weniger als anderwärts vollzog. Im übrigen hat dies seinen Grund (damals wie heute) eben in der geographischen Konfiguration des Landes: der Fluß als eine einzige ungeheure Verkehrsstraße mit einem schmalen kontinuierlichen Streifen besiedelten Landes auf jeder Seite. Und weiterhin spielte auch die soziale Struktur des Landes (einheitliches Robot- und Leiturgie-System, s.u.) und die politisch-militärische Verfassung (Friedlichkeit der »älteren« Reiche bis zum Hyksos-Einfall, auf Söldnern und Leiturgien eines bäuerlichen Kriegerstandes ruhende Militärverfassung des »neuen«) dabei eine entscheidende Rolle. Daß das Land »keine Städte« gehabt habe, ist dabei natürlich nur in dem Sinne richtig, daß seine Festungen und größeren Ansiedelungen jene Attribute, welche den antiken Städten, selbst denen Mesopotamiens, gemeinsam sind, soweit gefehlt haben, daß die Gesamtheit des Landes in altägyptischer wie in ptolemäischer Zeit einheitlich nach Landdistrikten verwaltet wurde und daß Privilegien einer Stadtbürgerschaft und selbst beschränkt autonome städtische Verwaltungskörperschaften (außer in den 3 Hellenenstädten) fehlten. – Ob die Sprache je ein nationales Wort für Sklaven besaß, scheint nicht sicher. In den Inschriften werden selbst die Worte, welche am häufigsten auf Kriegsgefangene, flüchtige Sklaven, Kaufsklaven angewendet wurden (boku, honu), auch für die höchsten weltlichen oder priesterlichen Funktionäre gebraucht (was die Priester anlangt, so ist zur Erklärung wohl daran zu erinnern, daß schon im mittleren Reich die Organisation der »Stundenpriester« bestand, welche, den 4 Priester-Phylen zugeteilt, schichtweise abwechselnd den Kultus versahen, – ganz entsprechend den später zu erwähnenden »Schichten« der pharaonischen Fronarbeiter). Eine ungeheure Fülle von Ausdrücken stehen für ganz denselben, zweifellos unfreien, Status zu Gebote, ohne daß es bisher den sorgsamen Untersuchungen z.B. J. Baillets geglückt wäre, sie, sei es etymologisch oder nach dem Metier oder nach dem Stande, dem sie entstammen, einigermaßen sicher zu klassifizieren, mit Ausnahme ganz weniger, weiterhin zu erwähnender, aber stets nur inexakt durchgeführter Unterscheidungen. Es ist das Wesen des Leiturgiestaates, als welcher Aegypten, vollständig im »neuen«, dem Keim nach schon im »alten« Reich, uns entgegentritt, welches sich darin äußert: jeder einzelne ist gebunden an die Funktion, die er innerhalb des sozialen Organismus vorsieht, daher ist im Prinzip jeder unfrei. Schon in den ältesten historischen Zeiten ist diese Entwicklung so weit verbreitet, daß es zwar jeweils privilegierte Schichten, aber keine rechtlich freien Volksgenossen im Sinn der hellenischen πόλις oder κώμη gibt, und im Prinzip jeder Sklave, wenigstens wenn es ihm gelang, in die Karriere des »Schreibers« zu gelangen, den »Marschallstab im Tornister« hatte. Natürlich kommen Kaufsklaven zahlreich vor. Aber die Sklavenpreise sind, verglichen mit den Bodenpreisen, wie es scheint, seit dem neuen Reich gestiegen; ein Sklave kostete in einer Urkunde unter den Scheschonkiden (libysche Dynastie) fast soviel wie das Quantum Land, welches er bebaute. Unter Darius kostete er in einer Urkunde das 12fache, während der Preis des Landes niedriger ist als in den älteren Urkunden. Aegypten hat zwar vorübergehend große Raubkriege geführt und Sklaventribute kommen in der Zeit der Thutmosis- und Amenophis-Dynastie vor. Aber sie sind für den Hausbedarf des Königs persönlich bestimmt. Die überlieferten Zahlen von Gefangenen – soweit sie glaubhaft sind – sind nicht hoch. Schon diese Sklavenmarkt- und jene erwähnten Sklaven-Preis-Verhältnisse – wenn sie typisch gewesen sein sollten – mußten private Ausnutzung von landwirtschaftlicher Sklavenarbeit im Großbetrieb zunehmend erschweren. Später machte das gewaltige Steigen der Bodenpreise eine solche vollends unrentabel. Alle Unfreien haben normalerweise eigene Familie, nur bei den Kriegsgefangenen wird diese gefehlt haben. – Die Funktion der Sklaverei versehen im »Alten Reich« die Klientel und der Kolonat.
