Monique R. Siegel
Espresso mit Zitrone - Mein wechselvoller Weg als Unternehmerin
Saga
Espresso mit Zitrone - Mein wechselvoller Weg als UnternehmerinCopyright © 2002, 2019 Monique R. Siegel und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726071283
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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– a part of Egmont www.egmont.com
Für Rosmarie Michel,
die dieses Buch unbedingt wollte –
und die es nun hat
Wenn Sie diese Seite umdrehen,
. . . dann darf ich Sie anreden mit
Liebe Dialogpartnerin
Lieber Dialogpartner
Und wenn Sie jetzt weiterlesen, haben Sie sich bereits auf den Dialog mit mir eingelassen. Dies ist nämlich im eigentlichen Sinne ein KommunikationsBuch, und Kommunikation ist bekanntlich eine Zweiwegangelegenheit. Ich lade Sie also ein, mit mir in den Dialog zu treten, wobei ich auf eine der archaischsten Formen der Kommunikation zurückgreife: Ich möchte Ihnen Geschichten erzählen. Geschichten, die sich zu einer Geschichte verdichten, weil alle von derselben Protagonistin handeln: von mir. Literaturlexika definieren »Protagonist« als »( = erster Kämpfer), der erste Schauspieler, Hauptdarsteller im altgriech. Drama«. Sie können hinter allen Begriffen ein Häkchen machen. Drama, Sie erinnern sich, ist nicht gleich Tragödie, sondern eine »knappe, in sich geschlossene, organisch gewachsene Handlung«. Das werden Sie auf den folgenden Seiten finden.
Meistens assoziiert man Drama ja mit Bühne. Wenn es in der erzählenden Form auftaucht, dann ist es eine Novelle, die das dramatische Eingreifen des »Schicksals« in das Leben eines Menschen schildert. Dabei gibt es verschiedene Formen von Novellen, u. a. die Rahmennovelle, in der jemand einer Gruppe eine Geschichte erzählt. Diese sogenannten Rahmengeschichten haben eine Art Eigenleben, das u. a. durch den Dialog der Erzählenden mit den Zuhörenden Interesse weckt und die Novelle doppelt interessant macht. Normalerweise finde ich es eher langweilig, über einen längeren Zeitraum nur zuhören zu können; ich rede ganz gerne mit. Sie auch, höre ich Sie sagen? Dann schauen Sie mal, ob Sie mit den Fragen, die ich Ihnen als potentielle Lesende in den Mund gelegt habe, etwas anfangen können. Übrigens: mit dieser Art von Abschweifungen, Umwegen und Nebensächlichkeiten werden Sie auf den folgenden Seiten laufend konfrontiert.
Vielleicht werden Sie jetzt sagen, das sei doch eine Autobiographie, und darin brauche es keinen Dialog. Ist es eben nicht, denn eine Autobiographie sollte lückenlos und meistens chronologisch alles über das Leben des oder der Schreibenden berichten. Das wird dieses Buch nicht; ich habe mein ganzes Leben lang Klatsch langweilig und überflüssig gefunden und die Selbstdarstellungen anderer anhand intimster Details immer nur mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis genommen. Also wollte ich keine Autobiographie schreiben und habe entsprechende Vorschläge oder Wünsche während Jahren abgewehrt. Dann aber bin ich beim Suchen nach einem Buch »zufällig« auf ein ganz anderes gestoßen, das mir eine andere Sicht des Themas vermittelt hat. Das Buch heißt What Time’s the Next Swan?; der Autor ist Walter Slezak, Sohn des weltberühmten Tenors Leo Slezak und selbst ebenfalls renommierter Opernsänger. Er hat darin sowohl das bewegte Leben seines Vaters als auch sein eigenes auf Buchseiten erzählt und, anhand von unzähligen Anekdoten, somit der Nachwelt erhalten. Schon der Titel ließ mich beim Wiederfinden schmunzeln, und plötzlich fiel mir ein oder auf, daß man sein Leben auch auf diese Art darstellen kann.
