Carmen von Lindenau

Die neue Praxis Dr. Norden Box 2 – Arztserie


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um Reinhold Eberholz erst einmal beiseite, um ganz für die Patienten da zu sein, die an diesem Nachmittag zu ihm kamen. Am Ende der Sprechstunde, nachdem alle Patienten die Praxis verlassen hatten, rief Danny in der Klinik an, um sich nach Reinhold zu erkundigen. Von Reinholds behandelndem Arzt erfuhr er, dass Severin inzwischen in der Klinik war und als Spender infrage kam. Die Transplantation sollte schon am nächsten Tag stattfinden. Kaum hatte er aufgelegt, rief Marga an, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen.

      »Ich hoffe, dass alles gut geht«, sagte sie. Danny konnte an dem Vibrieren in ihrer Stimme hören, dass sie mit den Tränen kämpfte. Er konnte sich vorstellen, was gerade in ihr vor sich ging. Einerseits war sie glücklich darüber, dass es Hoffnung für Reinhold gab, andererseits machte ihr die Operation, die nun auch Severin bevorstand, große Sorgen.

      »Für die Klinik ist das keine außergewöhnliche Operation. Die Ärzte sind mit diesen Eingriffen bestens vertraut, und Ihr Sohn ist jung und stark, es wird alles gut gehen«, machte er ihr Mut.

      »Das will ich ja auch gern glauben, aber ich bin fürchterlich nervös«, gestand ihm Marga.

      »Falls es zu schlimm wird, nehmen Sie ein pflanzliches Beruhigungsmittel. Sie müssen nach der Operation für Ihren Mann da sein, und Ihren Sohn wollen Sie sicher auch besuchen. Sie sollten Ruhe ausstrahlen.«

      »Ich werde mir Mühe geben«, versprach sie ihm.

      »Dann alles Gute für morgen, wir hören voneinander«, sagte Danny.

      Als er sein Sprechzimmer kurz danach verließ, ging er in die Küche, um sich von Sophia und Lydia zu verabschieden, die nach Ende der Sprechstunde immer noch ein paar Minuten dort zusammen standen. Lydia beendete gerade das Telefongespräch, das sie mit Thomas geführt hatte.

      »Jetzt wird es ernst für Severin«, sagte sie.

      »Ich weiß, ich habe gerade mit der Klinik und Frau Eberholz telefoniert«, ließ Danny sie wissen, dass auch er inzwischen auf dem neuesten Stand war.

      »Familie ist eben doch etwas ganz Besonderes. Obwohl sein Vater sich ihm gegenüber so mies benommen hat, will er ihm das Leben retten«, stellte Sophia nachdenklich fest.

      »Und er soll es nicht einmal erfahren, das nenne ich Größe«, entgegnete Lydia.

      »Hoffen wir, dass es gut geht.«

      »Es spricht alles dafür«, beruhigte Danny Sophia. »Ich muss los. Ich bin heute wieder zum Training der Bogenschützen verabredet«, sagte er.

      »Thomas meinte, dass Sie mit Ihnen sogar die Chance auf einen der ersten Plätze haben«, verriet Lydia ihm, die Einschätzung ihres Freundes.

      »Wir werden sehen. Viel Zeit zum Üben bleibt nicht mehr. Bis morgen«, verabschiedete sich Danny und ließ die beiden allein.

      »Der Mann hat viele Talente«, stellte Sophia fest, nachdem Danny gegangen war.

      »Und viele Interessen, und das macht ihn erst zu einem wirklich guten Arzt.«

      »Weil er sich auch in andere Menschen hineindenken kann, was ihm hilft, ihre Probleme zu verstehen.«

      »Genau das meine ich«, sagte Lydia.

      *

      Die Neuigkeit, dass Severin sich entschlossen hatte, das Leben seines Vaters zu retten, hatte sich schon unter den Bogenschützen herumgesprochen, als Danny gegen sieben zum Training in die Sporthalle kam. Einige waren der Meinung, dass es das Gespräch mit ihm war, das Severin die Entscheidung leichter gemacht hatte. Auch Paul und Thorsten hatten sich dieser Meinung angeschlossen. Seinen Einwand, dass es ganz allein Severins Entschluss war, überhörten sie, und Danny diskutierte nicht weiter darüber. Er wusste, dass Severin sich nicht von ihm hatte beeinflussen lassen.

      Nach dem Training gingen sie wieder alle auf ein Bier ins Ritterstübel und an diesem Abend gab es nur ein Thema: Reinholds Verhältnis zu seinem Sohn. Für die Männer, die zu seinem Team gehörten, bestand kein Zweifel daran, dass Reinhold im Unrecht war, und dass es an ihm wäre, sich bei seinem Sohn zu entschuldigen. Ob das Verhältnis zu Severin aber jemals wieder zu kitten wäre, daran zweifelten sie allerdings.

