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Das Anthropozän lernen und lehren


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3.1.3 Analyse und Diskussion von Gerechtigkeitsfragen

      Die Möglichkeiten der unterrichtsmäßigen Bearbeitung des Themenkreises Gerechtigkeit im Anthropozän sind extrem vielfältig, so dass nachfolgend nur wenige Themenbeispiele sowie deren mögliche methodische Umsetzung aus dem eigenen Umfeld des Autors angeführt werden.

      • Beispiel: Die Ozeane als Quelle, Senke und Patient: Regelung der Nutzung von Gemeingütern (Commons) als „Menschheitserbe“ am Beispiel des Seerechts (Quellen hierzu WBGU 2013, Vidas et al. 2015), siehe Abb. 6. Diskutiert werden kann auch, inwieweit es Möglichkeiten der Ausweitung der Commons-Areale auch aufs Land geben könne (Leinfelder 2017a). Weitere Beispiele könnten die aktuelle Situation für Trinkwasser (Abb. 7), Atmosphäre, Ernährungssituation (siehe auch Abschnitte 3.2.2, 3.3.3) u.v.m. umfassen.

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      Oben: Heutiger Zustand des UN-Seerechtsübereinkommen – Überwiegend küstenstaatliche souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse als 12 und 200 Meilen-Zone (ggf. erweitert) (Ausschließliche Wirtschaftszone, AWZ). Das „Gebiet“, also der Tiefseeboden, stellt ein „gemeinsames Erbe der Menschheit“ (Common Heritage of Mankind) dar und darf, etwa für Gewinnung von Bodenschätzen, nur unter hohen Auflagen und Zustimmung der Internationalen Meeresbodenbehörde genutzt werden. Die Hohe See steht hingegen allen Staaten (auch Binnenstaaten) überwiegend in der Regel ohne weitere Genehmigungsverfahren auch zur Nutzung zur Verfügung (areas beyond national jurisdiction) und wird daher, ähnlich wie die unter küstenstaatlicher Hoheit stehenden Zonen, besonders übernutzt.

       Unten: Die WBGU-Vision beruht auf dem Commons-Gedanken für alle Ozeanareale. Dazu wird die Common Heritage-Regelung auf die Hohe See ausgeweitet. Die AWZ wird ebenfalls unter Commons-Regelung gestellt, bleibt aber unter der Zuständigkeit der Küstenanrainer, welche in Sachwalterfunktion die Nutzung regeln und kontrollieren. Keine Nutzung darf dem globalen Commons-Gedanken entgegenlaufen. Eine nationale Nutzung darf keine Nachteile für andere Staaten mit sich bringen (WBGU 2013). Nach Leinfelder (2017a) ließe sich der Sachwaltergedanke auch auf die Festländer übertragen: Kein Land darf seine Ressourcen so nutzen, dass daraus ein Schaden für die Bürger anderer Länder entsteht.

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       Abbildung 7: Darstellung des Gerechtigkeitsaspekts für sauberes Wasser durch zwei Comic-Panele. Aus Hamann et al. (2013, S. 32 unten).

      • Beispiel: Tagebuch zur Selbstbeobachtung. Weitere Gerechtigkeitsfragen im Kontext des Anthropozäns, etwa Massentierhaltung, Saisonarbeit, Preisgestaltung u.v.m. bieten sich an und können ebenfalls in unterschiedlichsten Formaten, zum Beispiel als Protokoll oder Tagebuch zur Selbstbeobachtung gestaltet werden. Drei Anregungen dazu:

      • Persönliches Shopping-Protokoll etwa zur Analyse des eigenen Einkaufverhaltens und der zugrunde liegenden Kaufmotive.

      • Die Erstellung eigener Beobachtungstagebücher durch Schüler/innen und die daraus ableitbaren Vertiefungen, Schlussfolgerungen oder Bewertungen könnten als Thema ggf. ebenfalls gut für den Online-Unterricht genutzt werden.

      3.2 Kommunikationswege im Anthropozän

      Aufgrund der komplexen, fächerübergreifenden Thematik und des systemischen Ansatzes des Anthropozän-Konzepts ist das Auffinden geeigneter Kommunikationswege eine notwendige Voraussetzung zur Analyse, Darstellung und Problemlösung ökologischer, gesellschaftlicher und kultureller Interaktion im Anthropozän. Einige der Herausforderungen und Chancen zur Kommunikation über/für das Anthropozän seien im Nachfolgenden kurz aufgelistet. So geht es unter anderem darum,

      • Komplexitäten verständlich zu machen, ohne zu simplifizieren; dies gilt nicht nur, aber insbesondere auch für Metaphern und Narrative zum Anthropozän;

      • unterschiedlichste Raum- und Zeitmaßstäbe zu verbinden, also die globalen Auswirkungen lokalen Handels zu kommunizieren, historische, heutige und zukünftige Abläufe zu verbinden, die Erdsystemskala mit kultureller, gesellschaftlicher und individueller Skala zu verknüpfen (und umgekehrt);

      • Kommunikation nicht (allein) als Wissenstransfer zu sehen, sondern vor allem als echten wechselseitigen Austausch zu begreifen. Dazu sind offene, reale, virtuelle und gedankliche Räume notwendig („Third Places“ sensu Oldenburg 1999);

      • emotionale Zugänge herzustellen, um der Komplexität der heutigen Wissensgesellschaft mit ihrer Mischung aus wissenschaftlichem Wissen, Erfahrungswissen und geglaubten Überzeugungen („beliefs“) gerecht zu werden. So erscheint es sinnvoll, von lebensweltlichen Themen auszugehen und diese weiter aufzufächern sowie mit geeigneten Visualisierungen zu arbeiten (siehe Abb. 8);

      • Rückwirkung auf das eigene Verständnis durch multimodale Kommunikation zu erreichen: Lernen durch Lehren.

      Vertiefungen und weiterführende Literatur zu den oben aufgeführten Punkten finden sich u.a. bei Leinfelder (2011ff, 2013a, 2016b, 2018, 2020a). Im Nachfolgenden wird daher nur kursorisch auf einige Beispiele eingegangen und werden weitere Vertiefungsquellen genannt.

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       Abbildung 8: Wissensgesellschaft und adäquate kommunikative Möglichkeiten durch multimodale Kommunikationsformen, mit Beispielen (aus Leinfelder 2018)

       3.2.1 Metaphern, Narrative

      Metaphern und Narrative haben ein großes Potenzial, über unerwartete Wege plötzliche Einblicke in bzw. Erkenntnisse zu komplexen Zusammenhängen zu erreichen und sich dieser Zusammenhänge bei Bedarf auch wieder erinnern zu können. Falsch angewandt haben aber Metaphern und Narrative auch das Potenzial zu großer Simplifizierung, wenn nicht gar zu populistischer Argumentation. So kommt es auch immer auf den geeigneten Kontext an. Der Verfasser dieses Artikels arbeitet in öffentlichen Vorträgen, Zeitungsartikeln, schulischen Kooperationen, aber auch in der universitären Lehre insbesondere zur interdisziplinären wissenschaftlichen