Moses Mendelssohn

Ausgewählte philosophische Werke von Moses Mendelssohn


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Bestimmungen abändern, nur Modifikationen mit einander abwechselnd machen, niemals aber Grundeigenschaften und für sich bestehende Thätigkeiten der Dinge in Nichts verwandeln; daher kann die Kraft zu denken und zu wollen, oder können die Kräfte zu denken und zu wollen, niemals durch natürliche Veränderungen vernichtet werden, wenn sie auch noch so viel von ihnen verschiedene Kräfte zurücklassen. Eine wunderthätige Allmacht gehört dazu, ein solches Vermögen hervorzubringen, oder zu zernichten.

      Allein wozu alle diese stachelichten Untersuchungen in einem sokratischen Gespräche? Sind sie nicht für die einfältige Manier des atheniensischen Weltweisen viel zu spitzfündig?

      Ich antworte: man scheinet zu vergessen, daß ich dem Plato, und nicht dem Xenophon nachahme. Dieser letztere vermied alle Spitzfündigkeiten der Dialektik, und lies seinen Lehrer und Freund dem gesunden ungekünstelten Menschenverstande folgen. In sittlichen Materien ist diese Methode unverbesserlich; allein in metaphysischen Untersuchungen führet sie nicht weit genug. Plato, der der Metaphysik hold war, machte seinen Lehrer zum pythagorischen Weltweisen, und lies ihn in den dunkelsten Geheimnissen dieser Schule eingeweihet seyn. Wenn Xenophon auf ein Labyrinth stößt; so läßt er den Weisen lieber schüchtern ausweichen, als sich in Gefahr begeben. Plato hingegen führet ihn durch alle Krümmungen und Irrgänge der Dialektik, und läßt ihn in Untersuchungen sich vertiefen, die weit über die Sphäre des gemeinen Menschenverstandes sind. Es kann seyn, daß Xenophon dem Sinne des Weltweisen, der die Philosophie von dem Himmel herunter geholt, treuer geblieben ist. Ich mußte nichts destoweniger der Methode des Plato folgen, weit diese Materie, meines Erachtens, keine andere Behandlung leidet, und ich lieber subtil seyn, als von der Strenge des Beweises etwas vergeben wollte. Die Sophisterey hat sich in unsern Tagen unter gar verschiedenen Gestalten gezeigt. Bald mit Spitzfündigkeiten gewafnet, bald unter der Larve der gesunden Vernunft, bald als Freundin der Religion, jetzt mit der Dreistigkeit eines vielwissenden Thrasymachus, dann wieder mit der unschuldigen Laune eines nichtswissenden Sokrates. Mit allen diesen Proteuskünsten hat sie gesucht, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ungewiß zu machen, und die Gründe jetzt zu verspotten, jetzt im Ernste zu widerlegen. Wie sollen die Freunde dieser Wahrheit sie vertheidigen? Durch sokratische Unwissenheit kann man den Dogmatiker rasend machen, aber nichts festsetzen. Durch Gegenspott wird niemand überzeugt. Ihnen bleibt also kein anderer Weg, als die Gaukeleyen der Zweifelsüchtigen für das zu halten, was sie sind, und nach Vermögen zu beweisen.

      Den Beweis, daß die Materie nicht denken könne, im zweiten Gespräche, haben folgende Betrachtungen veranlasset. Cartesius hat gezeigt, daß Ausdehnung und Vorstellung von ganz verschiedener Natur sind, und daß die Eigenschaften des denkenden Wesens sich nicht durch Ausdehnung und Bewegung erklären lassen. Ihm war dieses Beweises genug, daß sie nicht eben derselben Substanz zugeschrieben werden können, denn nach einem bekannten Grundsatze dieses Weltweisen kann eine Eigenschaft, die sich nicht durch die Idee einer Sache deutlich begreifen läßt, dieser Sache nicht zukommen. Allein dieser Grundsatz selbst hat vielfältigen Widerspruch gefunden, und was die Eigenschaften des ausgedehnten und denkenden Wesens betrifft; so hat man den Beweis gefordert, daß sie nicht nur von disparater Natur sind, sondern sich einander widersprechen. Von Eigenschaften, die sich einander schnurstraks widersprechen, sind wir versichert, daß sie nicht eben dem Subjekte zukommen können; allein von Eigenschaften, die nichts mit einander gemein haben, schien dieses so ausgemacht noch nicht.

      Als ich die Immaterialität zu erweisen hatte, stieß ich auf diese Schwierigkeit, und ob ich gleich der Meynung bin, daß der Grundsatz des Cartesius, dessen ich vorhin erwähnt, gar wohl ausser Zweifel gesetzt werden könnte: so sahe ich mich dennoch nach einer Beweisart um, die mit weniger Schwierigkeit nach der sokratischen Methode abgehandelt werden könnte. Ein Beweis des Plotinus, den einige Neuere weiter ausgeführt haben, schien mir diese Bequemlichkeit zu versprechen.

      In der Folge wiederholet Plotinus denselben Schluß, mit einiger Veränderung: »Ist die Seele körperlich, wie stehet es um die Theile dieses denkenden Körpers? Sind sie auch Seelen? Und die Theile dieser Theile? Gehet dieses anders immer so fort; so siehet man ja, daß die Größe zum Wesen der Seele nichts beyträgt, welches doch geschehen müßte, wenn die Seele eine körperliche Größe hätte. In unserm Fall