Hugh Lofting

Doktor Dolittles schwimmende Insel


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ein neues Scheit Holz in das Feuer. „Deine Kleider sind noch nicht trocken‚ du mußt darauf warten‚ nicht wahr? Bis dahin haben wir uns Abendbrot gemacht und gegessen. Hast du vielleicht gesehen‚ wo ich meine Tasche hingestellt habe?“

      „Sicher in die Halle‚ ich werde mal nachsehen.“ Ich fand die Handtasche an der Eingangstür. Sie war aus schwarzem Leder und sah alt aus. Eins ihrer Schlösser war entzwei und wurde mit einem Bindfaden zusammengehalten. „Vielen Dank“‚ sagte der Doktor‚ als ich sie ihm brachte.

      „Ist dies das ganze Gepäck‚ das Sie auf der Reise mithatten?“ fragte ich.

      „Ja“‚ sagte der Doktor‚ als er den Bindfaden aufschnürte‚ „ich halte nichts von vielem Gepäck. Es ist so eine Last — das Leben ist zu kurz‚ um sich damit abzuquälen. Und weißt du: es ist auch nicht nötig. Wo habe ich nur die Würstchen hingetan?“

      Der Doktor suchte in der Tasche. Zuerst holte er ein frisches Brot‚ dann ein Glas mit einem seltsamen Metalldeckel heraus. Er hielt das Glas sehr sorgfältig ans Licht‚ bevor er es auf den Tisch setzte‚ und ich entdeckte darin ein seltsames kleines Wassertier. Zuletzt brachte der Doktor ein Pfund Würstchen hervor.

      Während er eifrig die Würstchen über dem Herdfeuer briet‚ ging ich hin und sah mir das kleine Geschöpf an‚ das in dem Glas herumschwamm.

      „Was ist das für ein Tier?“ fragte ich.

      „Ach“‚ sagte der Doktor und drehte sich um‚ „das ist ein Wiff-Waff. Sein richtiger Name ist Hippocampus pippitopitus. Aber die Eingeborenen nennen es einfach Wiff-Waff‚ weil es beim Schwimmen immer mit seinem Schwanz hin und her wackelt. Um es zu bekommen‚ habe ich meine letzte Reise unternommen. Ich will nämlich die Sprache der Schaltiere lernen. Sie haben bestimmt eine Sprache. Ein bißchen Haifischsprache und etwas Tümmlerdialekt kann ich schon sprechen‚ aber ich möchte die Sprache der Schaltiere: der Muscheln‚ Krebse und Schnekken lernen.“

      „Warum denn?“ fragte ich.

      „Nun‚ einige Schaltiere sind die ältesten Geschöpfe der Welt‚ von denen wir wissen. Man findet ihre vieltausend Jahre alten Schalen versteinert in den Felsen. Wenn ich ihre Sprache sprechen könnte‚ würde ich sicher von ihnen erfahren‚ wie die Welt in uralten Zeiten gewesen ist.“

      „Aber können Sie das nicht ebenso gut von anderen Tieren erfahren?“

      „Ich glaube nicht“‚ sagte der Doktor und zerteilte die Würste mit einer Gabel. „Die Affen‚ die ich vor ein paar Jahren in Afrika kennen lernte‚ haben mir zwar geholfen und mir viel von vergangenen Zeiten erzählt —‚ aber ihre Kenntnisse reichten nur ungefähr tausend Jahre zurück. Nein‚ ich bin überzeugt‚ man kann nur von den Schaltieren die älteste Geschichte der Welt erfahren‚ einzig und allein von ihnen. Die meisten anderen Tiere‚ die in jenen uralten Zeiten gelebt haben‚ sind ausgestorben.“

      „Können Sie schon etwas Schaltiersprache?“ fragte ich.

      „Nein‚ ich habe grade erst angefangen. Ich mußte den besonderen Pfeifenfisch haben‚ der halb Muschel und halb Fisch ist. Ich bin ihm bis zum östlichen Mittelmeer gefolgt; aber ich fürchte‚ er wird mir nicht sehr viel helfen. Um die Wahrheit zu gestehen‚ enttäuscht mich sein Äußeres. Er sieht nicht sehr klug aus‚ nicht wahr?“

      „Nein‚ wahrhaftig nicht“‚ stimmte ich bei.

      „So“‚ sagte der Doktor‚ „die Würste sind grade gar‚ komm‚ reich mir deinen Teller‚ damit ich dir auftun kann.“ Wir setzten uns an den Küchentisch und begannen ein herzhaftes Mahl.

