nur einen Klumpen gelben Goldes, und wenn ich ihn nicht meinem Herrn bringe, wird er mich schlagen und mich als seinen Sklaven behalten.« Aber der Aussätzige beschwor es so sehr, daß das Sternenkind Mitleid mit ihm hatte und ihm den Klumpen gelben Goldes gab.
Und als es zu dem Hause des Zauberers kam, öffnete ihm der Zauberer, brachte es hinein und fragte: »Hast du den Klumpen gelben Goldes?« Und das Sternenkind antwortete: »Ich habe ihn nicht.« Da fiel der Zauberer über das Sternenkind her, schlug es, belud es mit Ketten und warf es wieder in den Kerker.
Am Morgen kam der Zauberer zu ihm und sagte: »Wenn du mir heute den Klumpen roten Goldes bringst, will ich dich freilassen, wenn du ihn aber nicht bringst, will ich dich sicherlich töten.«
Da ging das Sternenkind nach dem Wald und den ganzen Tag über suchte es nach dem Klumpen roten Goldes, konnte ihn aber nirgendwo finden. Und am Abend setzte es sich hin und weinte; und als seine Tranen flossen, kam der kleine Hase zu ihm.
Und der Hase sprach zu ihm: »Der Klumpen roten Goldes, den du suchst, liegt hinter dir in der Höhle. Darum weine nicht mehr, sondern sei fröhlich.«
»Wie soll ich es dir vergelten?« rief das Sternenkind. »Denn dies ist nun das drittemal, daß du mir geholfen hast.«
»Nein, du hattest zuerst Mitleid mit mir,« sagte der Hase und lief geschwind davon.
Und das Sternenkind ging in die Höhle, und in ihrem hintersten Winkel fand es den Klumpen roten Goldes. Da steckte es ihn in seine Tasche und eilte nach der Stadt. Und der Aussätzige, der es kommen sah, stand mitten auf der Straße, schrie nach ihm und sprach: »Gib mir den Klumpen roten Goldes, sonst muß ich sterben.« Und das Sternenkind hatte wieder Mitleid mit ihm, gab ihm den Klumpen roten Goldes und sprach zu ihm: »Deine Not ist größer als die meine.« Doch das Herz war ihm schwer, denn es wußte, welch schlimmes Los es erwartete.
Aber siehe, als es durch das Stadttor schritt, verneigten sich die Wachen vor ihm und huldigten ihm und sprachen: »Wie schön ist unser Herr!« Und eine Menge von Einwohnern folgte ihm und schrie: »Sicherlich ist niemand so schön in der ganzen Welt!«, so daß das Sternenkind weinte und zu sich selbst sprach: »Sie spotten meiner und machen sich lustig über mein Elend.« Und so stark war das Zusammenströmen des Volkes, daß es den Lauf seines Weges verlor und sich zuletzt auf einem großen Platz befand, auf dem der Palast des Königs stand.
Und die Tore des Palastes öffneten sich, und die Priester und die hohen Beamten der Stadt eilten ihm entgegen. Und sie verneigten sich vor ihm und sprachen: »Du bist unser Herr, auf den wir gewartet haben, und der Sohn unseres Königs.« Und das Sternenkind antwortete ihnen und sprach: »Ich bin keines Königs Sohn, sondern das Kind einer armen Bettlerin. Und warum sagt ihr, ich sei schön, da ich doch weiß, daß ich häßlich anzuschauen bin?«
Da erhob der, dessen Rüstung mit goldenen Blumen eingelegt war, und auf dessen Helm ein geflügelter Löwe kauerte, einen Schild und sprach: »Warum sagt mein Herr, er sei nicht schön?«
Und das Sternenkind schaute, und siehe, sein Gesicht war wieder ganz wie es gewesen war. Seine Schönheit war zurückgekehrt, und es sah in seinen Augen, was es vorher nicht darin gesehen hatte.
