Papagei an‚ der auf des Doktors Schulter hockte.
„Ich bin Johann Dolittle‚ ich glaube‚ Ihr Mann wird sich noch an mich erinnern. Er hat mir vor ungefähr vier Jahren ein Paar ausgezeichnete Stiefel gemacht.“
„Der Doktor will mein Eichhörnchen gesund machen‚ Mutter,“ rief ich. „Er weiß alles über Tiere.“
„Oh nein‚ Stubbins“‚ sagte der Doktor‚ „nicht alles. Keinesfalls alles.“
„Es ist sehr freundlich‚ daß Sie sich einen so weiten Weg machen‚ um nach seinem Tierchen zu sehen“‚ sagte meine Mutter. „Tom bringt immer seltsame Geschöpfe aus den Wäldern und Feldern nach Haus.“
„Wirklich?“ fragte der Doktor‚ „vielleicht wird er einmal Naturforscher‚ wenn er erwachsen ist‚ wer weiß?“
„Wollen Sie nicht hereinkommen?“ fragte meine Mutter‚ „es ist nicht alles in Ordnung‚ weil ich noch nicht mit dem Großreinemachen fertig bin‚ aber im Wohnzimmer brennt ein gutes Feuer.“
„ Vielen Dank“‚ sagte der Doktor‚ „was für ein reizendes Heim Sie haben!“
6. Kapitel
DAS VERWUNDETE EICHHÖRNCHEN
Drinnen‚ neben dem Feuer‚ übte mein Vater Flöte‚ das tat er jeden Abend nach der Arbeit.
Der Doktor begann sofort‚ mit ihm über Flöten‚ Piccoloflöten und Fagotte zu sprechen‚ und plötzlich fragte ihn mein Vater: „Vielleicht spielen Sie selbst Flöte‚ mein Herr‚ wollen Sie uns nicht etwas vorspielen?“
„Nun‚ es ist lange her‚ daß ich eine Flöte in der Hand hatte‚ aber ich würde es nachher gern einmal versuchen‚ wenn ich darf.“
Dann führte ich den Doktor in mein Schlafzimmer‚ das im Giebel lag‚ und zeigte ihm das Eichhörnchen in der Kiste voll Stroh.
Das Eichhörnchen schien eher erfreut als erschreckt‚ als der Doktor es nahm‚ seine Beine untersuchte und mit ihm zu plaudern begann.
Ich hielt die Kerze‚ während der Doktor das Bein in etwas legte‚ was er ‚Schienen‘ nannte‚ die er mit seinem Taschenmesser aus Streichhölzern geschnitzt hatte.
„Das Bein wird bald besser werden“‚ sagte er‚ als er seine Tasche schloß. „Laß das Tier mindestens zwei Wochen lang nicht herumlaufen‚ aber bring’ es an die frische Luft und deck’ es mit trockenen Blättern zu‚ wenn die Nächte kühler werden. Es hat mir erzählt‚ es fühle sich allein hier recht einsam und möchte gern wissen‚ wie es seiner Frau und seinen Kindern geht ... Ich habe ihm versichert‚ daß du ein Mann bist‚ dem man vertrauen kann‚ und ich werde ein Eichhörnchen aus meinem Garten auf die Suche schicken‚ damit es herausfindet‚ wie es seiner Familie geht und ihm Nachricht bringt. Es muß um jeden Preis bei guter Laune gehalten werden. Eichhörnchen sind von Natur aus eine vergnügte‚ bewegliche Rasse. Still zu liegen und nichts zu tun‚ ist sehr schwer für sie. Aber du brauchst dich nicht zu ängstigen: es wird bald gesund sein.“
Dann gingen wir ins Wohnzimmer zurück‚ und meine Mutter und mein Vater baten den Doktor um ein Stück nach dem andern‚ so daß er immerzu Flöte spielte‚ bis es längst zehn Uhr vorbei war.
Wenn auch meine Eltern Johann Dolittle vom ersten Augenblick an sehr gut leiden mochten und stolz waren‚ daß er zu uns gekommen war und uns vorgespielt hatte — denn wir waren wirklich furchtbar arm —‚ wußten sie doch nicht‚ was für ein großer Mann er eines Tages sein würde. Jetzt‚ wo fast jeder in der Welt von Doktor Dolittle und seinen Büchern gehört hat‚ würde man in dem kleinen Haus zu Puddleby‚ wo mein Vater seinen Schusterladen gehabt hat‚ über der altmodischen Tür in der Wand eine Tafel mit folgender Inschrift finden:
„Im Jahre 1839 spielte Johann Dolittle‚ der berühmte
Naturforscher‚ in diesem Hause Flöte.“
Und ich erinnere mich noch‚ wie wir‚ nachdem wir den Doktor bis an die Vordertür gebracht hatten‚ ins Wohnzimmer zurückgingen und uns über ihn unterhielten‚ bis es noch viel später geworden war. Und selbst nachdem ich im Bett lag — noch nie in meinem ganzen Leben war ich so lange aufgeblieben —‚ träumte ich von ihm und einem Orchester seltsamer‚ kluger Tiere‚ die die ganze Nacht hindurch flöteten‚ geigten und trommelten.
