Gustav Weil

Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten


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Antwortete sie „geht ihm entgegen, so werdet ihr wohl thun.“ Da gieng ihm der König entgegen und führte ihn herauf, und seine Thiere folgten ihm nach. Der König wies ihm einen Platz an neben sich und seiner Tochter, der Marschall saß auf der andern Seite, als Bräutigam, aber der kannte ihn nicht mehr. Nun wurden gerade die sieben Häupter des Drachen zur Schau aufgetragen, und der König sprach „die sieben Häupter hat der Marschall dem Drachen abgeschlagen, darum geb ich ihm heute meine Tochter zur Gemahlin.“ Da stand der Jäger auf, öffnete die sieben Rachen und sprach „wo sind die sieben Zungen des Drachen?“ Da erschrack der Marschall, ward bleich und wußte nicht was er antworten sollte, endlich sagte er in der Angst „Drachen haben keine Zungen.“ Sprach der Jäger „die Lügner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,“ und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehörte und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Königstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau und fragte sie wem sie es gegeben hätte, da antwortete sie „dem, der den Drachen getödtet hat.“ Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Löwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau und fragte wem es angehörte. Antwortete sie „das Halsband und das goldene Schloß waren mein, ich habe es unter die Thiere vertheilt, die den Drachen besiegen halfen.“ Da sprach der Jäger „als ich müde von dem Kampf geruht und geschlafen habe, da ist der Marschall gekommen und hat mir den Kopf abgehauen. Dann hat er die Königstochter fortgetragen und vorgegeben er sei es gewesen, der den Drachen getödtet habe; und daß er gelogen hat, beweise ich mit den Zungen, dem Tuch und dem Halsband.“ Und dann erzählte er wie ihn seine Thiere durch eine wunderbare Wurzel geheilt hätten, und daß er ein Jahr lang mit ihnen herumgezogen und endlich wieder hierher gekommen wäre, wo er den Betrug des Marschalls durch die Erzählung des Wirthes erfahren hätte. Da fragte der König seine Tochter, „ist es wahr, daß dieser den Drachen getödtet hat?“ Da antwortete sie „ja, es ist wahr; jetzt darf ich die Schandthat des Marschalls offenbaren, weil sie ohne mein Zuthun an den Tag gekommen ist, denn er hat mir das Versprechen zu schweigen abgezwungen. Darum aber habe ich mir ausgehalten daß erst in Jahr und Tag die Hochzeit sollte gefeiert werden.“ Da ließ der König zwölf Rathsherrn rufen, die sollten über den Marschall Urtheil sprechen, und die urtheilten daß er müßte von vier Ochsen zerrissen werden. Also ward der Marschall gerichtet, der König aber übergab seine Tochter dem Jäger und ernannte ihn zu seinem Statthalter im ganzen Reich. Die Hochzeit ward mit großen Freuden gefeiert, und der junge König ließ seinen Vater und Pflegevater holen und überhäufte sie mit Schätzen. Den Wirth vergaß er auch nicht, und ließ ihn kommen und sprach zu ihm „sieht er, Herr Wirth, die Königstochter habe ich geheirathet, und sein Haus und Hof sind mein.“ Sprach der Wirth „ja, das wäre nach den Rechten.“ Der junge König aber sagte „es soll nach Gnaden gehen: Haus und Hof soll er behalten, und die tausend Goldstücke schenke ich ihm noch dazu.“

      Nun waren der junge König und die junge Königin guter Dinge und lebten vergnügt zusammen. Er zog oft hinaus auf die Jagd, weil das seine Freude war, und die treuen Thiere mußten ihn begleiten. Es lag aber in der Nähe ein Wald, von dem hieß es, er wäre nicht geheuer, und wäre einer erst darin, so käm er nicht leicht wieder heraus. Der junge König hatte aber große Lust darin zu jagen, und ließ dem alten König keine Ruhe bis er es ihm erlaubte. Nun ritt er mit einer großen Begleitung aus, und als er zu dem Wald kam, sah er eine schneeweiße Hirschkuh darin und sprach zu seinen Leuten „haltet hier bis ich zurück komme, ich will das schöne Wild jagen,“ und ritt ihm nach in den Wald hinein, und nur seine Thiere folgten ihm. Die Leute hielten und warteten bis Abend, aber er kam nicht wieder: da ritten sie heim und erzählten der jungen Königin „der junge König ist im Zauberwald einer weißen Hirschkuh nachgejagt, und ist nicht wieder gekommen.“ Da war sie in großer Besorgnis um ihn. Er war aber dem schönen Wild immer nachgeritten, und konnte es niemals einholen; wenn er meinte es wäre schußrecht, so sah er es gleich wieder in weiter Ferne dahin springen, und endlich verschwand es ganz. Nun merkte er daß er tief in den Wald hineingerathen war, nahm sein Horn und blies, aber er bekam keine Antwort, denn seine Leute konntens nicht hören. Und da auch die Nacht einbrach, sah er daß er diesen Tag nicht heim kommen könnte, stieg ab, machte sich bei einem Baum ein Feuer an und wollte dabei übernachten. Als er bei dem Feuer saß, und seine Thiere sich auch neben ihn gelegt hatten, däuchte ihn als hörte er eine menschliche Stimme: er schaute umher, konnte aber nichts bemerken. Bald darauf hörte er wieder ein Ächzen wie von oben her, da blickte er in die Höhe und sah ein altes Weib auf dem Baum sitzen, das jammerte in einem fort „hu, hu, hu, was mich friert!“ Sprach er „steig herab und wärme dich, wenn dich friert.“ Sie aber sagte „nein, deine Thiere beißen mich.“ Antwortete er „sie thun dir nichts, altes Mütterchen, komm nur herunter.“ Sie war aber eine Hexe und sprach „ich will dir eine Ruthe von dem Baum herabwerfen, wenn du sie damit auf den Rücken schlägst, thun sie mir nichts.“ Da warf sie ihm ein Rüthlein herab, und er schlug sie damit, alsbald lagen sie still und waren in Stein verwandelt. Und als die Hexe vor den Thieren sicher war, sprang sie herunter und rührte auch ihn mit einer Ruthe an und verwandelte ihn in Stein. Darauf lachte sie und schleppte ihn und die Thiere in einen Graben, wo schon mehr solcher Steine lagen.

