Hugh Lofting

Doktor Dolittles schwimmende Insel


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ihm hin‚ er ist ein großer Mann.“

      Ich dankte dem Muschelmann‚ nahm mein Eichhörnchen und machte mich auf den Weg zur Oxenthorp-Straße. Das erste‚ was ich hörte‚ war‚ daß jemand „Fleisch‚ Fleisch!“ rief. Es war Matthäus Mugg‚ er mußte wissen‚ wo der Doktor wohnt. Matthäus kannte jeden Menschen. Ich lief über den Markt und bekam ihn gerade noch zu fassen.

      „Matthäus“‚ fragte ich‚ „kennst du Doktor Dolittle?“

      „Ob ich Doktor Dolittle kenne?“ rief er. „Weiß Gott‚ das sollte man glauben! Ich kenne ihn so gut wie meine Frau‚ manchmal sogar noch besser. Er ist ein großer Mann‚ ein sehr großer Mann. Ich geh jetzt grade zu seinem Hause. Komm mit‚ ich werd’ es dir zeigen.“

      So machten wir uns beide auf den Weg. „Ich kenne Doktor Dolittle schon seit Jahren“‚ sagte er‚ als wir über den Marktplatz gingen‚ „aber ich glaube ziemlich sicher‚ er wird jetzt nich zu Hause sein. Er ist verreist‚ aber er kann jeden Tag zurückkommen. Ich werde dir sein Haus zeigen‚ und dann weißt du‚ wo du ihn finden kannst.“

      „Wo ist er denn hingefahren?“ fragte ich.

      „Das kann ich dir nicht sagen‚ kein Mensch weiß niemals nich‚ wohin er geht‚ noch was er tut‚ noch wann er zurückkommt. Er lebt allein mit seinen Lieblingstieren. Er hat ein paar große Reisen und wunderbare Entdeckungen gemacht. Als er das letzte Mal nach Hause kam‚ erzählte er mir‚ er habe im Stillen Ozean einen Stamm Indianer entdeckt‚ die auf zwei Inseln lebten‚ die Männer auf der einen und die Frauen auf der andern. Vernünftige Leute‚ diese Wilden. Sie kommen nur einmal im Jahr zusammen‚ wenn die Männer ihre Frauen zu einem großen Fest besuchen. Zu Weihnachten höchstwahrscheinlich. Ja‚ er ist ein wunderbarer Mann‚ der Doktor‚ niemand nich weiß von Tieren so viel wie er.“

      „Woher weiß er so viel über Tiere?“ fragte ich.

      Der Katzenfuttermann blieb stehen und beugte sich herunter‚ um mir etwas ins Ohr zu flüstern. „Er spricht ihre Sprache“‚ sagte er mit heiserer‚ geheimnisvoller Stimme.

      „Die Tiersprache!“ rief ich.

      „Ja‚ natürlich‚ alle Tiere haben eine Sprache. Einige sprechen mehr als die andern‚ und manche nur Zeichensprache wie Taubstumme‚ aber der Doktor versteht sie alle‚ die Vögel so gut wie die andern Tiere. Es ist ein Geheimnis‚ das nur er und ich wissen‚ denn die andern Leute lachen‚ wenn man davon spricht. Ja‚ er kann sogar die Tiersprache schreiben. Er liest seinen Tieren vor. Er hat Geschichtsbücher in der Affensprache geschrieben und Kanarienvogelgeschichten und lustige Lieder für Elstern. Das ist tatsächlich wahr. Jetzt ist er damit beschäftigt‚ die Sprache der Schaltiere‚ der Krebse‚ Muscheln und Schnecken‚ zu erlernen‚ aber er sagt‚ es sei sehr schwer‚ und er hat sich dabei schon oft erkältet‚ weil er seinen Kopf so viel unter Wasser halten muß. Er ist ein großer Mann.“

      „Das muß er wirklich sein. Ich wünschte‚ er wäre zu Hause‚ damit ich ihn kennen lernte.“

      Wir waren an den Rand der Stadt gelangt‚ und das Haus‚ auf das Matthäus zeigte‚ war klein und stand für sich allein. Ein großer Garten schien es zu umgeben‚ der lag viel höher als die Straße‚ so daß man einige Stufen hinaufsteigen mußte‚ ehe man hinein gelangte. Als wir zum Haus kamen‚ ging Matthäus die Stufen zur Vordertür hinauf‚ und ich folgte ihm. Ich dachte‚ er würde in den Garten gehen‚ aber das Tor war verschlossen. Ein Hund kam vom Hause herbeigerannt‚ nahm mehrere Stücke Fleisch und auch einige Tüten mit Korn und Kleie in Empfang‚ die der Katzenfuttermann durch die Gitterstäbe steckte. Ich bemerkte‚ dieser Hund blieb nicht stehen‚ um das Fleisch zu fressen‚ wie ein gewöhnlicher Hund‚ sondern er brachte alle Sachen zum Haus und verschwand. Er trug ein seltsames breites Halsband‚ das wie Messing aussah. Dann gingen wir wieder fort.

      „Der Doktor ist noch nich zurück‚ sonst wäre das Tor nich verschlossen“‚ sagte Matthäus.

