Susanne Picard

Elfenzeit 7: Sinenomen


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langsam größer. Der Wind fachte sie an.

      Robert sah sich um. Niemand beachtete sie. Die Kämpfenden schlugen aufeinander ein, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Es war ruhig neben dem Rammbock. Sie standen im Auge des Sturms.

      Elfenmagie, dachte er. Eine andere Erklärung gab es nicht.

      Die Flammen färbten den Balken schwarz. Glut leuchtete rötlich. Rauch stieg auf und wurde vom Wind weggerissen.

      Und dann drehte sich doch einer der Armbrustschützen um. Erst als Robert in sein Gesicht blickte, erkannte er, dass es sich um eine Frau handelte. Sie hatte ein herbes, staubbedecktes Gesicht und heruntergezogene Mundwinkel. Ihre Augen weiteten sich, als sie das Feuer sah. Sie öffnete den Mund.

      Robert warf sein Schwert.

      Es drehte sich in der Luft. Die Elfe hob abwehrend die Hände, aber es war zu spät. Der Knauf traf sie im Gesicht. Lautlos brach sie zusammen. Andere sahen sich um, als sie fiel, entdeckten nun auch das Feuer. Die Flammen krochen wie Raupen am Holz empor und fraßen alles, was erreichbar war.

      Artair schien von all dem nichts zu bemerken, stand immer noch reglos da, die Hände auf den Balken gelegt. Schildträger begannen sich ihren Weg freizukämpfen. Ein paar bliesen in lange Holzpfeifen, die vor ihrer Brust hingen. Ritter erkannten, was geschah und hieben wild auf die feindlichen Elfen ein. Robert sah Bogenschützen hinter ihnen. Sie zogen Pfeile aus den Köchern. Schützend stellte er sich vor Artair, den Schild hoch erhoben. Zwei, drei Pfeile bohrten sich in das Holz, die anderen Schützen zögerten anscheinend, weil sie kein freies Schussfeld hatten und nicht die eigenen Kämpfer treffen wollten.

      Es knallte. Robert zog den Kopf ein. Artair wurde neben ihm in den Sand geschleudert. Sein Gesicht und seine Hände waren rußverschmiert, aber er grinste. Brennendes Holz prasselte im ihn herum auf den Boden. Der Wagen war explodiert.

      Elfen johlten und schlugen mit den Schwertern gegen ihre Schilde. Ihre Gegner ließen die Waffen sinken, starrten ebenso wütend wie resignierend auf die Trümmer. Grawnya kreisten über ihnen und kreischten, waren verwirrt von dem, was unter ihnen geschah.

      »Artair!«, schrie eine Stimme plötzlich. »Da ist er! Tötet ihn!«

      Ein Flammenritter, der einige Meter entfernt auf einem Cosgrach saß, zeigte mit einer Hand auf den Statthalter und zog mit der anderen seine Armbrust hervor. Ein Pfeil traf ihn in den Hals. Seine Rufe brachen ab. Langsam rutschte er von dem Cosgrach in den Sand. Doch andere hatten ihn gehört, auch Artairs eigene Ritter. Innerhalb von Sekunden umringten ihn die ersten. Diejenigen, die keine Schilde hatten, schützten den Statthalter mit ihrer Rüstung. Robert kamen sie vor wie ein Schildkrötenpanzer.

      Er zog den halb benommenen Artair hoch. Aus dem Augenwinkel sah er Brigdhe. Die Elfe stand im Inneren des Panzers und schoss zwischen den Schilden hindurch mit Pfeilen auf ihre Feinde. Robert sah sich erneut nach Nadja und Anne um. Er hoffte, dass es ihnen gelungen war, dem Chaos zu entfliehen.

      »Vorsicht!«, schrie Brigdhe plötzlich. Ein Schatten glitt über Robert hinweg. Er hörte lautes Kreischen. Erschrocken sah er auf und duckte sich im letzten Moment unter einer ledrigen Schwinge. Ein aufgerissenes Maul schoss Artair entgegen. Robert stieß ihn zur Seite. Klauen schlugen sich in seine Schultern, drangen durch die Lederjacke bis ins Fleisch. Er schrie auf, als er den Kontakt zum Boden verlor, dann wurde er emporgerissen, über die Köpfe der Krieger hinweg. Sein Fuß schlug gegen einen Helm, ein Speer stach nach ihm. Der Grawnya kreischte und knurrte. Sein langer Hals drehte sich, sein Maul schnappte nach der Beute in seinen Klauen.

      Robert schlug den Kopf zur Seite und umklammerte den Hals. Die Haut war trocken und heiß. Aus dem Kreischen wurde ein Krächzen. Der Grawnya begann nach Luft zu schnappen. Robert biss die Zähne zusammen, als er hin und her geschüttelt wurde. Krallen rissen seine Lederjacke auf. Der Grawnya versuchte, ihn an die Dornen zu drücken, die seinen Körper bedeckten. Robert musste den Hals loslassen und stemmte sich verzweifelt gegen dessen Brust.