Aber ich muß Ihnen zuerst noch erzählen, wie es zu dem ungewöhnlichen Titel gekommen ist: Leo Slezak war besonders geschätzt als Wagner-Tenor. Einmal, bei einer Aufführung der Oper Lohengrin, ist folgendes passiert: Der Tenor bereitete sich hinter den Kulissen für den ersten Auftritt vor, der ja in einem von einem Schwan gezogenen Kahn stattfindet. Irgendwie hat ein Bühnenarbeiter auf der anderen Seite ein Signal mißverstanden und den Schwan-Kahn zu früh über die Bühne gezogen – ohne Leo Slezak darin. Worauf dieser gelassen gefragt haben soll: »Wann geht der nächste Schwan?«
Um das voll genießen zu können, müssen Sie wissen, was dieses leere Schwangefährt bzw. diese Art von unfreiwilliger Komik im Kontext einer Wagner-Oper bedeutet. Es zeugt von einem wirklich ungewöhnlichen Sinn für Humor für einen Wagner-Tenor und einer bewundernswerten Präsenz.
Bei mir – einem deklarierten Opern-, aber definitiv keinem Wagner-Fan – hat es lange nach dem Lesen etwas bewirkt: eine unverkrampfte Haltung dem Schreiben meiner Lebensgeschichten gegenüber. Ich freue mich darauf, sie Ihnen auf den folgenden Seiten zu erzählen.
April 2002
Monique R. Siegel
Vorsicht bei der Wahl der Eltern!
Man muß den Tiger hören.
Wenn man ihn sieht, ist es zu spät.
Indisches Sprichwort
Lebensläufe in Kurzform sind so eine Sache. Die meisten lesen sich todlangweilig, weil sie alle nach demselben sachlich-knappen Muster gestrickt sind. Klappentexte sind da schon anders – sie verraten nicht nur mehr über die Schreibenden, sondern auch darüber, wie sie sich selbst sehen. Eins meiner Lieblingsbeispiele habe ich in einem Buch des bekannten Zürcher Karikaturisten Nico gefunden. Es beginnt so:
»Nico Cadsky wurde an einem sonnigen Augusttag von Maria Wallis und Hermann Cadsky, die er später als seine Eltern kennenlernen sollte, in die Welt geworfen. Das war im Jahre 1937 und löste prompt zwei Jahre später eine weltweite Krise aus.«
Ich war sehr froh, als ich das las, denn so kann ich bestimmt nicht für diese Krise verantwortlich gemacht werden. Ich bin nämlich erst zwei Jahre später auf die Welt gekommen, genau: am 12. Februar 1939, um vier Uhr morgens. An einem Sonntag. In Berlin-Lichterfelde. Vorkriegsware also, und ohne Bezug zu dem, was sieben Monate später ausbrach und beileibe nicht nur mein Leben grundlegend beeinflußt hat.
Ich bin eins der erwünschtesten Kinder, die man sich vorstellen kann. Fast neun Jahre war Else Erna Charlotte Hulda Ring, geborene Lange, bereits verheiratet; drei Versuche waren gründlich schiefgegangen (zwei Fehlgeburten, eine Totgeburt), aber wenn je eine Frau Mutter sein wollte und sollte, dann war es meine. Sie werden noch viel über diese Frau erfahren; sie hat mein Leben in vielfacher Weise geprägt. Ihr verdanke ich, daß sich Wörter wie Anstand, Vertrauen, Respekt oder Rücksicht mit Inhalt füllten, sowie die Erinnerung an wunderschöne Momente in schwierigen Zeiten.
Eine der kuriosesten Eigenschaften meiner Mutter war ihr ausgeprägter Aberglaube, der sich fast täglich in irgendeiner Weise manifestierte. Dazu gehörte auch die felsenfeste Überzeugung, daß Sonntagskinder etwas Besonderes sind und Glück im Leben haben. Also – so geht die Mär – soll sie die Wehen mit eisernem Willen so weit verlängert haben, bis es Sonntag war und sie in den frühen Morgenstunden endlich das heiß ersehnte Mädchen in den Armen halten konnte. Eine Tochter! Damals war das Geschlecht eines Babys noch eine Überraschung, und so konnte sie ihr Glück kaum fassen: ein lebendes, gesundes, acht Pfund schweres Töchterchen lag da in ihren Armen – was wollte sie mehr?
Natürlich kenne ich diese glücklichen Umstände meiner Geburt nur vom Hörensagen; ich bin zwar dabei gewesen, aber begreiflicherweise noch nicht in der Lage, sie selbst bewußt zu »erleben«. Daraus ist so etwas wie eine moralische Verpflichtung entstanden: Wenn man so heiß ersehnt worden ist, sollte man die Ersehnende doch nicht enttäuschen, nicht wahr? Meine Rolle als gute Tochter hat durch diese Geschichte ihr Fundament bekommen, und, wie sich später herausstellen sollte, war das nicht das schlechteste aller Fundamente.
Dieses