      Es war eine wunderbare Küche — ich habe darin noch oft gegessen und aß dort lieber als in dem schönsten Speisesaal der Welt. Es war gemütlich‚ heimisch und warm‚ und alles war so bequem. Man nahm das Essen heiß vom Feuer‚ stellte es auf den Tisch und aß es. Während man seine Suppe löffelte‚ sah man sein Brot auf dem Rost liegen und konnte aufpassen‚ daß es nicht anbrannte. Wenn man Salz vergessen hatte‚ brauchte man nicht in ein anderes Zimmer zu gehen‚ sondern nur die große Holzbüchse von der Anrichte hinter sich zu nehmen. Der Herd‚ der größte‚ den ich je gesehen habe‚ war wie ein Zimmer für sich. Man konnte sich hineinstellen‚ selbst wenn die Scheite schon brannten‚ oder auf jeder Seite sitzen und sich Kastanien rösten‚ wenn das Mahl vorüber war. Man konnte dem Summen des Kessels lauschen‚ Geschichten erzählen‚ oder sich beim flackernden Feuer Bilder besehen. Es war eine herrliche Küche — sie war wie der Doktor. Bequem‚ vernünftig‚ freundlich und zuverlässig.

      Während wir aßen‚ öffnete sich plötzlich die Tür und herein spazierten die Ente Dab-Dab und der Hund Jip‚ die Laken und Kissenbezüge hinter sich über den sauber gefegten Erdboden zogen. Der Doktor‚ der mein Erstaunen sah‚ erklärte mir‚ daß sie die Bettwäsche für ihn vor dem Feuer anwärmen wollten.

      „Dab-Dab ist eine großartige Haushälterin. Ich hatte einst eine Schwester‚ die mir den Haushalt führte — arme‚ gute Sarah‚ ich möchte wissen‚ wie es ihr geht‚ ich habe sie viele Jahre nicht gesehen —‚ aber sie war nicht halb so gut wie Dab-Dab. Nimm noch ein Würstchen!“

      Der Doktor blickte sich um und sprach in seltsamen Zeichen und Lauten einige Worte zu der Ente und dem Hund. Sie schienen ihn völlig zu verstehen.

      „Verstehen Sie auch die Eichhörnchensprache?“

      „ Ja‚ natürlich‚ sie ist ganz leicht. Du könntest sie auch ohne große Mühe lernen. Aber warum fragst du?“

      „Weil ich zu Haus ein krankes Eichhörnchen habe. Ich rettete es vor einem Falken‚ aber zwei Beine sind schwer verletzt‚ und ich möchte‚ daß Sie sich’s mal ansehen. Darf ich’s Ihnen morgen herbringen?“

      „Wenn es ein schwerer Bruch ist‚ wär’s besser‚ ich sähe es mir noch heute abend an. Es ist zwar schon zu spät‚ um noch viel zu tun‚ aber ich werde mit dir nach Hause gehen und es untersuchen.“

      Wir besahen die Kleider am Feuer‚ und meine waren schon ganz trocken. Ich ging ins Schlafzimmer hinauf und zog mich um‚ und als ich hinunterkam‚ wartete der Doktor schon mit seiner schwarzen Tasche voll Medizin und Bandagen auf mich.

      „Komm“‚ sagte er‚ „es hat aufgehört zu regnen.“

      Draußen war es wieder hell geworden‚ der Abendhimmel war von der untergehenden Sonne gerötet‚ und die Drosseln sangen im Garten‚ als wir das Tor öffneten‚ um auf die Straße hinunterzugehen.

      5. Kapitel

      POLYNESIA

      „Ihr Haus ist das interessanteste‚ das ich kenne“‚ sagte ich‚ als wir zur Stadt gingen. „Darf ich morgen wiederkommen?“

      „Natürlich“‚ sagte der Doktor‚ „du kannst jeden Tag kommen‚ wenn du willst. Morgen zeige ich dir den Garten und meinen Zoo.“

      „Ach‚ Sie haben auch einen zoologischen Garten?“ fragte ich.

      „Ja‚ die vielen Tiere sind zu viel für das Haus‚ drum halte ich sie im Garten‚ es ist keine sehr große Sammlung‚ aber auf ihre Art ist sie interessant.“

      „Es muß schön sein‚ die Sprachen dar verschiedenen Tiere sprechen zu können. Glauben Sie‚ ich könnte sie je lernen?“

      „Sicherlich“‚ sagte der Doktor‚ „wenn du dir Mühe gibst‚ aber du mußt sehr geduldig sein. Du müßtest bei Polynesia die Anfangsgründe lernen‚ sie hat mir auch den ersten Unterricht gegeben.“

      „Wer ist Polynesia?“ fragte ich.

      „Polynesia ist ein westafrikanischer Papagei‚ der bei mir gewohnt hat. Jetzt ist sie nicht mehr hier“‚ sagte der Doktor traurig.

      „Warum? Ist sie tot?“

      „Ach‚ nein“‚ sagte er‚ „ich hoffe‚ sie lebt noch. Aber als wir nach Afrika kamen‚