Felix Amhoff

Stoizismus heute


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Außerdem wurden einige Schulen vorübergehend geschlossen. Die Gründe für die Verabschiedung des Gesetzes waren vermutlich rein politischer Natur. Jedoch wurde die Philosophie nicht zurückgedrängt und das Gesetz trat verhältnismäßig schnell wieder außer Kraft. Platons Akademie und Aristoteles’ Lykeion waren die wohl bekanntesten Akademien dieser Zeit. Aber auch einige Bewegungen, welche sich auf Sokrates beriefen, zählten zu den aktiven Schulen. Tausende Schüler wurden von diesen Schulen angezogen. Dazu zählten aber nicht nur Menschen aus Athen. Ebenfalls reisten die Griechen auch aus anderen Gebieten an sowie Sklaven und auch Frauen. Etwa 300 vor Christus wurden drei neue Schulen gebildet. An den Stadtmauern von Athen kaufte Epiktet seinen Garten. Auf dem Marktplatz trafen sich die ersten Stoiker. Weiterhin etablierte sich rund 30 Jahre später der Skeptizismus in Platons Akademie. Die Philosophen, welche in Athen ansässig waren, tauschten sich regelmäßig und lebhaft miteinander aus. Die Epikureer, Stoiker und Skeptiker entwickelten zahlreiche ihrer Lehren in kritischen Diskussionen miteinander. Die Kritik, welche sie aneinander übten, wirkte sich positiv auf ihre Lehren aus. So diente diese, um die Argumente zu schärfen und die Positionen zuzuspitzen. Der überwiegende Teil der Schulen war bereits zu diesem Zeitpunkt mit Bibliotheken ausgestattet. Somit konnten sich die Philosophen ebenfalls mit den Gedanken ihrer Vorgänger auseinandersetzen. So war es nicht verwunderlich, dass diese Zeit hunderte Neuerscheinungen von Büchern hervorbrachte. Diese waren in der Stadt in Umlauf, gingen allerdings bis heute ausnahmslos verloren.

      Wirkgeschichte und Begründer

      Anfangs bezog sich der griechische Ausdruck Stoa auf ein öffentliches Gebäude auf der Agora, dem Marktplatz von Athen. Dies wird die „stoa poikile“ genannt und trägt die Bedeutung „bunte Säulenhalle“. Zenon von Kition, welcher von etwa 340 bis 260 vor Christus lebte, gilt als Begründer der stoischen Philosophie.

      Der Name der Stoa wurde mutmaßlich von ebendiesem öffentlichen Gebäude abgeleitet. In der Geschichte Europas bildet die philosophische Denkschule der Stoa eine bedeutende Säule. Allerdings ist zu beachten, dass die Stoa ihren Ursprung nicht in Europa hatte, wie angenommen und der Name „Stoa“ vermuten lässt. Richtig ist, dass Zenon von Kition die Stoa in Athen eingeführt hatte. Begründet wurde die stoische Philosophie mutmaßlich jedoch bereits 500 bis 800 Jahre vor Christus von dem indischen Philiosophen Kapila in der sog. Samkhya-Lehre. Zenon von Kition ist dann mit dieser Lehre in Berührung gekommen. Entweder über eigene Handelsfahrten nach Indien oder über das Werk „Über die Natur“ von Heraklit. In diesem Werk sind klar die stoischen Lehren zu erkennen, so schreibt Heraklit dort: „Das Denken ist der größte Vorzug, und die Weisheit besteht darin, die Wahrheit zu sagen und nach der Natur zu handeln, auf sie hinhörend.“. Und weiter: „Der Seele ist das Wort [Weltvernunft] eigen, das sich selbst mehrt. Allen Menschen ist es gegeben sich selbst zu erkennen und klug zu sein.“ (beide Zitate aus: Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. Vierte Auflage, 1. und 2. Band, Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1922). Diese geistige Einstellung findet sich ebenfalls in der Samkhya-Lehre. Der Mensch kann nur glücklich werden, wenn er seiner Natur gemäß lebt und auf seine Vernunft hört. Dies liegt allein an ihm. Erst, wenn der Mensch dies vollzieht, kann ihn auch Wissen und materieller Besitz glücklich machen.

      Die stoische Weltanschauung wirkte gewaltig auf die Menschen der (nach-)hellenistischen Epochen. Zahlreiche Fakten können dies belegen. Die Rationalität gilt als ein fundamentaler Hauptstützpfeiler der stoischen Philosophie. Dieser führte zu einem enormen Wiederaufleben des antiken Stoizismus in der Spätrenaissance. Das Resultat war der Neostoizismus. Dieser beeinflusste Immanuel Kant, René Descartes sowie Baruch de Spinoza. Diese Philosophen lehnten ihre Schriften und Theorien teilweise an die der Stoa an. Somit wirkten die stoischen Lehren weit über ihre historischen Grenzen hinaus. Zu dieser Zeit haben zahlreiche Menschen bereits die Religion als bedeutungslos empfunden, da sie ihnen keinen Trost mehr spenden konnte. Folglich fanden sie einen festen Halt in den stoischen Prinzipien. Eine innere Sicherheit gegenüber Mysterien und anderen Lasten des Lebens ging damit einher.

