Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Drei ohne Gnade


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      Die Maschine der Panamerican setzte sanft auf der Piste auf und rollte aus. Die Passagiere schnallten sich los.

      Als Joe Barry die Tür erreichte, prallte er zurück. Die Hitze draußen traf ihn wie ein Schlag. In New York war es kühl gewesen, als er abflog.

      Er schloß sich den anderen Passagieren an, die im Gänsemarsch auf die Zollabfertigung zumarschierten.

      „Etwas zu verzollen?“ erkundigte der Beamte sich.

      „Zwei Pfund Heroin, ein pornographisches Buch und zwei Pistolen“, gab Joe bereitwillig Auskunft.

      Der Beamte malte kopfschüttelnd sein Kreidezeichen auf den Handkoffer, den Joe als einziges Gepäck mit sich führte. Amerikaner, dachte er. Müssen immer ihre Witze reißen.

      In der modernen Halle des Flughafens sah Joe sich um. Er brauchte nicht lange zu warten. Ein kleiner, dicker Mann schälte sich aus der geschäftig hin- und herflutenden Menge und steuerte Joe an.

      „Mr. Walker?“ erkundigte er sich.

      „In Person“, erklärte Joe.

      Der Kleine streckte ihm die Hand hin und atmete erleichtert auf.

      „Willkommen in Mexiko. Ich bin Miguel Escribano.“ Er wies auf einen großen, hageren Burschen mit dunklem Gesicht, der ihm gefolgt war. „Das ist Juan Armandos“, stellte er den Mann vor. „Mein Gehilfe. Er ist mir unentbehrlich, gewissermaßen meine rechte Hand.“

      Joe schüttelte auch ihm die Hand. Mit einem raschen Blick musterte er den Mexikaner. Was er sah, gefiel ihm nicht. sonderlich. Ein verschlagenes Gesicht mit unruhig hin- und herhuschenden Augen.

      Escribano brachte ein weißes Seidenluch zum Vorschein und fuhr sich damit über die schweißnasse Stirn.

      „Wir sind dreihundert Meilen gefahren, um rechtzeitig hier zu sein“, erklärte er. „Gehen wir etwas trinken. Dort drüben ist die Bar. Die Fahrt nach Punta wird anstrengend.“

      „Einverstanden.“ Joe nickte. Sie steuerten auf die Bar zu, deren riesige Spiegelglasscheiben den Blick auf das Flugfeld freigaben. Gleich darauf hatte jeder einen Whisky-Soda vor sich.

      Joe zündete sich eine Zigarette an.

      „Nun, Mr. Escribano“. sagte er, „haben Sie irgend etwas Neues erfahren?“

      Der kleine Farmer zuckte ratlos die Schultern.

      „Nichts, Mr. Walker. Die Kidnapper sind mit Isabel spurlos verschwunden. Wenn ich daran denke, daß meine Tochter in der Hand von Verbrechern ist, könnte ich wahnsinnig werden!“

      „Ich kann Sie gut verstehen“, nickte Joe. „Aber dieser Fall kommt mir merkwürdig vor. Kidnapping bedeutet, daß sie erpreßt werden sollen. Hat sich bisher noch niemand bei Ihnen gemeldet?“

      „Niemand!“

      „Wann wurde Isabel entführt?“

      „Vor einer Woche!“

      „Eine Woche!“ Joe schüttelte den Kopf. „Könnten Sie sich ein anderes Motiv denken, als daß man von Ihnen Geld verlangen will?“

      „Ich zermartere mir seit einer Woche über diese Frage das Gehirn“, erwiderte Escribano mit einer verzweifelten Geste. „Es gibt kein anderes Motiv. Sehen Sie, ich betreibe eine Schlangenfarm. Das ist ein fast konkurrenzloses Unternehmen. Ich verdiene nicht schlecht dabei. Feinde habe ich nicht — jedenfalls weiß ich keine Was anderes als Geldgier könnte das Motiv sein?“

      „Die Polizei ist verständigt?“

      „Natürlich. Seit einer Woche fahndet sie im Großeinsatz nach den Kidnappern.“

      „Dieser Fall widerspricht allen Regeln“, sagte Joe nachdenklich „Normalerweise versuchen Kidnapper, so rasch wie möglich ihr Geld zu bekommen, da sie wissen, daß jeder Tag die Gefahr einer Entdeckung vergrößert. In diesem Falle aber scheinen sie sich Zeit zu lassen.“

      „Vielleicht wollen sie warten, bis sich die Aufregung gelegt hat. Vielleicht war es ein Fehler von mir, die Polizei zu verständigen.“

