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Das Anthropozän lernen und lehren


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nur für 2 % des globalen anthropogenen CO2-Ausstoßes verantwortlich“ nutzen viele für ein bequemes Zurücklehnen oder auch ganz bewusst, um Dekarbonisierungsbemühungen zu verlangsamen, erst einmal abzuwarten oder gar ganz auszubremsen. Diese Strategie wird in der Psychologie als Bystander-Effekt (Latané & Darley 1970) bezeichnet. Sie erzeugt pluralistische Ignoranz und daraus resultierend Verantwortungsdiffusion (sensu Katz & Floyd 1931).

      • Deutschland hat nur 1,1 % der Weltbevölkerung, aber 2,23 % des anthropozänen CO2-Ausstoßes, also mehr als das Doppelte. (Entsprechend hat Österreich nur 0,1 % der Weltbevölkerung, aber 0,24 % des globalen Ausstoßes, ebenfalls mehr als das Doppelte.)

      • Der jährliche CO2-eq-Fußabdruck in Deutschland beträgt 9,15t/Kopf, in Österreich 8,16t/Kopf, in Indien 1,94t/Kopf, im Kongo 0,3t/Kopf.

      • Deutschland steht auf Platz 6 der Länder mit dem höchsten aktuellen CO2-Ausstoß. Unter Berücksichtigung der historischen Verantwortung seit 1750 steht Deutschland sogar auf Platz 4 aller Länder bei CO2-Ausstoß.

      • Alle Länder, die gleich viel oder weniger als Deutschland ausstoßen – also auch Österreich –, verursachen zusammen 36 % aller Treibhausgase.

      • Im Schnitt stößt jedes der etwa 200 UN-Länder 0,5 % aller Treibhausgase aus, damit läge Deutschland schon ein Vierfaches über diesem Durchschnitt.

      Nach diesem Muster kann so ziemlich alles „zerteilt“ werden, etwa der Treibhausgasausstoß im Flugverkehr, beim Autoverkehr, für die Internetnutzung und alle weiteren THG-relevanten Sektoren. Heruntergebrochen werden kann noch viel tiefer, etwa auf Bundesland, einen Landkreis, eine einzelne Stadt, bis hinunter zum einzelnen, so dass nach dieser Taktik letztendlich niemand verantwortlich ist.

      Noch einfacher ist es natürlich, die Wissenschaften insgesamt zu diskreditieren und ihnen unlautere Absichten zu unterstellen. In einer weit verbreiteten Variante ist dies die Strohpuppenargumentation, also das Aufstellen von Behauptungen, die zwar für viele plausibel klingen mögen, aber keiner Überprüfung standhalten. Publikumswirksam lässt sich aber dann entlang dieser „Strohpuppe“ argumentieren. In einer Linie dazu, allerdings in einer extremeren Spielart, stehen die Verschwörungstheorien, bei denen ein ganzes Netz von in den Raum gestellten Behauptungen flankiert wird durch eine übergeordnete falsche Erzählung, dass das Establishment, bestimmte Wirtschaftszweige, die Medien, der ganze Staat oder gar alle Geheimdienste und Regierungen dieser Welt sich dazu verabredet hätten, dies alles geheim zu halten.

      Möglichkeiten für den Einbau dieses insbesondere auch Medienkompetenz fördernden Themas in den Unterricht gibt es viele:

      • Vorstellbar wären etwa ein spielerisches „Sich selbst den Spiegel-Vorhalten“ (vgl. Abb. 5), etwa mit folgenden Fragen: Welche Ausreden lasse ich mir immer so einfallen? Welche glaube ich auch selbst, warum eigentlich? Warum gefällt mir dies oder jenes, habe ich das selbst entschieden? Habe ich für dies alles eigene Beispiele auch aus dem Umweltbereich?

      • Auch können „Richtig-Falsch“-Lösungen kritisch hinterfragt werden, denn häufig dienen sie der populistischen Zuspitzung und lassen andere Lösungsmöglichkeiten oder Lösungsportfolios im Sinne von Mischungen nicht zu.

      • Besonders gut können obige Aspekte auch in visuelles Arbeiten (z.B. via Cartoons und Comics, s.u.), künstlerisches Arbeiten (etwa Theaterspiel) und insbesondere Design-Thinking-basierte Projekte eingebracht werden (siehe Abschnitte 3.2 und 3.3).

       3.1.2 Analyse und Diskussion des Präventions- bzw. Zukunftskrisen-Paradox

      Mögliche Schulaktivitäten zum Zukunftskrisen-Paradox könnten umfassen:

      • Erarbeitung einfacher augenfälliger Vergleiche zur Erklärung des Paradox (vgl. dazu Abschnitt 3.2.1). Als Anregung zwei Beispiele im Kontext der Corona-Krise: Bernhard Ulrich, Journalist bei DIE ZEIT; auf Twitter vom 7.5.2020: „Also jetzt mal ohne jede Polemik: wenn eine Therapie zum Erfolg geführt hat, zu behaupten, der Erfolg beweise, dass die Therapie überflüssig war, ist doch ein bisschen grenzdebil, oder?“

      Werner Bartens, Gesundheitsjournalist, bei der TalkShow „Maischberger“ vom 20.5.2020 (leicht verkürzt von R. Leinfelder für Twitter, 21.5.2020):

      „Es regnet stark – ich muss trotzdem raus. Illustration Ich nehme den Schirm mit. Illustration Komme völlig trocken an. Illustration Hey, bin nicht nass. Illustration Es hat gar nicht geregnet. Illustration Schirm war völlig überflüssig!“

      • Im schulischen Kontext können weitere Metaphern und Geschichten zum Vorsorge- und Zukunftskrisen-Paradox für diverse Anthropozänthemen kreativ erarbeitet werden, dazu sollten auch die Fakten zur dargestellten Situation recherchiert werden: Eine mögliche Vorlage auch mit Bezug zu Verschwörungsaspekten (3.1.1) könnte beispielsweise folgende Meldung sein:

      • Nach einem erarbeiteten Verständnis zum Zukunftskrisen-Paradox könnten Konzepte erstellt werden, wie weitgehend unsichtbare Zukunftskrisen, wie etwa die Klimakrise, auch über andere sichtbare Umweltaspekte beleuchtet werden kann, etwa durch das Thema Plastik