Max Weber

Gesammelte Beiträge von Max Weber


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vielleicht auch die Vermeidung der Erwähnung der Preishöhe bei Grundstücksübertragung noch in spätester Zeit: Revillout kann recht wohl insoweit recht haben, daß auch darin die prinzipielle Ansicht sich auswirkt, daß das Recht am Boden, weil an der Pflicht klebend, kein Tauschgut sei, sondern nur im Wege des intrafamilialen Ausgleichs den jeweiligen Nutznießer wechseln könne. Es scheint aber, daß auch sakrale Gründe der Anerkennung der Sonderstellung des Geldes als Tauschmittel entgegengestanden haben: die Zeit des alten Reiches hatte das Geld nicht gekannt, und die Stereotypisierung der religiös zulässigen Kontraktschemata mag, indem sie nur Tausch von Land gegen Land oder einfache Uebertragung (»Schenkung«) zuließ, daran angeknüpft haben. Festen Boden erhalten wir erst unter die Füße in der Zeit des Amasis, also als der nationale Charakter des mittleren Reiches schon durch Fremdherrschaft alteriert war.

      Nach der Ramessidenzeit bewegte sich die Entwicklung, wie es scheint, in Gegensätzen, die durch die jeweilige Herrschaft von abwechselnd asiatischen und äthiopischen Einflüssen bedingt waren. Der fremdländische Einfluß beruht auf der mit der Schaffung des ständigen Soldheeres endgültig besiegelten Beseitigung der nationalen, ohnehin von jeher unentwickelten Wehrhaftigkeit, und auf der steigenden Bedeutung der überwiegend stammfremden Berufskrie gerschaft, welche die Herrschaft des Pharao stützte. Der Import der asiatischen Kriegstechnik – des Pferdes und Kriegswagens – in der Hyksoszeit und dann die Eroberungskriege hatten zur Entstehung des Berufskriegertums geführt. Die abwechselnde Fremdherrschaft führte dann dazu, daß je länger je mehr, wenigstens der Sache nach, stammfremde Söldner und die oft ebenfalls stammfremden Leibeigenen des Königs sich mit der Priesterschaft in die Beherrschung des seit der assyrischen Eroberung nie wieder dauernd zur Freiheit gelangten Landes teilten. Usurpation der Herrschaft durch den Ammonspriester, dann assyrische und äthiopische Dynastien, dazwischen die Usurpation des Bokchoris, dann griechische Einflüsse unter Amasis, weiterhin, nach der persischen Eroberung, Kämpfe äthiopischer, persischer und von den Griechen gestützter einheimischer Dynastien, die oft zu langdauernder Trennung von Ober-und Unterägypten führten, haben stabile politische Zustände erst in der Zeit der Lagiden wieder aufkommen lassen. Derjenige Typus, den das Land unter ihrem Regime darstellt, ist in bezug auf das Maß der Verkehrsfreiheit sicher erst allmählich erreicht worden. Die griechische Tradition schreibt namentlich dem Bokchoris grundlegende Neuerungen nach Art der hellenischen »Aisymneten« zu: die Zulassung des Reinigungseides, die Beseitigung der Schuldsklaverei, und vor allem: die freie Veräußerlichkeit des Bodens. Mag die Art, wie Revillout dies zu verifizieren sucht, teilweise reichlich phantastisch sein, so scheint doch sicher, daß das Umsichgreifen der Verkehrswirtschaft zunächst das Werk asiatischer Einflüsse und weiterhin der antitheokratischen unterägyptischen Tyrannis war, denen die Theokratie des Ammonspriestertums, gestützt auf die den Thron usurpierenden Aethiopier und die teilweise nach Aethiopien emigrierte Kriegerkaste widerstrebte. Mit der Zeit des Bokchoris ungefähr beginnen die demotischen Kontrakte überhaupt und die Bodenüberweisungskontrakte im speziellen. Es scheint also in der Tat eine Veränderung des Verkehrs-, speziell des Bodenrechtes, wohl auch eine Säkularisierung, stattgefunden zu haben, – wozu ja die Verbrennung des Bokchoris als Sakrilegen durch die siegreichen Parteigänger des Ammonspriesters (der das göttliche Boden-Obereigentum repräsentiert) stimmt. –