      „Nein! Bei Kidnapping legt sich die Aufregung nicht nach ein paar Tagen. Im Gegenteil. Es gibt nur wenige Dinge, die die Polizei so aufmöbeln wie Menschenraub.“

      „Aber hier in Mexiko…“

      „Auch in Mexiko!“ unterbrach Joe ihn. Er drückte seine Zigarette aus und erhob sich. „Ich schlage vor, wir verlieren hier keine Zeit mehr. Bedenken Sie, daß jede Minute, die wir nutzlos verplaudern, die Zeit verlängert, die Ihre Tochter in der Gewalt der Gangster zubringen muß.“

      Juan, der dunkelhäutige Mexikaner, erhob sich, geschmeidig und wachsam.

      „Ich gehe und hole den Wagen“, sagte er. Er sprach ganz gut Englisch, wenn auch mit starkem Akzent.

      Als er eben die breite Glastür erreicht hatte, erschütterte ein dumpfer Schlag das Gebäude. Gläser klirrten auf den Tischen und irgendwo splitterte Glas. Das Rollen der Explosion ließ die Menschen erstarren.

      Dann spritzte alles aufgeregt durcheinander.

      Joe betrachtete sein Glas, das vom Tisch gefallen war, und sah dann Escribano an.

      „Wenn ich’s nicht genau wüßte“, sagte er langsam, „würde ich sagen, wir sind in Cuba oder so …“

      *

      Am Ausgang hatte sich eine Menschenmenge angesammelt. Joe arbeitete sich hindurch und stieß auf ein paar Polizisten, die die Menge zurückdrängten. Joe hatte seine eigenen Methoden, mit Polizisten umzugehen. Er hatte keine Schwierigkeiten, durch die Absperrung auf den Parkplatz zu kommen.

      Jetzt war ihm klar, was geschehen war. Am Rande des Parkplatzes schwelten die Trümmer eines Autos. Verbogene Eisenteile ragten bizarr in die Luft. Vereinzelte Flammen schlugen noch aus dem Wrack. Ein beißender Geruch in der Luft.

      Joe sog ihn ein. Plastiksprengstoff, dachte er. Das Einmaleins des modernen Feuerwerkers. Er drängte sich durch die umherhastenden Polizisten und ging näher an den Wagen heran.

      Es war ein neuer Chevrolet gewesen. Die vordere Sitzbank war restlos zerfetzt, während die Bodenwanne die Explosion verhältnismäßig gut uberstunden hatte.

      Damit war klar, um was für eine Sprengladung es sich gehandelt hatte. Sie bestand aus einem Stahlmantel, der magnetisch unter die Bodenwanne geheftet worden war und nach oben nur einen schwachen Verschluß hatte. Über dem Sprengstoff war noch eine Ladung scharfkantiger Stahlstücke gewesen. Dadurch war die ganze Wucht der Explosion nach oben — auf die Sitzbank zu — gerichtet worden. Der Stahlschrot hatte alles zerfetzt.

      Wäre der Wagen besetzt gewesen, hätten die Insassen die Explosion kaum überlebt. Joe vermutete, daß die Ladung mit einem Zeitzünder gekoppelt gewesen war. Es gab wesentlich wirkungsvollere Zünder, die mit dem Motor gekoppelt waren und erst dann losgingen, wenn wirklich jemand im Wagen saß …

      „Madonna!“ Eine Stimme riß Joe aus seinen Gedanken. Neben ihm stand Escribano. Seine Lippen waren bleich und zitterten.

      Noch ehe Joe die Frage stellte, wußte er die Antwort.

      „Ist das etwa Ihr Wagen, Mr. Escribano?“ Joe brach ab. Nach ein paar Sekunden fuhr er fort. „Regen Sie sich nicht zu sehr auf. Wir können es als Beweis dafür nehmen, daß die Gangster noch ein gewisses Interesse an Ihnen haben.“

      „Oder an Ihnen, Senor Walker“, sagte Juan, der Begleiter des Schlangenzüchters, ruhig.

      Joe musterte ihn.

      „Wenn das zutrifft, wäre ich nicht einmal unzufrieden. Solange die Gangster etwas unternehmen, besteht auch die Gefahr, daß sie einen Fehler machen.“

      „Ich habe den Wagen vor der Abfahrt genau durchgesehen“, sagte Juan. „Die Straßen sind nicht besonders gut bei uns, verstehen Sie? Es war keine Sprengladung daran. Sie muß also hier angebracht worden sein,