dieser Bestimmung kulturhistorisch für uns schlechthin nichts anzufangen, während umgekehrt das, doch wohl einer weit später redigierten Partie des Pentateuch angehörige, sog. »Jubeljahr« als in erster Linie Befristung des antichretischen Pfandbesitzes (der überall eine der alten Formen faktischer – notgedrungener – Veräußerung des Bodens darstellt) durch Bestimmung einer Maximalzeit, nach welcher die Schuld als aus den Einkünften des Bodens getilgt gilt, ökonomisch sehr viel eher erklärlich wäre, aber notorisch »graue Theorie« blieb. – Sieht man von diesem wissenschaftlich »unverdaulichen« Bestandteil ab, so tragen alle übrigen Bestimmungen, wie man sieht, in ihrem Grundprinzip einen ganz ähnlichen Charakter, wie viele der zur Ausgleichung der Ständekämpfe im Okzident gegebenen Gesetzgebungen. Man könnte, wenn man sie rein an sich betrachtete, glauben, sie seien ebenso wie diese zum Ausgleich der Folgen der Schuldverknechtung der Bauern durch städtische »Geschlechter« erlassen, – und mit der nötigen Dosis Phantasie ließe sich dann der kanaanäische städtische Adel (der z.B. in Sichem so lange erhalten blieb) als Patriziat, die Israeliten als die aufständige, von Kaplänen organisierte Plebs deuten, die im »Gesetz« ihre magna charta erzwingt. Indes davon kann nicht ernstlich die Rede sein. Eher ließe sich annehmen, daß das »Gesetz« – neben seinem rein religiösen Zweck – eine Entwicklung zur Knechtung der Bauern durch Geschlechter, wie sie in den vor Augen liegenden Städten der Küste eingetreten war, verhindern, die alte Gemeinfreiheit erhalten wollte. Diese Annahme wäre jedenfalls weniger phantastisch, als manche andere neuerdings vorgetragene Hypothese, aber freilich auch nicht sicher. Daß bei den Kämpfen in der sog. Richterzeit die Israeliten Fußkämpfer waren, ihre Gegner Reiter und wagenkämpfende Stadtkönige, geht aus dem ältesten literarischen Dokumente: dem Deboraliede (Jud. 5), evident hervor. Ebenso daß sie ihren Sieg als einen Triumph der Gemeinfreien über die »Großen« betrachteten (welche von ihrer Unterwerfung für sich Korntribute und »bunte gestickte Kleider« erhofft hatten), etwa wie die Schweizer ihre Kämpfe gegen die Ritterschaft. Wie lange nun diese Gemeinfreiheit eine »bäuerliche« genannt werden durfte, ist quellenmäßig recht fraglich. Das Deboralied kennt auch auf israelitischer Seite eine (in den Kampf gegen Sisera nicht ausgezogene und deshalb im Liede verfluchte) Stadt und ihre »Bürger«. Wie freilich diese und andere israelitische »Städte« der damaligen Zeit beschaffen waren, ist nicht ersichtlich. In der Tradition über die Richterzeit finden sich Geschlechter, welche zahlreiche (30) »Dörfer« »besitzen«, ferner stadtsässiger kanaanitischer, aber mit Israeliten verschwägerter Adel (in Sichem), und die ganze Richterzeit überhaupt ist eine Kette von abwechselnden Usurpationen einiger an Zahl und Besitz, auch Sklavenbesitz, starker adeliger Sippen, welche ihre Kolonen ausrüsten und an ihrer Spitze die Führung in den fortgesetzten Fehden gegen die Philisterstädte und die Wüstenstämme übernahmen, – ein Zustand, der freilich, nach anderen Analogien, vor einem »Synoikismos« zu liegen pflegt, aber doch schon starke Differenzierung aufweist.
Der Freiheitskampf gegen die Philister schuf dann das Königtum. Sauls Aufgebot ist zunächst ein nationales. Aber das Volkskönigtum wandelte sich rasch. Den Philistern gegenüber, deren Helden »Kriegsleute von Jugend auf« (Goliath, 1. Sam. 17, 37) sind, wird in der Legende noch bei Davids Zweikampf der Heldenmut ungeübter Bauern, mit denen Jahwe ist, gerühmt, – schwerlich ohne Tendenz. Denn die weiteren Angaben zeigen, daß die Entwicklung fester Kadres mit königlichen Offizieren und einem Stamm waffengeübter, dauernd unterhaltener »Knechte« des Königs, unvermeidlich war. Die schematische Zwölfstämmegliederung diente dem Zweck der Umlegung der Naturallasten für Königtum und Heer nach Mo natsschichten; mochte sie möglichst an alte Gauverbände anknüpfen, so war sie selbst doch künstliche Phylen-Einteilung gleichen Sinnes, wie die der hellenischen Kriegerstaaten es ist. Schon unter David und erst recht unter Salomo begann das Königtum die Züge des orientalischen Fronstaates anzunehmen: Eine befestigte Hauptstadt, Aufspeicherung eines »Hortes«, einer stammfremden Leibgarde neben dem Heerbann, Bauten, zu denen die Werkmeister importiert, das Material aber durch Aufgebot zu Fronden herbeigeschafft wird. Die Stadtherrschaft und der Kampf mit Kriegswagen dringen nun auch in Israel ein, wie die biblischen sowohl wie die assyrischen Angaben (über Ahab) zeigen. Immerhin bleibt doch das nationale Heer in seiner Bedeutung bestehen: die Nachrichten aus der Königszeit zeigen, daß es auf