ist vermutlich unvollständig. Eine Reihe von ihnen schaffte es auch in die Nachwuchsnationalmannschaften des DFB.
Wenn man Matuschak und Osigus fragt, was das Besondere an der Schalker Torwartausbildung sei und ihren Erfolg ausmache, bekommt man zunächst keinen Hinweis auf spezifische Trainingsmethoden. Stattdessen erzählen sie vom sehr menschlichen Umgang und der intensiven Kommunikation mit den „letzten Männern“. Lothar Matuschak, der zum Ende der Saison 2011/12 bei den Königsblauen in den Ruhestand ging: „Du musst einen Draht zu den Jungs haben, das ist das Allerwichtigste. Du musst ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Wenn sie Fehler machen, musst du trotzdem zu ihnen stehen und nicht auch noch draufhauen.“ Man habe immer versucht, „mit den Jungs gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen im Spiel zu finden. Auch wenn Regeländerungen anstanden. Etwa als die Sechs-Sekunden-Regel kam, als der Torwart nur noch maximal sechs Sekunden den Ball in den Händen halten durfte. Wie haben immer gemeinsam diskutiert, wie man darauf reagieren kann. Wir haben ihre Ideen, ihre Vorstellungen mit einfließen lassen. Wir haben immer gute Lösungen gefunden und dann im Trainingslager umgesetzt. Wir haben auch diskutiert: Wie können wir ein Spiel schnell machen. Das ist ja nicht alles von selber gekommen, das musste sich entwickeln. Und natürlich hat es auch Trainer gegeben, die gesagt haben: Wir müssen nicht das Spiel schnell machen, sondern hintenrum spielen.“
Christoph Osigus ergänzt: „Wir versuchen, in die Köpfe der Torhüter zu kommen, uns in ihre Situation zu versetzen. Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis zu den Torhütern, sind Vaterersatz und Ausheulbecken. Dabei hilft uns, dass wir alle selber im Tor gestanden haben, die Besonderheiten des Torwart-Daseins kennen. Sie wissen, dass wir ihr erster Ansprechpartner sind. Dass wir uns auch in schwierigen Zeiten vor sie stellen und mit den Mannschaftstrainern in die Diskussion gehen.“ Auch die Keeper werden zu gegenseitigem Respekt erzogen. Matuschak: „Das Konkurrenzdenken können die Jungs dann bei den Profis haben. Bei uns würde sie das blockieren, sie sollen voneinander lernen. Und sich nicht gegenseitig aus dem Nest werfen.“
„Wenn der Torwart den Ball hat, fängt das Spiel erst an“
Ein Grundsatz der technischen Ausbildung ist aber sicherlich: Der Torwart ist Teil des Spiels. Die Schalker Torhüter müssen fußballerisch versiert sein – mit beiden Füßen. Und handlungsschnell. Manuel Neuer wird hier zum Musterschüler.
Der Torwart ist der erste Aufbauspieler und hat in dieser Funktion handlungsschnell zu sein. Matuschak: „Wenn der Torwart den Ball hat, fängt das Spiel erst an.“ Eine seiner Übungen sieht so aus: An der Mittellinie werden drei kleine Tore aufgebaut. Wenn der Keeper den Ball gefangen hat, muss er ihn möglichst schnell in eines der Tore schießen oder werfen. Geübt wird das blitzschnelle Einleiten eines Angriffs. Gegen einen Gegner, der gedanklich noch im eigenen Angriff steckt. Matuschak: „Wenn der Torwart den Ball hat, muss er ein Ziel haben. Ich habe den Jungs immer gesagt: Der Ball muss genau kommen. Der Torwart muss ein Auge dafür haben, wo jemand anspielbar ist. Das Auge kommt zuerst. Ich habe ihnen gesagt: Alles, was ihr macht, muss mit Sinn und Verstand erfolgen.“ Die Übung mit den drei kleinen Toren ist keine Sensation. Heute ist sie sogar in den Nachwuchsabteilungen vieler Amateurvereine eine Selbstverständlichkeit. Aber Matuschak fing früher als andere damit an, diesen Aspekt des Torwartspiels zu trainieren.
Ginge es nach Christof Osigus, so würde es bis zum zwölften Lebensjahr keine torwartspezifische Ausbildung geben. Zumindest würde man keinen Spieler so früh auf diese Position festnageln. „Es ist leichter, aus einem Feldspieler einen guten Torwart zu machen, als umgekehrt.“ Seine Torhüter nehmen dienstags ganz normal am Mannschaftstraining teil, absolvieren hier kein anderes Programm als die Feldspieler.
Und sonstige Trainingsinhalte? „Du musst einfach alles trainieren, was im Spiel vorkommt.“ Beispielsweise lange Abwürfe in den Lauf. Wie nahe der Torwart an den Rest der Mannschaft rückt, dokumentiert folgende Aussage Matuschaks: „Nur für sich ein gutes Spiel zu machen, das reicht nicht. Du musst auch für die Mannschaft ein gutes Spiel machen, dir einen Status in ihr erarbeiten.“ Der Torwart soll kein Sonderling sein, der seinen Job nur für sich verrichtet. Der Torwart muss im Spiel eine Bindung an den Rest der Mannschaft herstellen. Er kann auch ein gutes Spiel machen, ohne bei drei „Unhaltbaren“ zu glänzen: dadurch, dass die Mannschaft seine Präsenz spürt, dass er dirigiert, gut antizipiert, für einen bedrängten Spieler anspielbar ist, den Feldspielern also hilft, das Spiel aufbaut und verlagert. „Viele träumen davon, Bälle aus dem Winkel zu holen und durch den Torraum zu fliegen. Aber es kommt auch darauf an, unangenehme Bälle zu halten.“
Als Gegenmodell zur Schalker Ausbildung wird häufig die Lauterer Torwartschule von Gerry Ehrmann aufgeführt. Der Bundesligatorwart Ehrmann maß nur 1,84 Meter, war aber extrem muskulös, weshalb man ihn auch „Tarzan“ nannte. Er war mit guten Reflexen ausgestattet und stark in Eins-gegen-eins-Situationen. Bei Flanken hingegen zeigte er Schwächen. Es heißt, die Lauterer Schule würde Muskelpakete und Reaktionstorhüter hervorbringen – mit Defiziten beim Mitspielen. Als typische Produkte dieser Ausbildung gelten Roman Weidenfeller und Tim Wiese. Sicher wird in Kaiserslautern ein starker Akzent auf Kraft gelegt. Aber auch die Ehrmann-Schule kann auf eine Reihe von späteren Profis verweisen – neben den bereits genannten Weidenfeller und Wiese u. a. noch Florian Fromlowitz, Thomas Sippel und Kevin Trapp.
War es die Schalker Fußballschule, die Manuel Neuer zum Welttorhüter formte? Zu ihrem eigenen Beitrag geben sich Matuschak und Osigus äußerst bescheiden: Es sei nicht nur die gute Torwartschule, die Manuel zu dem gemacht habe, was er heute ist. In der Art, wie er spiele, liege auch eine große Portion persönlicher Entscheidung. Christof Osigus: „Das Größte, was er selber mitgebracht hat, ist sein Talent.“ Weshalb man den Beitrag seiner Torwarttrainer und Trainer nicht überbewerten solle. „Jeder hat sein Mosaiksteinchen dazu beigetragen. Aber es ist vor allem sein Talent.“ Und Lothar Matuschak: „Wenn du nicht die Mentalität für diese Art von Spiel hast, dann geht das nicht. Du musst schon den Fußballer in dir