      An diesem Abend war Danny wieder einmal zu Fuß unterwegs. Als er kurz nach zehn am Grundstück der Mais vorbeikam, saßen Olivia und Ottilie auf der Terrasse. Er winkte ihnen freundlich zu, und Olivia bat ihn, auf ein Glas Wein zu ihnen zu kommen, worauf er sich auch sofort einließ. Er hatte sie einen Tag lang nicht gesehen, und er hatte sie vermisst, das war eine Tatsache, der er nicht mehr ausweichen konnte.

      Die überdachte Terrasse der Mais war ein romantischer Ort. Duftende Rosenbüsche grenzten an die halbhohe Mauer, die mit gelben Rosen in weißen bauchigen Blumenschalen dekoriert war. Die Tür aus massivem Holz, die direkt in die Küche führte, war genau wie die Fensterläden des Hauses in einem leuchtenden Türkis gestrichen. Olivia und ihre Mutter Ottilie, eine attraktive Frau mit ebenso hellrotem Haar wie ihre Tochter, saßen sich an dem Tisch aus heller Kiefer gegenüber. Der Tisch wurde von dem Schein einer Kerze beleuchtet, die in einem hohen Glas stand.

      »Wie war das Training?«, fragte Olivia, nachdem er seine Sporttasche abgestellt und sie begrüßt hatte.

      »Ich werde Korbinians Leistung sicher nicht erreichen, aber ich denke, ich kann das Team schon unterstützen.«

      »Davon bin ich überzeugt«, sagte Olivia.

      »Ich auch«, stimmte Ottilie ihrer Tochter zu und reichte Danny ein Glas Rotwein.

      »Danke, für Ihr Vertrauen.«

      »Ich bin absolut sicher, dass Sie sich niemals auf diese Sache eingelassen hätten, wenn Sie nicht davon überzeugt wären, diesem Team helfen zu können.«

      »Das wäre auch unfair gewesen.«

      »Stimmt, das wäre unfair gewesen«, sagte Olivia lächelnd. »Aber leider ist das Leben nicht immer fair, was mich zu der Frage bringt, wie es Reinhold Eberholz geht.«

      »Sein Sohn stellt sich als Spender zur Verfügung. Sie werden morgen operiert. Aber das muss unter uns bleiben. Severin will nicht, dass sein Vater erfährt, dass er der Spender ist.« Er wusste, dass er den beiden vertrauen konnte, zumal sie als Psychologinnen, genau wie er, an die Schweigepflicht gebunden waren.

      »Nachdem, was ich gehört habe, ist das eine große Geste des jungen Mannes«, sagte Ottilie.

      »Du kennst die Familienverhältnisse?«, wunderte sich Olivia.

      »Marga Eberholz kommt hin und wieder zu mir. Diese kleine zierliche Frau, die du als die Frau mit den traurigen Augen bezeichnet hast.«

      »Jetzt verstehe ich, warum sie traurige Augen hat.«

      »Zumindest hat sie den Kontakt mit ihrem Sohn nicht aufgegeben. Sie geht auch davon aus, dass ihr Mann weiß, dass sie ihren Sohn trifft. Dass er es nie anspricht, interpretiert sie als stillschweigende Zustimmung.«

      »Vielleicht ändert er seine Einstellung, was seinen Sohn betrifft, wenn er noch einmal mit dem Leben davonkommt. Manchmal verändert ein derart einschneidendes Erlebnis einen Menschen.«

      »Es wäre der Familie zu wünschen«, sagte Danny.

      »Dann hoffen wir mal das Beste. Aber nun etwas anderes, ich habe gehört, Sie haben sich am Sonntag tapfer ins Wasser gestürzt, um eine Frau zu retten«, sprach Ottilie ihn auf sein Erlebnis am See an.

      »Die Rettung war nicht allein mein Verdienst.«

      »Ich weiß, aber das macht es nicht weniger mutig«, sagte sie.

      »Hatte ich dir schon gesagt, dass ich morgen für zwei Tage nach Heilbronn fahre?«, wandte sich Olivia an Danny.

      »Nein, das hast du noch nicht erwähnt.«

      »Ein Softwareunternehmen hat mich gebeten, einige Vorträge über Psychologie im Alltag zu halten. Am Samstag zum Wettbewerb der Bogenschützen werde ich aber wieder zurück sein.«

      »Ich verlasse mich darauf«, antwortete Danny lächelnd.

      »Ich