Justin Philipps

Loverboys 163: Hart am Ball


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wir haben uns im Alexa getroffen!«

      »Das ist eine super Idee, Samuel«, bestärkte ich ihn. »Sag ihm, wir hätten uns zufällig im Alexa getroffen. Zum Beispiel im Foodcourt, bei …«

      »… PizzaHut!« Sein Tonfall klang geradezu jubilierend, als er das Wort aussprach. »Max wird keinen Verdacht schöpfen, wenn ich ihm erzähle, dass ich dich bei PizzaHut getroffen hat. Er weiß, dass ich gerne zu PizzaHut gehe.«

      »Perfekt«, pflichtete ich ihm bei. »PizzaHut ist eine super Idee. Du sagst ihm, wir hätten Nummern getauscht und könnten ja mal zusammen ein Bier trinken oder ein Eis essen gehen.«

      »Eis essen?«, wiederholte Samuel ungläubig. »Das machen doch nur Mädchen, oder?«

      Er wirkte tatsächlich irritiert.

      »Natürlich ohne Schlagsahne!«, lenkte ich ein. »So ein richtiges Männereis. Nur Kugeln. In der Waffel. Zum Lecken. Ohne Sahne.«

      Samuel schien nicht überzeugt.

      »Nö, lass uns mal lieber auf ein Bier verabreden. Max und ich fahren hin und wieder nach Berlin. Da gibt es tolle Bars. Du kannst natürlich auch mal wieder nach Steffenhagen kommen. Hier haben wir zwar keine guten Kneipen, aber dafür gibt es schöne Büsche und hin und wieder einen schönen steifen Riemen dazwischen.«

      Samuel zwinkerte mir zu. Ganz schön kess, der Kleine. Von wegen »Ich mache es nicht so oft mit Kerlen«.

      »Hört sich gut an«, meinte ich und versuchte, einen coolen Tonfall zu behalten. »Aber wir sollten es nicht übertreiben, sonst muss Steffenhagen noch eine Namensänderung beantragen.«

      Samuel verstand nicht.

      »Na, von Steffenhagen in Steifenhagen«, half ich ihm auf die Sprünge.

      Er schien die Bemerkung witzig zu finden.

      »Steifenhagen«, gluckste er. »Das klingt gut. Sogar verdammt gut. Da bin ich noch nie draufgekommen. Werde ich gleich mal den Jungs in der Kabine erzählen. Die pissen sich weg vor Lachen.«

      »Mach das, Samuel. Erzähl es deinen Jungs, aber bitte verrate ihnen nicht, wer dich auf die Idee gebracht hat.«

      »Keine Sorge, Milan. Das bleibt zwischen uns vieren.«

      »Uns vieren?«, fragte ich irritiert.

      Das freche Grinsen auf Samuels Gesicht wurde noch breiter als ohnehin schon. Seine Augen weiteten sich, sein Blick lud sich mit Bedeutung auf. Dann hob er an, als verkünde er den mit Spannung erwarteten Gewinner des Oscars für den besten Film des Jahres: »Zwischen dir und mir … und unseren beiden schönen, steifen Johnnys!«

       »Bin in der Stadt«

      Immer wieder las ich seine Nachrichten. Die alten wohlgemerkt, denn neue waren seit einer Woche nicht eingetroffen. Es war noch nicht einmal 14 Uhr. In der Berufsfachschule war heute früher Schluss. Lehrermangel. Aber ich konnte auf keinen Fall nach Hause gehen. Konnte jetzt nicht allein sein. Nicht bei dem geilen Sommerwetter. In meiner Bude wäre mir die Decke auf den Kopf gefallen, und ich hätte im Minutentakt auf mein Handy gestarrt. Es hatte nicht nur Vorteile mit 18 eine eigene Wohnung zu haben. Aber was dann? Ich konnte wieder mal zum Alexanderplatz fahren, mich ein bisschen an der Weltzeituhr rumtreiben. Checken, wer da so abhing, oder Grindr anschmeißen und ein paar Touristen klarmachen, die mich dann vielleicht noch zum Essen einluden. Schließlich war ich während der drei Jahre an der Berufsfachschule für Masseure und medizinische Bademeister ohne Einkommen. Und da der Unterstützungsscheck meiner Eltern, die mittlerweile in Köln wohnten, auch nicht wirklich üppig war, musste ich kreativ sein. Touristen konnte man bei Grindr immer abgreifen. Spätestens wenn man ihnen nach ein, zwei Messages verklickert hatte, dass man ein echter Berliner Junge war, hatte man sie an der Angel. Dass mein eigentlicher Geburtsort Rüdersdorf war, erzählte ich natürlich nicht.

      Irgendwie scheinen schwule Touristen immer mit Einheimischen vögeln zu wollen. In Madrid müssen die rassigen Spanier dran glauben, in Schweden die blonden Hünen, in Prag muss es ein Bengel sein, der aussieht, als käme er gerade von einem Bel Ami-Casting, und in Berlin wollen die Kerle eben einen richtigen Berliner Jung’ mit Basecap und frecher Schnauze. Eine Reise, auf der man nicht einen Einheimischen flachlegt, ist für alle Schwulen ein Flop, der Fick mit einem »Local« hingegen der Höhepunkt. Dafür lassen sie dann gerne mal ein Abendessen springen.