      Ein Fakt ist allein dafür verantwortlich, dass die stoische Lebenseinstellung auch heute noch an Attraktivität gewinnt. Die stoizistische Lehre konnte nämlich der Seele des Menschen innere Ruhe gegenüber den Schicksalsschlägen der Realität vermitteln. So vertrat der antike Philosoph sowie Anhänger der älteren Stoa Epiktet die Auffassung, dass nicht die Dinge selbst den Menschen beunruhigen, sondern einzig und allein die Vorstellung der Dinge. Der Tod ist beispielsweise nichts Schlimmes. Allein die Vorstellung, dass der Tod etwas Schlimmes sei, macht diesen erst dazu. Sofern ein Mensch unruhig, bedrängt oder traurig ist, sollte er die Ursache im Inneren und seinen Vorstellungen und nicht etwa im Außen suchen.

      Entwicklung des stoischen Systems

      Während der Stoizismus begründet wurde, entstand in etwa zeitgleich eine weitere, sehr zentrale Denkschule der Antike. Der griechische Philosoph Epikur, welcher von etwa 341 bis 270 vor Christus lebte, brachte diese Denkschule hervor. Mithin trägt sie den Namen Epikureismus. Mittlerweile lässt sich der Stoizismus nur schwer vom Epikureismus loslösen. Damit der Stoizismus richtig verstanden werden kann, ist es demnach zwingend notwendig, ihn mit dem Epikureismus direkt zu vergleichen. Der Grund dafür ist, dass beide Lehren einen konträren Gegensatz bilden. Die Weiterentwicklung der beiden Denkschulen bildet beispielsweise einen wesentlichen Unterschied. Der Epikureismus wurde im Zeitraum seiner gesamten Wirkweise wenigen Veränderungen unterzogen. Der Stoizismus hingegen erfuhr im Laufe der Zeit zahlreiche Abwandlungen. Die Theorien der ersten Stoiker sind mit den Theorien der letzten Stoiker in einigen Punkten kaum noch zu vergleichen. Klassischerweise werden genau deshalb drei Perioden unterschieden. Die erste Periode ist die der antiken Stoiker. Diese Periode ging von 300 bis 129 vor Christus und ihr gehören die Philosophen Zenon von Kition, Kleanthes sowie Chrysippos an. Die zweite Periode ist die der mittleren Stoiker. Sie betraf den Zeitraum 180 bis 51 vor Christus und wurde geprägt durch die Philosophen Panaitios und Poseidonios. Die letzte Periode war die der jüngeren Stoiker. Diese Periode dauerte von eins bis 180 nach Christus und ihr gehören die heute wohl bekanntesten Philosophen, wie Marc Aurel, Seneca und Epiktet an.

      Der Stoizismus sowie der Epikureismus waren sehr praxisorientiert. Diese Gemeinsamkeit teilen jegliche antiken Denkschulen. So haben alle antiken Denkschulen ein gemeinsames Ziel. Die Menschen, die ihr Leben nach diesen Schulen ausrichten, möchten weise leben. Folglich entsteht ihre Gegensätzlichkeit nicht durch das gemeinsame Ziel. Ursächlich hierfür ist die Methode, welche dazu dienen soll, das Ziel zu erfüllen. Die Menschen, welche den Epikureismus praktizieren, leben nach dem Lust-Prinzip. Dies bedeutet, dass diese Menschen Schmerzen vermeiden und Glück sowie Lust erlangen möchten. Man verzichtete auf augenblickliche Lust, um noch größere Lust zu erreichen (sogenannte Lustökonomie oder neudeutsch der Verzicht auf „instant gratification“). Lust meint die Abwesenheit von Schmerz, Mühe und Aufregung. Und nicht wie vielfach angenommen die reine Bedürfnisbefriedigung. In den Lehren der Stoa ist hingegen zwischen Schmerz und Lust keine klare Trennung zu verzeichnen. Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Gefühlen machen die Stoiker keinen Unterschied. Affektlosigkeit (Ataraxie, welches von dem griechischen Wort „ataraxía“ kommt und Unerschütterlichkeit heißt) sowie Pflicht bilden deren Lebensprinzip. Ziel ist die Leidenschaftslosigkeit („Apatheia“), besser bekannt als stoische Ruhe.

      Charakter der stoischen Philosophie

      Charakteristisch für die gesamte hellenistische Ära ist die Dreiteilung der Philosophie. Diese wird in Logik, Ethik und Physik unterteilt. Unter diesen drei Charakteren ist allerdings nicht dasselbe wie in der heutigen Zeit zu verstehen. Die Ethik steht in diesem System an oberster Stelle. Die Physik und Logik hingegen bilden Vorstufen. Sie lehren die Kunst des Schlussfolgerns sowie die Sprache. Weiterhin lehren sie Fakten über die Beschaffenheit des Kosmos. Jedoch ist nicht ersichtlich, wie der Aufbau des Philosophieunterrichts erfolgte und eine bestimmte Disziplin den Beginn bildete. Diverse Quellen belegen, dass die Logik an erster Stelle stand. Gefolgt wurde diese Disziplin von Physik an zweiter und Ethik an dritter Stelle. Jedoch belegen andere Quellen andere Reihenfolgen. So hat beispielsweise Chrysippos zuerst die Ethik und anschließend die Physik gelehrt. Poseidonios hingegen hat zuerst mit der Physik begonnen und mit der Logik fortgesetzt. Dass diese drei Disziplinen eine innere Einheit bilden,