Und die Priester und hohen Beamten knieten nieder und sprachen zu ihm: »Es war seit langem prophezeit, daß an diesem Tage der kommen werde, der über uns herrschen soll. Darum geruhe unser Herr, diese Krone und dieses Zepter zu nehmen und in Gerechtigkeit und Gnade unser König zu sein.«
Aber es sprach zu ihnen: »Ich bin nicht würdig, denn ich habe die Mutter, die mich unter ihrem Herzen trug, verleugnet, auch kann ich nicht ruhen, bis ich sie gesunden und ihre Verzeihung erlangt habe. Darum laßt mich gehen, denn ich muß wieder durch die Welt wandern, und ich darf nicht verweilen, wenn ihr mir auch Krone und Zepter bringt.« Und als es so sprach, wandte es sein Gesicht von ihnen ab nach der Straße, die zum Stadttor führte, und siehe, unter der Menge, die sich um die Soldaten drängte, erblickte es das Bettelweib, das seine Mutter war, und an ihrer Seite stand der Aussätzige, der an der Landstraße gesessen hatte.
Und ein Freudenschrei brach von seinen Lippen, und es lief hinüber. Es kniete nieder und küßte die Wunden an den Füßen seiner Mutter und benetzte sie mit seinen Tränen. Es neigte sein Haupt in den Staub und schluchzte wie einer, dem das Herz brechen will, und sprach zu ihr: »Mutter, ich habe dich verleugnet in der Stunde meines Stolzes. Nimm mich auf in der Stunde meiner Demut. Mutter, ich habe dir Haß erwiesen, gib du mir Liebe. Mutter, ich habe dich zurückgestoßen, nimm du nun dein Kind.« Aber das Bettelweib antwortete ihm kein Wort.
Und es streckte seine Hände aus und umklammerte die weißen Füße des Aussätzigen und sprach zu ihm: »Dreimal habe ich dir Mitleid erwiesen, bitte meine Mutter, daß sie einmal mit mir spricht.« Aber der Aussätzige antwortete ihm kein Wort.
Und es schluchzte wieder und sprach: »Mutter, mein Leid ist größer, als ich es ertragen kann. Gib mir deine Verzeihung, und laß mich wieder in den Wald gehen.« Und das Bettelweib legte die Hand auf sein Haupt und sagte zu ihm: »Steh auf!«, und der Aussätzige legte die Hand auf sein Haupt und sagte ebenfalls: »Steh auf!«
Da erhob es sich von der Erde und blickte sie an, und siehe, sie waren ein König und eine Königin.
Und die Königin sprach zu ihm: »Dies ist dein Vater, dem du geholfen hast.«
Und der König sagte: »Dies ist deine Mutter, deren Füße du mit deinen Tränen gewaschen hast.«
Und sie fielen ihm um den Hals und küßten es und geleiteten es in den Palast. Sie gaben ihm ein herrliches Gewand, setzten die Krone auf sein Haupt, legten das Zepter in seine Hand, und das Sternenkind herrschte über die Stadt, die an dem Flusse lag, und war ihr König. Viel Gerechtigkeit und Gnade erwies es allen, den bösen Zauberer verbannte es, dem Holzhauer und seinem Weibe aber schickte es manche reiche Gabe, und ihre Kinder brachte es zu hohen Ehren. Auch duldete es nie, daß jemand grausam gegen Vögel und sonstiges Getier war, sondern lehrte Liebe, Güte und Barmherzigkeit. Den Armen gab es Brot und den Nackten Kleidung, und es war Friede und Wohlstand im Lande.
Aber das Sternenkind herrschte nicht lange. So groß war sein Leid gewesen und so bitter das Feuer seiner Prüfung, daß es schon nach Ablauf von drei Jahren starb. Und der, der nach ihm kam, war ein böser Herrscher.
Die Schneekönigin
(Hans Christian Andersen)
Erste Geschichte
welche von dem Spiegel und den Scherben handelt. Seht! nun fangen wir an. Wenn wir am Ende der Geschichte sind, wissen wir mehr, als jetzt, denn es war ein böser Kobold! Er war einer der allerärgsten, er war der Teufel! Eines Tags war er recht bei Laune, denn er hatte einen Spiegel gemacht, welcher die Eigenschaft besaß, daß alles Gute und Schöne, was sich darin spiegelte, fast zu Nichts zusammenschwand, aber