      Um mein leibliches Wohl und um mein Sexleben musste ich mir folglich keinerlei Sorgen machen. Eigentlich war also alles schick, wäre da nicht diese Unruhe gewesen, die mit jedem Tag größer wurde, an dem keine Nachricht auf meinem Handy eintraf. Strenggenommen wartete ich seit dem Telefonnummerntausch in den Steffenhagener Büschen sogar auf zwei Nachrichten: eine von Samuel, der mir versprochen hatte ein Treffen zu organisieren, und natürlich die noch heißer ersehnte »Bin in der Stadt«-Meldung von Max. Weder das eine noch das andere kam.

      Hatte Samuel überhaupt mit Max gesprochen? Hatte er ihm wie verabredet die Lüge aufgetischt, dass wir uns im Alexa begegnet waren? Wie hatte Max wohl reagiert? War er erstaunt gewesen? Oder verärgert? Fühlte er sich vielleicht sogar bedroht, weil ihm schlagartig bewusst wurde, dass es seinem perfekten Torjäger-Image schaden könnte, wenn er mich in seinen Zirkel hineinließ? War dies etwa der Grund, warum er sich nicht mehr meldete? Ich traute mich weder Max noch Samuel anzuschreiben. Wollte mir keine Blöße geben. Hatte Bammel vor der Antwort. Bammel vor einer Abfuhr. Heute würde es sowieso nichts mehr werden mit Max. Das spürte ich. Vor mir lag einer dieser Nachmittage, an denen ich mir aus Frust einen Typen angelte, nur um hinterher noch sehnsüchtiger auf eine Nachricht aus Steffenhagen zu warten. Solche Nachmittage folgten alle dem gleichen Ablauf. Immer das gleiche Protokoll. Ein sich stets wiederholendes Schema. Das Drehbuch eines Films, der schon hundertmal gedreht worden war. Und ich war unzählige Male Hauptdarsteller gewesen.

      Die S-Bahn fährt in den Bahnhof Alexanderplatz ein. Bremst. Heult dabei, fast sirenenartig. Zischend öffnen sich die Türen. Ich lasse mich mit dem Strom treiben. Folge der Masse, als hätte ich ein Ziel. Setze mich auf den Brunnenrand und checke Grindr. Die Nachrichten dort ähneln sich: Hey Sexy! – What’s up dude! – Cute!

      Der übliche Mist. Einer schickt ein Schwanzfoto mit. Wenn es echt ist, könnte ich es mir überlegen. Auch der Rest sieht heiß aus, ist aber garantiert mit Photoshop bearbeitet. Junges Gesicht. Braune Augen. Gestutzter Bart. Angeblich 22, aus Frankfurt. Typ Model. Ein bisschen zu brav, aber wenn das Schwanzfoto echt ist …

       Was suchst du? – Zeit? – Woher? – Oh, Berlin … Cool! – Komm ins Park Inn. Zimmer 702. Er steht schon.

      Bei mir steht noch nichts, aber das Park Inn ist gleich nebenan. Und die Latte auf dem Foto ist echt scharf. Kerzengerade. Pralle Eichel. Für einen schönen Schwanz und ein Abendessen bin ich immer zu haben. Bei jedem Schritt, mit dem ich dem Hotel näherkomme, juckt mein Johnny stärker. Ich husche durch die Aufzugstür, die sich gerade schließt. Man braucht eine Zimmerkarte, um eine Etage drücken zu können.

      »Sorry, könnten Sie vielleicht die Sieben drücken? Habe meine Karte vergessen!«

      Die Dame zögert. Etwas widerwillig drückt sie die Sieben. Ich weiß genau, dass sie sich fragt, ob ich vielleicht ein Hoteldieb bin.

      »Mein Freund wartet im Zimmer auf mich.«

      Das scheint sie zu beruhigen. Es kann ihr sowieso egal sein. Sie steigt im fünften Stock aus. Ich checke noch mal mein Handy. Immer noch keine Nachricht von Max. Es gibt also keinen Grund für ein schlechtes Gewissen. Wenn er gewollt hätte, hätte er mich heute haben können. Er hätte nur zu schreiben brauchen. »Bin in der Stadt.« Er hätte mich auch irgendwo hinbestellen können, ich wäre hingefahren. Nach Steffenhagen, nach Potsdam, nach Falkensee, sogar nach Leipzig. Ich hätte einiges auf mich genommen, nur um seinen herrlichen, saftigen Schwanz in den Mund zu bekommen. Ich hätte auch problemlos auf Sex verzichtet, hätte mich beherrscht, wäre ihm bis zu unserer Wiedervereinigung treu geblieben, wenn ich auch nur den Schimmer einer Ahnung gehabt hätte, wie lange ich auf diese Wiedervereinigung warten musste. Eine oder zwei