      „Was war in den Tüten‚ die du dem Hund gegeben hast?“ fragte ich.

      „Ach‚ das waren allerlei Nahrungsmittel“‚ sagte Matthäus‚ „Futter für die Tiere. Des Doktors Haus steckt voller Lieblingstiere. Wenn der Doktor nich zu Hause ist‚ gebe ich die Sachen dem Hund‚ und er bringt sie den andern Tieren.“

      „Und was war das für ein seltsames Halsband‚ das er trug?“

      „Das ist ein echt goldenes Hundehalsband. Vor langer Zeit‚ als er mit dem Doktor auf einer Reise war‚ hat man es ihm geschenkt. Er hat einem Menschen das Leben gerettet.“

      „Wie lange hat der Doktor ihn schon?“

      „Oh‚ sehr lange. Jip wird jetzt schon hübsch alt. Darum nimmt der Doktor ihn nich mehr auf Reisen mit. Er läßt ihn hier‚ damit er das Haus bewacht. Jeden Montag und Donnerstag bring ich ihm das Futter ans Gitter. Er läßt niemand in den Garten‚ wenn der Doktor fort ist. Nicht einmal mich‚ obgleich er mich gut kennt. Aber man weiß immer‚ ob der Doktor zurück ist oder nich. Wenn er wieder da ist‚ steht das Tor bestimmt offen.“

      Ich ging also wieder zu meines Vaters Haus zurück und bettete mein Eichhörnchen in eine kleine mit Stroh gefüllte Kiste. Dort pflegte ich es selbst und versorgte es‚ so gut ich konnte‚ bis zu der Zeit‚ da der Doktor zurückkehren sollte. Täglich ging ich zum kleinen Haus am Rande der Stadt und sah nach‚ ob das Tor noch geschlossen war. Manchmal kam Jip‚ der Hund‚ ans Tor gelaufen‚ aber obgleich er mit dem Schweif wedelte und sich freute‚ daß ich kam‚ ließ er mich nie in den Garten.

      3. Kapitel

      DES DOKTORS HEIM

      Es war an einem Montagnachmittag gegen Ende April‚ als mir mein Vater auftrug‚ Schuhe‚ die er geflickt hatte‚ in ein Haus der andern Stadthälfte zu bringen. Als ich sie zu Oberst Bellows‚ einem sehr unfreundlichen Herrn‚ gebracht hatte‚ fiel mir ein‚ ich könnte‚ bevor ich nach Hause ginge‚ noch einmal nachsehen‚ ob der Doktor zurück wäre. Ich war am Morgen schon dort gewesen‚ aber ich wollte gern noch einmal nachsehen. Meinem Eichhörnchen ging es gar nicht besser‚ und ich begann‚ mir Sorge zu machen. So bog ich in die Oxenthorp-Straße ein und ging zu des Doktors Haus. Unterwegs bemerkte ich‚ daß sich der Himmel bewölkte‚ als wollte es regnen.

      Das Tor war noch verschlossen‚ was mich sehr entmutigte‚ denn eine Woche lang war ich nun täglich hergekommen. Traurig kehrte ich um‚ stieg die Stufen hinunter und machte mich auf den Heimweg.

      Ich überlegte‚ ob wohl schon Abendbrotzeit wäre. Natürlich hatte ich keine Uhr‚ aber ich sah einen Herrn die Straße herunter kommen‚ und als er näher kam‚ sah ich‚ daß es der Oberst war. Ich bat ihn‚ mir zu sagen‚ wie spät es sei.

      Er blieb stehen‚ brummte etwas und stierte auf mich herunter‚ sein rotes Gesicht rötete sich immer mehr‚ und als er sprach‚ hörte sich’s an‚ als ob ein Korken aus einer Ingwerbierflasche knallt.

      „Hast du dir wirklich eingebildet‚ ich werde alle meine Mäntel aufknöpfen‚ um einem kleinen Jungen wie dir zu sagen‚ wie spät es ist?“ polterte er und stapfte die Straße hinunter‚ wobei er lauter als je vor sich hinbrummte.

      Ich blieb einen Augenblick stehen und überlegte‚ wie alt ich wohl sein müßte‚ damit er sich die Mühe nähme‚ die Uhr herauszuziehen. Plötzlich begann es in Strömen zu gießen. Ich hatte noch nie einen solchen Regen erlebt. Es wurde dunkel wie die Nacht‚ der Wind blies‚ der Donner rollte‚ die Blitze zuckten‚ und im Nu waren die Rinnsteine zu Flüssen angeschwollen. Da ich in der Nähe keinen Unterschlupf fand‚ stemmte ich mich gegen den Sturm und begann mit gesenktem Kopf nach Hause zu laufen.

      Ich war noch nicht sehr weit gekommen‚ als ich mit dem Kopf in etwas Weiches stieß und plötzlich auf dem Pflaster saß. Um zu sehen‚ in was ich gerannt sei‚ blickte ich auf. Vor mir auf dem nassen Weg saß ein kleiner dicker Mann mit einem sehr freundlichen Gesicht. Er trug einen abgeschabten