      Als aber der junge König gar nicht wieder kam, ward die Angst und Sorge der Königin immer größer. Nun trug sich zu daß gerade in dieser Zeit der andere Bruder, der bei der Trennung gen Osten gewandelt war, in das Königreich kam. Er hatte einen Dienst gesucht und keinen gefunden, war dann herumgezogen hin und her, und hatte seine Thiere tanzen lassen. Da fiel ihm ein er wollte einmal nach dem Messer sehen, das sie bei ihrer Trennung in einen Baumstamm gestoßen hatten, um zu erfahren wie es seinem Bruder ginge. Wie er dahin kam, war seines Bruders Seite halb verrostet und halb war sie noch blank. Da erschrak er und dachte „meinem Bruder muß ein großes Unglück zugestoßen sein, doch kann ich ihn vielleicht noch retten, denn die Hälfte des Messers ist noch blank.“ Er zog mit seinen Thieren gen Westen, und als er in das Stadtthor kam, trat ihm die Wache entgegen und fragte ob sie ihn bei seiner Gemahlin melden sollte: die junge Königin wäre schon seit ein paar Tagen in großer Angst über sein Ausbleiben und fürchtete er wäre im Zauberwald umgekommen. Die Wache nemlich glaubte nicht anders als er wäre der junge König selbst, so ähnlich sah er ihm, und hatte auch die wilden Thiere hinter sich laufen. Da merkte er daß von seinem Bruder die Rede war und dachte „es ist das beste, ich gebe mich für ihn aus, so kann ich ihn wohl leichter erretten.“ Also ließ er sich von der Wache ins Schloß begleiten, und ward mit großen Freuden empfangen. Die junge Königin meinte nicht anders als es wäre ihr Gemahl und fragte ihn warum er so lange ausgeblieben wäre. Er antwortete „ich hatte mich in einem Walde verirrt und konnte mich nicht eher wieder heraus finden.“ Abends ward er in das königliche Bette gebracht, aber er legte ein zweischneidiges Schwert zwischen sich und die junge Königin: sie wußte nicht, was das heißen sollte, getraute aber nicht zu fragen.

      Da blieb er ein paar Tage und erforschte derweil alles, wie es mit dem Zauberwald beschaffen war, endlich sprach er „ich muß noch einmal dort jagen.“ Der König und die junge Königin wollten es ihm ausreden, aber er bestand darauf und zog mit großer Begleitung hinaus. Als er in den Wald gekommen war, ergieng es ihm wie seinem Bruder, er sah eine weiße Hirschkuh und sprach zu seinen Leuten „bleibt hier und wartet, bis ich wiederkomme, ich will das schöne Wild jagen,“ ritt in den Wald hinein, und seine Thiere liefen ihm nach. Aber er konnte die Hirschkuh nicht einholen, und gerieth so tief in den Wald, daß er darin übernachten mußte. Und als er ein Feuer angemacht hatte, hörte er über sich ächzen „hu, hu, hu, wie mich friert!“ Da schaute er hinauf, und es saß dieselbe Hexe oben im Baum. Sprach er „wenn dich friert, so komm herab, altes Mütterchen, und wärme dich.“ Antwortete sie „nein, deine Thiere beißen mich.“ Er aber sprach „sie thun dir nichts.“ Da rief sie „ich will dir eine Ruthe hinabwerfen, wenn du sie damit schlägst, so thun sie mir nichts.“ Wie der Jäger das hörte, traute er der Alten nicht, und sprach „meine Thiere schlag ich nicht, komm du herunter, oder ich hol dich.“ Da rief sie „was willst du wohl? du thust mir noch nichts.“ Er aber antwortete „kommst du nicht, so schieß ich dich herunter.“ Sprach sie „schieß nur zu, vor deinen Kugeln fürchte ich mich nicht.“ Da legte er an und schoß nach ihr, aber die Hexe