7. Kapitel
DIE SPRACHE DER SCHALTIERE
Obgleich ich so spät schlafen gegangen war‚ stand ich am nächsten Morgen sehr früh auf. Die ersten Sperlinge begannen gerade‚ schläfrig auf dem Dach vor meinem Giebelfenster zu piepen‚ als ich aus dem Bett sprang und in meine Kleider schlüpfte.
Ich konnte es kaum erwarten‚ zu dem kleinen Haus mit dem großen Garten zurückzukehren und den Doktor und seinen privaten Zoo zu sehen. Als ich an des Doktors Gartentür angelangt war‚ fiel mir plötzlich ein‚ daß es vielleicht zu früh wäre und der Doktor noch schliefe. Ich sah in den Garten — niemand schien in der Nähe zu sein. Leise öffnete ich die Pforte und ging hinein. Plötzlich hörte ich ganz dicht neben mir eine Stimme:
„Guten Morgen! Wie früh du kommst“‚ und auf der Spitze einer Ligusterhecke saß der graue Papagei Polynesia.
„Guten Morgen“‚ sagte ich‚ „ich komme recht früh. Schläft der Doktor noch?“
„O nein“‚ antwortete Polynesia‚ „er ist schon anderthalb Stunden auf. Er muß irgendwo im Hause stecken. Die Vordertür ist offen‚ drück nur auf die Klinke und geh hinein. Er macht sich sicher in der Küche Frühstück‚ oder vielleicht arbeitet er auch‚ in seinem Studierzimmer. Geh nur hinein! Ich will warten‚ bis die Sonne aufgeht. Aber‚ weiß Gott‚ ich glaube‚ sie hat das Aufgehen vergessen. Ein entsetzliches Klima! Wenn ich jetzt in Afrika wäre‚ würde zu dieser Morgenstunde die Welt vom Sonnenlicht erstrahlen. Sieh nur‚ wie der Nebel über die Kohlköpfe rollt. Vom bloßen Hinsehen kann man das Reißen bekommen! Ein ekelhaftes Klima‚ wirklich! Ich weiß wahrhaftig nicht‚ warum es irgendwer‚ außer einem Frosch‚ in England aushält. Nun‚ ich will dich nicht aufhalten. Lauf zum Doktor!“
„Danke schön“‚ sagte ich‚ „ich will ihn suchen.“
Endlich fand ich den Doktor in seinem Studierzimmer. Ich wußte nicht‚ daß dies sein Studierzimmer genannt wurde. Es war ein sehr interessantes Zimmer‚ mit Fernrohren‚ Mikroskopen und allen Arten seltsamer Gegenstände‚ von denen ich leider nichts verstand. An den Wänden hingen Abbildungen von Tieren‚ Fischen‚ merkwürdigen Pflanzen und Sammlungen von Vogeleiern und Seemuscheln in Glaskästen.
Der Doktor stand in seinem Schlafrock am Mitteltisch. Zuerst glaubte ich‚ er wüsche sich das Gesicht. Er beugte sich über einen viereckigen Glaskasten voll Wasser und hielt ein Ohr unters Wasser‚ während er das andere mit der Hand zuhielt. Als ich hereinkam‚ richtete er sich auf.
„Guten Morgen‚ Stubbins“‚ sagte er. „Wird ein schöner Tag werden‚ nicht wahr? Ich habe gerade dem Wiff-Waff zugehört. Aber er enttäuscht mich sehr‚ wahrhaftig‚ sehr!“
„Warum?“ fragte ich‚ „hat er überhaupt keine Sprache?“
„O doch“‚ sagte der Doktor‚ „er hat schon eine Sprache‚ aber sie ist so ärmlich. Nur ein paar Worte wie ja und nein‚ heiß und kalt — das ist alles‚ was er sagen kann. Er ist eine große Enttäuschung. Weißt du: er gehört zu zwei verschiedenen Fischfamilien‚ und ich hatte geglaubt‚ er würde mir viel nützen können. Ja‚ ja.“
„Wahrscheinlich“‚ sagte ich‚ „hat er nicht viel Verstand‚ wenn seine Sprache nur aus zwei oder drei Worten besteht.“
„Ja‚ ich glaube‚ das ist der Fall. Vielleicht kommt es von dem Leben‚ das er führt. Wiff-Waffs sind jetzt außerordentlich selten und leben sehr einsam. Sie schwimmen