Sophia.
»Die Entzündungsparameter seiner Leber sind alarmierend«, kam Danny Lydia mit der Antwort zuvor und nannte Sophia die entsprechenden Zahlen. »Ich habe versucht, ihn dazu zu bringen, eine Klinik aufzusuchen. Leider vergeblich. Er will bis Montag warten.«
»Das sieht ihm ähnlich. Immer den Starken spielen. Aber bei diesen Werten ist das absolut nicht angebracht«, sagte Lydia.
»Er hat vorhin am Telefon erwähnt, dass seine Frau Krankenschwester war. Ich habe ihn gebeten, das Laborergebnis mit ihr zu besprechen.«
»Ich denke, das wird er nicht tun. Wenn er einmal einen Entschluss gefasst hat, dann lässt er sich nicht reinreden«, erklärte ihm Lydia.
»Offensichtlich versteht er aber nicht genug von Medizin, um seine Lage richtig einschätzen zu können, sonst würde er die Untersuchung nicht hinauszögern«, stellte Sophia fest.
»Wie auch immer, wir können unsere Patienten nur informieren und Ihnen eine Behandlung vorschlagen. Wir können ihnen nicht vorschreiben, wie sie damit umzugehen haben. Was Herrn Eberholz betrifft, da hoffen wir einfach, dass es gutgeht. Und jetzt genug für diese Woche, genießen Sie Ihr Wochenende«, sagte Danny. Das, was sie in der Woche in der Praxis erlebten, sollten die beiden nicht mit ins Wochenende nehmen.
Ein paar Minuten später verabschiedeten sie sich voneinander, und er ging hinüber in seine Wohnung. Da er in der Nacht nicht besonders gut geschlafen hatte, aß er nur eine Kleinigkeit, schaltete das Radio im Wohnzimmer an und legte sich auf das Sofa. Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, bis er tief und fest schlief.
*
Als er aufwachte, war es bereits nach sechs. In genau einer Stunde musste er zum Training in der Halle der Bogenschützen sein. Er aß zwei von den Buletten, die Valentina für ihn zubereitet hatte und die im Kühlschrank lagen, zog danach Jeans und Poloshirt an und machte sich auf den Weg zur Halle. Schon beim Hineingehen hörte er das leise Zischen der Pfeile, die auf die Ziele zuschossen, gefolgt von dem Plopp, sobald sie in das Holz der Zielaufsteller eindrangen.
Er war nicht überrascht, Reinhold zu sehen, da Lydia ihn bereits darauf vorbereitet hatte. Er stand in der Tür zu seinem Büro und nickte ihm freundlich zu.
»Mir geht es gut«, sagte er.
»Haben Sie mit Ihrer Frau gesprochen?«, wollte Danny wissen.
»Nein, ich wollte Sie nicht beunruhigen. Ich werde am Sonntag mit ihr reden.«
»Sollte es Ihnen schlechter gehen, warten Sie bitte nicht bis Montag«, bat Danny ihn.
»Sicher, versprochen.«
»Daniel, kommst du zu uns!«, rief Thomas, der schon mit Paul und Thorsten an der Linie stand, an der sich die Schützen aufstellten.
»Gehen Sie nur, ich komme schon zurecht«, sagte Reinhold.
»Dann bis später«, verabschiedete sich Danny von ihm und ging zu seinem Team.
Die ersten Pfeile, die er an diesem Abend abschoss, waren weit von der Mitte des Ziels entfernt, erst sein vierter Versuch kam dem Ziel näher, und von Pfeil zu Pfeil wurde er wieder besser.
»Du bist wirklich gut«, lobte ihn Thomas.
»Fehlschüsse darf ich mir am Tag des Wettbewerbs aber nicht leisten.«
»Um das zu vermeiden, trainieren wir ja«, sagte Paul. »Danke, übrigens. Seitdem meine Frau bei dir war, ist sie viel zugänglicher. Sie hat mir gesagt, dass sie wieder Hoffnung hat. Wir reden mehr, und wenn sie müde ist, dann bleibt sie trotzdem bei mir auf dem Sofa. Ich denke, ich habe mich geirrt, sie will sich doch nicht von mir trennen.«
»Vielleicht solltet ihr einfach öfter miteinander reden. Wir sollten wissen, wie sich die Menschen wirklich fühlen, die wir lieben.«
»Ich werde mir in Zukunft mehr Mühe geben. Wo ist eigentlich Korbinian?«, wollte Paul wissen.