      Triumphierendes Kreischen antwortete ihm. Der Grawnya öffnete sein riesiges Maul. Robert sah den Sand auf seiner Zunge, würgte, als ein Gestank nach Fäulnis ihm entgegenschlug.

      Im nächsten Moment war sein Gesicht voller Blut. Es brannte in seinen Augen, drang in Mund und Nase ein. Er hustete und spuckte, riss trotz des Brennens die Augen auf. Ein Pfeil steckte im Rachen des Grawnya. Blut sprudelte aus seiner Kehle. Das Wesen begann zu röcheln. Sein Flügelschlag erlahmte.

      »Oh nein«, flüsterte Robert, als er nach unten sah. Der Grawnya stürzte trudelnd ab. Seine Schwingen flatterten haltlos im Wind. Robert sah den Boden auf sich zukommen, schnell, viel zu schnell.

      Er schlug auf.

      Dunkelheit.

      9.

       He toa taumata rau

      Maata Waka Nene fasste nicht, was die unbekannte junge Frau mit blumigen Worten erzählte. Konnte es wahr sein, sollte wirklich eine Bande randalierender Jugendlicher durch die Gegend streifen? Officer Nuhaka Spencer würde sich bedanken, wenn ihr Neffe Tearoa Rangi Tuku morgen wie jeden Montag nach Waitara in sein Versicherungsbüro fuhr und einen der beiden jungen Leute in der kleinen Police-Station ablud.

      Unvorstellbar war das Ganze, weil es darauf hindeutete, dass sie und Whetu ihre Arbeit nicht richtig gemacht hatten. Sie wechselte einen Blick mit ihrer Schwägerin, die von der Südinsel stammte und selbst eine anerkannte Schamanin war.

      Der Ngati-Mutunga-Stamm, dem sie im Gegensatz zu ihrem Gatten Tamati angehörte, hatte ebenfalls schon immer in dieser Gegend gelebt und in Maatas Verwandtschaft und in ihrer Ahnenreihe fanden sich eine Menge hochgestellter Maori-Adliger oder ariki, so auch der Politiker Te Rangi Hiroa und auch tohungas oder Schamanen. Die Gegend hier um das Grab Te Rangi Hiroas in Urenui war eine besondere Gegend und es oblag Maata und Whetu, die in die Geheimnisse und Mythen eingeweiht waren, sie vor allem Bösen zu schützen, damit Dinge wie ein solcher Überfall nicht passieren konnten. Umso verwunderlicher war die Geschichte dieser beiden – eine Brutalität ohnegleichen, die Whetus Zauber und Maatas Bannzeichen eigentlich hätten abhalten müssen.

      Sie war hin- und hergerissen – Tamati schien es wichtig, jede Einzelheit von den beiden fremdartig wirkenden Leuten zu erfahren. Maata betrachtete die junge Frau. Ein Haarschnitt, wie er hier in Neuseeland bestenfalls in Auckland zu bekommen war. Sehr modisch, sehr extravagant, wenn sie den Zeitschriften vertraute, die Mahine, ihre Enkelin und Jimmy Raungas ältere Schwester, manchmal aus Inglewood mitbrachte. Darin waren junge Damen abgebildet, die eine ähnliche Haartracht aufwiesen.

      Maata war dankbar, dass Mahine so etwas für dumm und überflüssig zu halten schien. Es schauderte sie, wenn sie sich überlegte, die Enkelin wäre eines Tages mit blondierten und kurzgeschnittenen Haaren erschienen, die in alle Richtungen wiesen – auch wenn es der zierlichen, ja geradezu ätherischen Frau sehr gut stand.

      Der junge Mann war offenbar der stillere von beiden. Es schien Maata seltsam, dass er einerseits nicht derjenige war, der das Wort ergriffen hatte, sondern wie selbstverständlich Rian den Vortritt ließ. Außerdem sah er trotz der etwas anderen Haartracht – seine Haare waren nicht so platinblond, sondern eher goldblond – der jungen Frau äußerst ähnlich. Sie waren eindeutig Geschwister, kein Liebespaar, wie Rian zuerst angedeutet hatte, vielleicht sogar Zwillinge, denn eine innige Verbundenheit zwischen ihnen war zu spüren. Vielleicht waren es die Haare, welche die Augen der beiden jungen Leute so unglaublich violett leuchten ließen, oder sie trugen diese neumodischen, farbigen Kontaktlinsen. Dem jungen Mann – David hieß er, erinnerte sie sich – fielen die offenbar schon seit langem nicht mehr geordneten Haare derart wirr auf seine knochigen Schultern, dass Maata ihm am liebsten einen Kamm besorgt hätte.

      Vom Aussehen her erinnerte er Maata an einen mittlerweile verstorbenen Rockstar, der einst im Zimmer ihres gleichfalls verstorbenen Sohnes gehangen hatte, der zwei verschiedene Augen gehabt und wie nicht ganz von dieser Welt gewirkt hatte. Ja, es schien durchaus wahrscheinlich, dass die Besucher aus Europa kamen, da waren solche Moden sicher nichts Besonderes.

      Aber hier waren sie nun einmal in Pukearuhe.

      Es fehlte noch,