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Tatort Garten


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      Thomas Kastura (Hrsg.)

      Tatort Garten

      ars vivendi

      Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (2. Auflage August 2020; 1. Auflage Februar 2012)

      © 2012 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

      Alle Rechte vorbehalten

       www.arsvivendi.com

      Umschlaggestaltung: FYFF

      Motivauswahl: ars vivendi

      Coverfoto: © spacejunkie/photocase

      Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

      eISBN 978-3-7472-0237-1

      Inhalt

       Tessa Korber – Schneeweißchen und Rosentod

       Thomas Kastura – Vollmond über Schloss Fahlenstein

       Nina George – Der beste Dünger

       Elmar Tannert – Unter dem Apfelbaum

       Tatjana Kruse – Der Mimosenstreichler

       Heidi Friedrich und Arnd Rühlmann – Der Feind in meinem Beet

       Petra Nacke – Hausbesuch

       Angela Eßer – 6 Uhr 23 – Guten Morgen, Bamberg.

       Dirk Kruse – Unser kleines Paradies

       Beate Maxian – Tödliche Idylle

       Friederike Schmöe – Meine verehrte »Träumende Charlotte«

       Sabina Naber – Von Rasenbetretern und Gummi­zwergen – eine Farce in neun Szenen

       Tommie Goerz – Der Apfelbaum in Nachbars Garten

       Helmut Vorndran – Untödlich

       Die Autorinnen und Autoren

      Tessa Korber – Schneeweißchen und Rosentod

      Oktoberrose, schöne

      Und letzte Künderin,

      Wo sind des Sommers Töne,

      Wo seine Lieder hin?

      Ob ich an dich gedenke,

      Ob sich dein Duft bewahrt,

      Die herbstlichen Geschenke

      Sind all von deiner Art.

      Es kommt ein Wind von Osten,

      Der weht dich aus der Zeit.

      Die Gartentore rosten

      Vor deiner Ewigkeit.

      Georg von der Vring, 1889–1968

      Früher kamen die Leute, um meinen Garten zu betrachten. Jetzt bin ich froh, wenn sie fortbleiben. Es ist kein Fortschritt, alt zu werden und zerbrechlich. Die lauten Stimmen, die schnellen Bewegungen, die unbedachte Art der anderen machen einen zunehmend ängstlich. Wie wenig sehen die Menschen sich vor, wie wenig denken sie nach – und wie schnell ist ein Unglück geschehen, vor allem, wenn man wie ich immer mehr einem Bündel trockener Zweige in einer dünnen Hülle aus Tuch gleicht, die leicht brechen.

      Ich selber denke viel nach, so ist das im Alter, schätze ich. Obwohl man für alle Verrichtungen viel länger braucht und jeder Weg sich dehnt – zum Beispiel muss ich jetzt immer dreimal von der Waschmaschine zur Leine laufen und zurück, weil ich nicht mehr die gesamte Wäsche auf einmal heben kann; und bis meine gichtigen Finger jedes Stück aufgegriffen, entfaltet und über die Schnur gelegt haben: oje.

      Obwohl also alles so viel länger dauert, bleibt am Boden des Tages regelmäßig eine Neige von Zeit übrig. Dann sitze ich in meinem Lehnsessel mit dem Rosenmuster und grüble.

      Manchmal leisten mir die drei toten Kinder dabei Gesellschaft, die draußen unter den Pfingstrosen ruhen, wo keiner sie finden wird. Sie steigen auf mit dem Abendnebel, kommen mit der Zugluft hereingeweht, tanzen einmal federleicht im Kreis und setzen sich artig auf die Schemel vor den Anrichten, dort, wo das Lampenlicht nicht hinfällt. Fast unsichtbar sind sie und umso schöner. Wie sie wispern und mit den Füßen scharren, daran das Schuhwerk aus so unterschiedlichen Zeiten, das meine Fantasie ihnen übergezogen hat. Dann lese ich ihnen Gedichte vor, laut, mit leiser Stimme:

      Ein neues Leben wird den Geist beschwingen,

      So oft er riecht den süßen Duft der Rose …

      Sey still und schließ den Mund wie Rosenknospen,

      Verstohlnes Lächeln streue, wie die Rose.

      Meine tote Schwester auf der Ofenbank schüttelt den Kopf darüber, dass ich die Kleinen mit osmanischen Dichtern behellige und hoffe; hoffe, so zu trösten und selber Trost zu finden.

      Droben liegt Mutter; für immer. Neben ihr lege ich mich jede Nacht im Dunkeln schlafen, auf derselben Matratze, auf der sie starb. Zwischen uns beiden gibt es kein Gedicht und auch keine Worte.

      Überhaupt liebe ich den Tod mittlerweile mehr als das Leben, den Herbst mehr als den Frühling, die Tanne vor der flirrenden Birke, das welke Licht der späten Nachmittage mehr als die Morgen, von den wenigen Geschichten, die ich noch lese, die traurigen. Und von den Pflanzen die giftigen. Der Tod kann so schön sein. Fast bin ich so weit, den ständigen Schmerz zu lieben, der mir in den Knochen hockt wie die silbernen Flechten auf den Baumrinden. Aber noch kämpfe ich mit ihm. Eine Sache gibt es noch zu tun.

      Die Touristen, wenn sie sich noch herverirren, finden das Grundstück »malerisch«. Sie meinen damit vermutlich den verfallenden Zaun mit der abblätternden Farbe. Er scheint fast zusammenzubrechen unter der schäumenden Rankenlast meiner weißen Rosen. Und die Haustür schmiegt sich so geheimnisvoll unter das Dach von kirschrot kletternden Blüten. »Schau mal, wie bei Schneeweißchen und Rosenrot!« Wie oft habe ich das gehört.

      Mein Haus erinnert viele an das Märchen. Vor allem damals, als ich noch die beiden Katzen besaß, die sich hinter den Sprossenfenstern räkelten. Rosenrot ist schon vor Jahren überfahren worden. Aber Schneeweiß gibt es noch, mit einem Auge, zerfetzten Ohren, einer Zyste über dem Schwanz und einer Geschwulst in ihrem Inneren, die wachsen wird bis zu ihrem blühenden Tod. Manchmal sitzt sie noch im Fenster, die Moribunde, und schaut hinaus auf das Meer von Floribundas, so rosa, so orange, so gelb und rot und pink fließen die Schattierungen ineinander, und ich frage mich, ob Katzen, wenn sie schon keine Farben sehen wie wir, so doch etwas ähnlich Beglückendes wahrnehmen, oder ob die ganze Pracht meiner »Bobby James« und »Robin Hood«,