»Valentina hat Theaterkarten geschenkt bekommen. Die Vorstellung ist heute. Korbinian hat sie ins Theater begleitet«, erzählte Danny ihm, was er am Morgen von Valentina gehört hatte.
»Diese Ehe sollten wir uns alle als Vorbild nehmen«, sagte Thorsten.
»Die beiden sind immer noch glücklich, das konnten wir alle sehen, als sie vor ein paar Wochen ihre Silberhochzeit feierten«, stimmte Paul ihm zu. »Ich denke, wenn Mia und ich uns ein bisschen anstrengen, dann könnten wir das auch hinbekommen.«
»Meine Lucie und ich strengen uns auch an«, sagte Thorsten.
»Um so weit wie Valentina und Korbinian zu kommen, muss man sich die richtige Partnerin aussuchen«, erklärte Thomas nachdenklich.
»Was ist mit Lydia?«, fragte Danny.
»Mit ihr könnte ich mir eine solche Beziehung vorstellen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie sich das auch mit mir vorstellen kann.«
»Okay, Leute, wollen wir noch weiter trainieren oder gleich zum Reden ins Ritterstübel umziehen?«, fragte Thorsten.
»Reinhold ist gerade zusammengebrochen! Er braucht Hilfe!«, rief eine junge Frau, die zu einem gemischten Team gehörte, das sich in der Halle für den Wettbewerb vorbereitete. Sie kam aus Reinholds Büro gerannt und fuchtelte wild mit den Armen herum.
»Ich sehe nach ihm. Im Kofferraum steht meine Notfalltasche«, sagte Danny und drückte Thomas zuerst seinen Bogen und danach die Autoschlüssel in die Hand. Glücklicherweise war er heute mit dem Auto gekommen, und war auf einen Notfall vorbereitet. Vielleicht eine Eingebung seines Unterbewusstseins, weil er befürchtete, Reinhold könnte sich mit seinem Besuch in der Trainingshalle überschätzt haben.
Genauso war es wohl auch. Als er in das Büro des Vereinsvorsitzenden kam, lag Reinhold in gekrümmter Haltung und schweißüberströmt auf dem Boden. »Doktor Norden, Sie hatten wohl recht, ich hätte ins Krankenhaus gehen sollen«, flüsterte er mit schwacher Stimme.
»Leider führt jetzt kein Weg mehr daran vorbei.«
»Vielleicht ist es jetzt zu spät«, entgegnete Reinhold leise.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird alles gut, Herr Eberholz«, sprach Danny beruhigend auf Reinhold ein, nachdem er seinen Zeigefinger seitlich auf seinen Hals gelegt hatte, um den Puls zu fühlen. Mit Vorwürfen würde er jetzt nicht weiterkommen, das würde Reinholds Zustand nur verschlimmern. Zumal ihm inzwischen selbst klar war, dass er auf seinen Rat hätte hören sollen.
»Brauchen wir einen Krankenwagen?«, fragte Thomas, der mit Dannys Arzttasche zu ihnen kam.
»Ja, brauchen wir«, antwortete Danny.
»Ich kümmere mich darum.«
»Ruf bitte auch meine Frau an, Thomas«, bat Reinhold.
»Das habe ich schon getan«, sagte Thomas und verließ mit seinem Telefon in der Hand das Büro, um einen Krankenwagen anzufordern.
»Jetzt wird meine Marga wohl auf diese Weise erfahren, dass es mir schlechter geht, als ich ihr gegenüber zugegeben habe«, sagte Reinhold und stöhnte vor Schmerzen auf.
»Auch darüber sollten Sie sich keine Sorgen machen. Wir sehen jetzt alle gemeinsam nach vorn.« Danny hatte ihm inzwischen den Blutdruck gemessen und ihn abgehört. Alle Werte deuteten darauf hin, dass sich Reinholds Zustand weiter verschlechtert hatte. Aber das würde er ihm nicht sagen. Um eine Krankheit zu bekämpfen, brauchte ein Patient Hoffnung.
Noch vor dem Krankenwagen traf Marga Eberholz, Reinholds Frau, an der Halle ein. Die kleine schmale Frau hatte die Nachricht vom Zusammenbruch ihres Mannes wohl unter der Dusche erreicht. Ihr schulterlanges weißblondes Haar war nass, und sie trug einen roten Jogginganzug und weiße Flip-Flops.
»Was ist mit dir?«, wollte sie von Reinhold wissen. Sie ging neben ihrem Mann in die Hocke und legte ihre Hand liebevoll auf seine Stirn.
»Es ist wohl die Leber«, antwortete er leise.
»Wie schlimm ist es?«, wandte sie