wolltest du eigentlich, dass ich Sebastian kennenlerne?«, fragte Ophelia ihre Mutter.
»Weil er mir etwas bedeutet, und ich hoffe, dass wir ihn in Zukunft öfter sehen.«
»Warum ist er wieder in Deutschland?«
»Später«, sagte Olivia, als Sebastian in diesem Moment in Begleitung von Emilia und einer schönen jungen Frau mit langem dunklem Haar auf ihren Tisch zukam. Die Frau trug ein Sommerkleid in dem Grün zarter Birkenblätter, und als sie näherkam, sahen sie, dass ihre Augen von dem gleichen faszinierenden Grün waren.
»Hallo, ich bin Anna«, stellte sie sich mit einem herzlichen Lächeln vor, das sie Olivia, Ophelia und Danny gleich sympathisch machte.
Olivia und Daniel stellten sich ebenfalls mit ihren Vornamen vor und reichten ihr die Hand. Auch Ophelia war aufgestanden, um Anna und Emilia zu begrüßen.
Verwundert sah sie zu, wie herzlich sich ihre Mutter und Emilia umarmten. Die beiden schienen sich offensichtlich gut zu kennen.
»Was dagegen, wenn ich zu dir komme?«, fragte Emilia, als Ophelia sich wieder ans Wasser setzte.
»Kein Problem«, antwortete Ophelia.
»Kein Interesse an diesem Treffen?«, fragte Emilia, die erst die Beine ihrer roten Jeans bis zu den Knien hochgekrempelt hatte, bevor sie sich neben Ophelia setzte.
»Ich nehme es hin«, antwortete Ophelia.
»Wir sind aber echt super nett«, sagte Emilia.
»Okay«, entgegnete Ophelia und wandte sich Emilia zu. Ihr fiel sofort auf, dass das Mädchen die gleichen hellen grauen Augen wie ihr Vater hatte.
»Das nehme ich auch«, bat Emilia die Kellnerin, die Ophelia das Eis brachte.
»Kommt sofort«, entgegnete die Kellnerin freundlich.
»Dein Vater und deine Trainerin werden heiraten, hat meine Mutter erzählt. Was ist mit deiner Mutter?«, fragte Ophelia.
»Dort.« Emilia deutete an den Himmel.
»Tut mir leid, das wusste ich nicht. War sie krank?«
»Nein, sie hatte einen Autounfall. Das ist jetzt fast drei Jahre her, aber es tut immer noch weh«, gestand Emilia ihr.
»Mein Vater ist nur mit einer anderen Frau verheiratet.«
»Ich weiß, deine Mutter hat es mir erzählt, als sie bei uns war. Meinem Vater ging es damals nicht gut, deine Mutter hat ihm sehr geholfen, und auch mir haben die Gespräche mit ihr echt gutgetan. Sie ist nicht nur eine gute Psychologin, sie war uns auch eine gute Freundin. Sei glücklich, dass du sie hast.«
»Das bin ich. Wie fühlt es sich an, dass dein Vater jetzt eine andere Frau hat?«
»Es ist gut so, wie es ist. Ich mag Anna. Sie versucht nicht, mir die Mutter zu ersetzen, aber sie ist für mich da, wann immer ich sie brauche. Sie macht meinen Vater glücklich, und das ist gut für uns alle.«
»Wie kommst du damit klar, dass deine Eltern nicht zusammen sind?«
»Ich habe mich daran gewöhnt, und ich kann auch nichts gegen die Frau meines Vaters sagen. Wir verstehen uns ziemlich gut.«
»Und was ist mit Daniel?«
»Das ist noch in der Schwebe.«
»Hältst du ihn für den richtigen für deine Mutter?«
»Ja, unbedingt.«
»Weil du ihn gut leiden kannst.«
»Richtig.«
»Wenn du ihn magst, stehen die Chancen gut, dass aus ihnen etwas wird.«
»Es wäre schön. Spielst du schon lange Fußball?«, wollte Ophelia wissen, nachdem die Kellnerin das Eis für Emilia und den Kaffee für Anna und Sebastian gebracht hatte.
»Schon seit meinem sechsten Lebensjahr«, sagte Emilia und erzählte ihr von ihrem Verein in Toronto und ihren Freundinnen dort, die sie vermisste.