      Wie dem sei, die privaten Verkehrserscheinungen steigern sich nun durchweg. –

      Das bis zu den Ramessiden sich stetig steigernde Ueberragen der Oikenwirtschaft des Pharao schränkte im altnationalen Aegypten den Raum der auf verkehrswirtschaftlicher Arbeitsteilung beruhenden ökonomischen Erscheinungen naturgemäß stark ein. Nicht daß sie je gefehlt hätten, – sie haben relativ im ältesten Reich sogar vielleicht für die Bedarfsdeckung mehr bedeutet als in den Zeiten der vollen Theokratie und Bureaukratie. Aber der Handel nach außen, sowohl nach dem »Gottesland« und »Punt« – Arabien und der Somaliküste – wie nach Syrien lag rechtlich und mindestens dem Schwerpunkt nach auch faktisch in der Hand des Pharao selbst, später aber namentlich der Tempel, welche im Besitze eigener Flotten waren. Er hat lange die Form des Geschenkaustausches zwischen den Staatshäuptern bewahrt, wie die Korrespondenz mit dem König von Babylon in den Funden von Tell-el-Amarna anschaulich macht. Einheimische Kaufleute kennen die ägyptischen Quellen der ältesten Zeiten anscheinend nicht. Alsdann tauchen sie als Tempelhörige auf (ihre Bezeichnung ist von »entleeren« – scil.: des Schiffes – abgeleitet). Im neuen Reich sind sie meist Ausländer (Semiten). Immerhin muß, während Kupfer und Gold im Lande selbst gewonnen wurden, nicht nur das anfangs sehr seltene und daher bis zur Einbeziehung Aegyptens in den internationalen Verkehr (neues Reich) höher als Gold bewertete Silber, sondern auch Zinn und Eisen – letzteres tritt vor dem »N.R.« hinter Bronze ganz zurück – von Anfang an importiert worden sein. Die Zeit des neuen Reiches weist Import von Schiffen, Wagen, Waffen, Gefäßen, Weihrauch, Vieh, Fischen usw. aus Syrien und Babylon auf, welchen als Exportartikel namentlich Gold, aber bald auch Linnen, gegenübergestanden haben werden. Unter den Ramessiden scheinen private Reedereibetriebe vorzukommen. – Ebenso hat sich, neben den anfänglich der Zahl und der Bedeutung der Leistung nach stark vorwiegenden Arbeitern des Pharao wohl auch die Zahl der (schwerlich je ganz verschwundenen) »freien« Handwerker wieder zunehmend ausgebreitet. Im alten Reich werden Kundenhandwerker literarisch erwähnt, und zwar neben »Lohnwerkern« im Sinne der Bücherschen Terminologie anscheinend auch »Preiswerker«. Inwieweit die Träger des so hochentwickelten altägyptischen Kunsthandwerkes leibeigene Arbeiter des Königs und der Tempel und inwieweit sie in »unfreier Hausindustrie« arbeitende Kolonen oder »freie« Handwerker mit Leiturgiepflichten waren, wird sich nicht leicht ausmachen lassen. Die einzelnen Handwerker eines Bezirks hatten, wie die Dörfer ihren dem Fiskus verantwortlichen Schulzen, so ihrerseits ihren (wie es scheint, gewählten) Obermeister. Er war offenbar ursprünglich für die Gestellung zu den Roboten des Pharao bzw. Nomarchen verantwortlich. Später ist die Lage der Handwerker offenbar eine unter sich keineswegs gleiche. Die »Lohnwerker« zog man nach Bedarf zur Robot heran und lieferte ihnen das Rohmaterial (s.o.). Aber daneben scheinen Handwerker vorzukommen, welche ihre Rohstoffe sich selbst beschafften, und dafür Abgaben in Form von Produkten ihres Handwerks leisteten, die in den mannigfachsten Varietäten sich aufgezählt finden. Soweit das Rohmaterial Importgut oder das Produkt Exportgut war, ist immerhin direkte Leitung der Produktion durch Pharao, Adel, Tempel das an sich Wahrscheinliche. Jedenfalls ist und bleibt die Behandlung der Handwerker in den Monumenten eine verächtliche. Die Weberei, namentlich die Leinweberei, eines der hervorragendsten Gewerbe, gilt anscheinend als typisch unfreier Beruf und ist wohl direkt in die Hände der Sklaven im Oikos zuerst des Pharao und des Nomarchenadels, dann namentlich der Tempel, gelangt: – es handelte sich eben, da die Masse der Bevölkerung, ursprünglich auch der König, nur den Lederschurz als Kleidung trug, um ein teils dem Luxusbedarf des Hofes und der Beamtenschaft, teils dem wahrscheinlich monopolisierten Export dienendes Produkt. Die Entwicklung und Differenzierung der Bedürfnisse, insbesondere der Kleidungsbedürfnisse, ist ganz offenbar Folge der im »neuen Reich« immer enger werdenden Beziehungen zu Vorderasien, speziell Babylon.

      Der private Binnen-Tauschverkehr ist dem Schwerpunkte nach Nahrungsmittel- und Krammarktverkehr: Fische, Gemüse, Sandalen, einfache Schmucksachen sind bildlich beglaubigte regelmäßige Marktartikel. Der Verkehr ist Natural-Tauschverkehr. Erst im neuen Reiche fungieren gebogene Kupferdrähte bestimmten Gewichts (uten, deben) als Wertmesser, in dem die gegeneinander ausgetauschten Waren abgeschätzt und gelegentlich der etwa überschießende Wertbetrag der einen Ware über die dagegen eingetauschte abgeleistet wird. Die Marken in den Händen von Arbeitern des alten Reiches sind natürlich »tesserae«, Anweisungen auf herrschaftliche Speicher. Im Außenhandel fungierten Edelmetallringe, wie dies in Babylon auch vorkommt. Das »deben« ist also in erster Linie Wertmaß, und fungiert regelmäßig als ideelles (nicht effektives) Tauschmittel (ähnlich wie ursprünglich der Silber-Shekel in Babylon). Im übrigen scheint die Stellung des Gewichtsuten zu der Werteinheit »uten« noch keineswegs geklärt (vgl. z. B, Bibl. égypt. X S. 164). Dem Naturaltausch von Waren korrespondierte seit alter Zeit (als primitiver Vorfahr der Fondsbörse) der Naturalrentenverkehr: sowohl zu Stiftungszwecken werden Grundstücke an Tempel, z.B. gegen jährliche Lieferung von Dochten für Toten-Gedenkfeiern usw. gegeben, als sich die Umwechslung der Naturaldeputate von Beamten und anderen Berechtigten in andere Naturalrenten findet: eine bestimmte Anzahl