Selbstausrüstung und auf dazu ausreichendem Grundbesitz ruht. Die Angaben über den Tribut Menahems und seine Umlegung auf die »Reichen« (= adsidui im römischen Sinne) zeigt eine bedeutende Zahl (60000?) wehrfähiger und -pflichtiger Haushalte. Ahab stellte nach assyrischen Quellen, 2000 Wagen und 10000 Mann ins Feld. Ob die (1. Sam. 8) von Samuel den Israeliten angedrohte Belehnung der königlichen Kriegsmannen mit Land auf Kosten der Israeliten wenigstens für die Wagenkämpfer des Königs stattgefunden hat oder nur ein von den ägyptischen und den Verhältnissen der Stadtstaaten entnommenes Schreckbild gegen die Königsmacht ist, – letzteres scheint wahrscheinlicher, – ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls ergibt die Geschichte der Folgezeit, daß die Konsequenz der militärischen Organisation auch hier die Herrschaft der ökonomisch zur Selbstausrüstung und Waffenübung fähigen »Geschlechter« war, wie sie die nun auftauchende Sorge um Blutsreinheit und Abstammung, das entstehende Interesse für die Heroengeschichte, die Erzväterlegenden und vor allem (s.u.) das Deuteronomium in zahlreichen Bestimmungen erkennen lassen. Wer nicht zu den waffenfähigen Geschlechtern zählt, deren Bestand katastriert ist, also mindestens alle Grundbesitzlosen, gelten rechtlich als Metöken. Auch die im »Reiche Israel« immer wiederkehrende Verfügung des Heeres über die Königskrone entspricht dieser Lage. Sie war auch Grund des »Zerfalls« des alten Gesamtstaates: die beginnende Konzentrierung der Königsmacht und des Kultus in der »Polis« Jerusalem schuf den im ganzen Orient wohlbekannten, mit fast jeder Staatsbildung sich entwickelnden Gegensatz zwischen den alten Militär- und den Priestergeschlechtern der neuen Zentralstadt: Erstere sind natürliche Interessenten der alten Lokalkulte auf ihren heimatlichen Höhen und zugleich der Unterwerfung des Königtums unter das Heer. Letztere bieten dem Königtum die »Legitimität« und damit unter anderem den Anspruch auf autoritäre Verfügung über die Arbeitskraft der »Untertanen«, um es ihrerseits zu beherrschen, und streben nach Ausrottung der Lokalkulte. Die Gegensätze führten schon unmittelbar nach Salomo, der – de facto ägyptischer Vasall wie sein Sohn – offenbar zuerst die Untertanenrobot rücksichtslos nach ägyptischer Art ausgenutzt hatte, zum Bruch. Nach dem »Abfall« der alten israelitischen Kernstämme (welche die Entwicklung zum Fronstaat ablehnten) konzentrierte sich der nunmehr »jüdische« Staat als eigentliches Stadtkönigtum endgültig in Jerusalem, zeitweise von Aegypten abhängig, später Assyrien tributär, offenbar dabei zunehmend den Charakter des bureaukratischen Stadtstaates annehmend. Die sinkende internationale Macht des Königtums und die unter der Angst vor den barbarischen Raubkriegen der mesopotamischen Staaten wachsenden Macht der religiösen Stimmungen ermöglichten es dann der städtischen Priesterschaft in Jerusalem, unter König Josia im Jahre 622 die Herrschaft im Staat zu gewinnen und das »Gesetz Mose«, d.h. das Deuteronomium, zu oktroyieren. Der König wird in »Juda« ein »legitimer« Herrscher, d.h. er muß als Davidide gelten. Dafür aber wird ihm der Besitz eines »Hortes« und berittenen Gefolges verboten, auch seine Legitimität an die Befragung des Losorakels durch die jerusalemitische Priesterschaft geknüpft. Das Monopol des dortigen Tempels als Kultstätte wird festgelegt, die Landpriesterschaft »zur Ruhe gesetzt« und allmählich zur Dienerschaft der Stadtpriestergeschlechter deklassiert. Zugleich mit dieser gewaltigen politischen Machtverschiebung wurden nun die staatlichen und sozialen Verhältnisse neu geordnet. Diese Neuordnung zeigt, daß gegenüber der Zeit des alten Gesetzes eine weitgehende Aenderung der Zustände eingetreten war. Sie setzt, da die Zehnten – wegen der weiten Entfernung zur Tempelstadt – in Geld ablösbar sein mußten, weitgehende Geldwirtschaft voraus, und die Deklassierung der Lokalpriester zugunsten des Zentraltempels führte zur Schaffung weltlicher Richter in den Landorten: das Interesse der Tempelpriesterschaft kam also dem Interesse der Bauern entgegen und lief auch hierin dem der lokalen ländlichen Geschlechter entgegen: eine im Orient sicher oft typische Situation. Das gab – wie wahrscheinlich überall im Orient – den Anstoß zur Entstehung von Anfängen einer rechtsprechenden Bureaukratie: Bureaukratisierung und Theokratisierung gehen Hand in Hand, hier, wie (augenscheinlich) schon in den seinerzeit erwähnten Verwaltungsordnungen der Sumererkönige. Die »armenpolitische« Anlegung von lokalen Getreidemagazinen, in welche jede dritte Jahresrate des Zehnten deponiert werden soll, entspricht gleichfalls dem Typus des orientalischen theokratisch-bureaukrati