Die Erwachsenen hinter ihnen am Tisch hatten inzwischen beschlossen, sich zu duzen. Nachdem sie ein paar Minuten über Olivias Zeit in Toronto gesprochen hatten, erhielt Danny einen Anruf von der Uniklinik, dass sich Reinholds Zustand verschlechtert hatte und eine Leberspende unumgänglich war. Sie hatten bereits mit Marga gesprochen und sie nach nahen Verwandten gefragt, die für eine Teilspende infrage kamen.
»Gibt es denn jemanden?«, wollte Danny von dem Arzt wissen, der ihn angerufen hatte.
»Es gibt einen Bruder und eine Schwester. Sie wird sie bitten, sich testen zu lassen.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden, Herr Kollege.«
»Selbstverständlich«, versicherte ihm der Klinikarzt.
»Manchmal müssen wir einfach akzeptieren, dass wir selbst für unsere Patienten nichts mehr tun können«, sagte Sebastian, nachdem Danny das Gespräch beendet hatte und nachdenklich einen Schluck von seinem Kaffee trank.
»Ja, leider ist das so. Aber was ist, wenn wir noch etwas tun könnten, uns aber die Hände gebunden sind, weil wir uns nicht über die Wünsche unserer Patienten hinwegsetzen können?«
»Wenn der Druck stark genug ist, springen Menschen auch gern mal über ihren Schatten«, sagte Sebastian.
»Es ist aber nicht leicht, Druck aufzubauen, ohne das Vertrauen der Patienten zu verlieren.«
»Ich weiß. Bei uns in Bergmoosbach funktioniert das allerdings recht gut. Die Einheimischen sind wie eine große Familie, lieben und streiten sich, gehen sich aus dem Weg und lästern übereinander. Sobald es aber jemandem schlecht geht, körperlich oder psychisch, sind sie füreinander da.«
»Als ich vor einigen Jahren von München nach Bergmoosbach zog, um dort die Hebammenpraxis zu übernehmen, hatte ich allerdings zunächst Schwierigkeiten mit diesem sozialen Gefüge zurechtzukommen. Ich fühlte mich ständig beobachtet, es war beinahe so, als wüssten die anderen schon vor mir, was ich als nächstes tun würde«, erzählte Anna.
»Keine angenehme Vorstellung«, stellte Olivia fest.
»Nein, das war nicht angenehm. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, weil die Vorteile einer solchen Gemeinschaft überwiegen. Die Leute passen aufeinander auf, niemand ist allein.«
»In unserem Stadtteil geht es auch noch ein bisschen dörflich zu. Zumindest, was den Tratsch betrifft«, erzählte Olivia. »Und Tratsch ist wichtig, der stärkt den Zusammenhalt einer Gemeinschaft, was inzwischen durch Studien bewiesen wurde.«
»Dann sind wir in Bergmoosbach ganz vorn dabei«, stellte Anna amüsiert fest.
»Mein Problem würde sich auf diese Weise vermutlich nicht lösen. Es geht in diesem Fall um einen Vater, der seit Jahren den Kontakt mit seinem Sohn meidet, weil er beruflich nicht in seine Fußstapfen getreten ist«, sagte Danny.
»Der Sohn verweigert die Spende?«, fragte Sebastian.
»Ich denke, er weiß gar nicht, dass sein Vater krank ist. Die Mutter, die noch Kontakt mit ihm hat, hat in der Klinik nur von einem Bruder und einer Schwester ihres Mannes gesprochen. Ich habe keine Ahnung, was sie tun wird, sollten die beiden nicht als Spender infrage kommen.«
»Wie gut kennst du die Familie?«, fragte Sebastian.
»Eigentlich gar nicht. Der Patient, der die Leberspende benötigt, war erst einmal in meiner Praxis. Ich bin ihm vor Kurzem zufällig begegnet.«
»Weil er einem anderen Patienten einen Wunsch erfüllt hat«, sagte Olivia und erzählte Anna und Sebastian von Dannys Einsatz für den Schützenverein.
»Das klingt nach einer Nachbarschaft, die zusammenhält, ganz wie bei uns«, stellte Anna lächelnd fest.
»Ich würde noch einmal mit seiner Frau sprechen, sollte das mit den Geschwistern nicht funktionieren«, schlug Sebastian vor.
»Das