Felix Amhoff

Stoizismus heute


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      Stoizismus heute

      Was uns die stoische Philosophie lehrte und wie wir diese in unserem Alltag nutzen können. Resilienz trainieren, Gelassenheit lernen und innere Ruhe finden.

      Autor: Felix Amhoff

      Ist Glücklichsein nur eine Utopie?

      Das Thema Glücklichsein ist derzeit überall präsent. Verschiedenste Bücher und Coachings stehen Interessierten zur Verfügung, um das eigene Leben glücklicher zu gestalten. Jeder strebt im hektischen Alltag nach Ruhe, Entspannung und Glück. Sogar ein World Happiness Report wird jährlich vom Sustainable Development Solutions Network der Vereinten Nationen veröffentlicht (abrufbar unter: https://worldhappiness.report/). Somit werden sogar ganze Länder anhand des Glücklichseins ihrer Bevölkerung verglichen. Bhutan nutzt sogar das Bruttonationalglück als wesentlichen Entwicklungsindikator. Diese Allgegenwärtigkeit des Strebens nach Glück erhöht den Druck auf jeden Einzelnen von uns, seinen ganz persönlichen Glücksindex zu maximieren. Doch ist ein dauerhaftes und vollumfängliches Glücklichsein tatsächlich erreichbar für uns oder lediglich eine unerreichbare Utopie? Zahlreiche Philosophen sind der Auffassung, dass ein anhaltender Glückszustand durchaus möglich ist. In diesem Buch erfahren Sie, wie die Philosophie der Stoa diesen Zustand erzielt, obgleich das Leben für jeden von uns herbe Schicksalsschläge bereithält. Denn wir alle sind früher oder später mit Krankheit und Tod konfrontiert. Zu dem Zeitpunkt, zu dem dieses Buch geschrieben wurde, grassiert das Corona-Virus weltweit und führt noch immer zu zahlreichen Infizierten und Toten. Selbst wenn einen das Virus nicht unmittelbar infiziert, so trifft es doch einen jeden von uns durch die vielen Maßnahmen zur Bekämpfung dieser noch nie dagewesenen Pandemie. Auch die Menschen erleben derzeit eine noch nie dagewesene Situation, die immense Lebenseinschnitte für jeden bedeuten und eine wirtschaftliche und gesundheitliche Belastungsprobe für uns alle darstellt. Gerade in diesen unruhigen Zeiten wächst unsere Sehnsucht nach Erklärungen und wie wir das Beste daraus machen können oder wie wir sogar trotz dieser unglücklichen Umstände unser persönliches Glück finden können.

      Die Stoa kann uns dabei helfen, denn auch damals entwickelten sich die einzelnen philosophischen Ansätze der Stoa in turbulenten Zeiten, in denen sich die Menschen nach Glück sehnten. Denn die Stoa bietet uns neben vielen praktischen Weisheiten auch Antworten, um Schicksalsschläge zu erklären und sicherlich ist vielen der Begriff der „stoischen Ruhe“ bekannt. Diese stoische Ruhe und die Philosophie dahinter, werden in diesem Buch beleuchtet. In der heutigen Zeit ist jedoch oftmals nicht von der „stoischen Ruhe“ die Rede, vielmehr hört und liest man derzeit das Wort „Resilienz“ sehr oft. Hierbei handelt es sich jedoch um keine neue Entdeckung. Die philosophische Schule der Stoa lehrte diese Tugend bereits, allerdings wurde diese zum damaligen Zeitpunkt nicht als Resilienz bezeichnet. Dies zeigt, dass die Weisheiten der Stoa zeitlos sind. Sie bieten deshalb auch eine Stütze für das Leben des Menschen der Moderne. Im heutigen Sprachgebrauch ist von stoischen Tugenden unter anderem bei den Begriffen Gelassenheit, Affektlosigkeit, Seelenruhe und Standhaftigkeit die Rede. Das Symbol einer Steinmauer lässt sich wohl am besten mit diesen Tugenden assoziieren. Der Weg zum Glück führt somit über eine Steinmauer, die es gilt Stück für Stück aufzubauen. Diese bildliche Darstellung sollte indes nicht als „einmauern“ oder „abschotten“ und damit Abkapslung von anderen Menschen missverstanden werden.

      Geschichtliche Einordnung

      Nachdem Alexander der Große im Jahr 323 vor Christus in Babylon starb, hatte er dafür gesorgt, dass Griechenland zu einem Weltreich ausgedehnt wurde. Ägypten, Persien, Mesopotamien sowie Kleinasien hatte er in seinen Feldzügen erobert. Im Osten war er bis zum Indus vorgedrungen. Im gesamten Gebiet hatte Alexander der Große zahlreiche Städte gegründet, welche von Griechen besiedelt wurden. Das Weltreich bestand nach seinem Tod noch für drei Jahrhunderte weiter. Zu diesem Zeitpunkt war es in drei Großreiche sowie mehrere Kleinreiche geteilt. Diese historische Epoche ist seit dem 19. Jahrhundert als Hellenismus bekannt. Rund 30 Jahre vor Christus findet sie ihr Ende. Der Grund dafür ist, dass sich Ägypten zu diesem Zeitpunkt unter der Herrschaft Kleopatras befand. Ägypten war die letzte verbleibende griechische Provinz und wurde nun dem Römischen Reich einverleibt.

      In der Philosophie begann ebenfalls ein neues Zeitalter. Die philosophischen Debatten wurden nun nicht mehr ausschließlich von den Theorien Platons und Aristoteles beherrscht. Mehrere neue Schulen wurden geboren. Hierbei handelte es sich beispielsweise um die Kyniker, Stoiker, Epikureer sowie die Skeptiker. Allen vier Schulen ist gemein, dass der Mensch als ein freier und individuell eigenverantwortlicher Kosmopolit den richtigen Weg zur Eudaemonie („Glückseeligkeit“) wählen kann. Nur die Wege dorthin sind bei den vier Schulen unterschiedlich. So ist bei den Kynikern der Weg durch die innere und äußere Freiheit bestimmt, bei den Stoikern durch die Vorstellung des Einklangs des Lebens mit der Natur („Homología“), bei den Epikureern durch den Weg der Lustökonomie und schließlich bei den Skeptikern durch das Gebot der Enthaltung von jeglichem Urteil. Allen vier Schulen ist trotz dieser unterschiedlichen Wege die Vorstellung von Apatheia („Leidenschaftslosigkeit“) und Ataraxía („unerschütterliche Seelenruhe“) gemein.

      Die Forschung macht die Krise der griechischen Polis dafür verantwortlich, dass diese Schulen gerade zu dieser Zeit entstanden sind. Diese Krise wurde durch die Schlacht bei Charioneia, welche 338 vor Christus stattfand, ausgelöst. Nach dieser Schlacht wurde die Vorherrschaft der Makronen in Griechenland besiegelt. Autonome Städte, wie Athen, zählten nun zu einem Großreich. Dieses nahm rasant immense Ausmaße an. Ein Statusverlust der Polis war laut der älteren Forschung die Folge. Dieser Statusverlust in Kombination mit dem vermehrten Einfluss fremder Kulturen weckte das Bedürfnis nach einer ethischen Orientierung. Insbesondere die Epikureer sowie Stoiker reagierten darauf. So boten sie Angebote zur philosophischen Lebensführung.

      Laut der neueren Geschichtsforschung betont hingegen eher die Vitalität der Polis den Hellenismus. Während die außenpolitische Autonomie in Teilen gewahrt wurde, bestanden demokratische Institutionen weiter fort. Die Kultur erlebte ebenfalls einen weiteren Aufschwung. So ist es naheliegend, dass die allgemeine kulturelle Blüte die Entstehung von hellenistischen Philosophenschulen begünstigt hat.

      Die Kultur- und Wirtschaftszentren erster Güte haben sich an neuen Höfen gebildet. Diese spielten somit eine zentrale Rolle. In Alexandria entstand die größte Bibliothek der Welt, kurz nach der Gründung durch Alexander im Jahr 331 vor Christus. In Pergamon, welches das Reich der Attaliden bildete, entstand wenig später eine weitere bedeutende Bibliothek. Diese wurden errichtet, damit auch in neueren Gebieten das Hellenisieren vorangetrieben werden konnte.

      Alexandria wurde schnell zum Zentrum der Wissenschaft, da Gelehrte und Literaten von überallher heranzogen. Archimedes, Euclid sowie Aristarch schafften eine Glanzzeit in der Mathematik und der Astronomie. Für die Philosophie blieb diese Entwicklung ebenfalls nicht ohne Folgen. Im 4. Jahrhundert erfolgte dort eine Gründung der Rhetorikschulen von Isokrates und Alkidamas. Da die Naturforscher nach Alexandria abwanderten, grenzte die Philosophie in Athen ihren Fokus ein. Aristoteles beschäftigte sich noch mit Biologie, Mathematik und Astronomie. Die überwiegende Anzahl an hellenistischer Philosophen konzentrierte sich stärker auf andere Disziplinen. Ethik, Erkenntnistheorie, Logik, Naturphilosophie und Ontologie („Lehre vom Sein“) zählen noch heute zu den philosophischen Kernfächern. Bei Aristoteles oder Platon waren diese Themen viel weniger systematisiert als heute. Ein weiterer positiver Aspekt des Hellenismus war die öffentliche Wertschätzung der Intellektuellen. Diese wurden viel mehr respektiert als noch wenige Jahre zuvor. Rhetoren, Philosophen sowie Sophisten stand die Bevölkerung Athens sonst eher zwiespältig gegenüber. Manche Athener reagierten mit Ablehnung und Hass auf die Lehrangebote und Debatten. Andere hingegen waren begeistert. Ein bekanntes, aber tragisches Beispiel hierfür ist der Gerichtsprozess gegen Sokrates. Dieser fand im Jahr 339 vor Christus statt. Drei Bürger aus Athen hatten ihn angeklagt. Sie warfen ihm vor, die Jugend zu verderben, indem er neue Götter einführte. Sokrates wurde vom Volksgericht schuldig gesprochen. Schließlich erwartete ihn die Todesstrafe. Er sollte durch den Schierlingsbecher zu Tode kommen. Besonders gegen Intellektuelle wurden in Athen ähnliche Vorwürfe erhoben.

      Diese Feindseligkeit nahm im Hellenismus allerdings ab. Etwa um 307 vor Christus war der letzte Angriff auf einen Philosophen zu verzeichnen. Der Grund hierfür war