Man nimmt im allgemeinen an, daß das Pharaonentum in Ober- wie in Unterägypten durch Unterwerfung der einzelnen »Gaukönige« und ihre Verwandlung in belehnte »Nomarchen« (nach Art der »patesi« des Zweistromlandes) entstanden sei. »Burgherr« als Beamtentitel findet sich noch in späterer Zeit. Die einstige Selbständigkeit der Gaufürsten spricht sich auch in der im alten Reich – wie sich zeigt – bestehenden Monopolisierung mancher Priestertümer durch gewisse »adelige« Familien aus. Die Gefolgschaft der Tafelgenossen wird auch hier der Keim des Lehensadels gewesen sein: Das später ganz promiscue für »Sklave« verwendete Wort: »chamsu« bedeutete ursprünglich wohl den freien Ministerialen (daher es auch im Minne-»Dienst« verwendet wird). Das Gefolgschaftsverhältnis hat aber in Aegypten, dank der absoluten Abhängigkeit aller von der bureaukratischen Vorsorge für die Nilregulierung, auf alle Sphären des sozialen Daseins übergegriffen. Schon die Art der Rechtspflege mußte allmählich den Satz zur Geltung bringen: »Nul homme sans maître«. Der »Mann ohne (Schutz-) Herrn« gilt als hilflos. Die gesamte Einwohnerschaft des Landes ist in eine Klientel- (»amach«-) Hierarchie eingegliedert. Die Herrschaft des Pharao ist schon in der ältesten Zeit ein »Fronstaat«: – er führt auch die Geißel als Attribut. Und zwar scheint es (und das wäre auch dem allgemeinen Entwicklungsschema entsprechend), daß die Bindung der Bauern an die Robot und damit an die Scholle und das Maß ihrer Fronbelastung in dem Flußmündungsgebiete, in Ünterägypten, anfangs schärfer war als in Oberägypten, dort also, wo die ältesten Stätten des Handelslagen, ihren Ursprung nahm. Wenn (angeblich) ein »Kolon« des Pharao in der Zeit vor König Snefru oder doch vor den Pyramidenbauten mit eigenem Siegel auftritt, so könnte man daraus schließen, daß das Maß der Knechtung der königlichen Bauern damals noch geringer war und erst mit der großen Bautenperiode begann (doch ist die Flüssigkeit der Ausdrücke – s.o. – zu bedenken). Ursprünglich ist die Robotpflicht offenbar auch beruflich wenig differenziert. Die Könige des alten Reichs bieten Soldaten, Schiffsleute und andere Untertanen, die 12. Dynastie auch Krieger und Priester, zu Transportleistungen auf (Mentuhotep 3000 für den Transport eines Sargdeckels). Späterhin findet sich auch ein Aufgebot nur der Bauarbeiter des gesamten Landes.
Die Bauern des unteren Nilgebietes scheinen alle als Arbeiter des Pharao zu gelten, welche unter Kontrolle seiner Beamten das ihnen überwiesene Landstück bebauen, über dessen Produkt dann nach Instruktion des Pharao verfügt wird. »Taxator der Kolonen« ist schon im 4. Jahrtausend ein Beamtentitel. Die »retu« (»Leute«, ptolemäisch: λαοί werden mit den Gütern verschenkt. Dagegen wird angenommen, daß in Oberägypten damals feudale Verhältnisse fortbestanden und »freie« Bauern, das heißt wohl lediglich: solche, welche vorwiegend Abgaben zu leisten hatten, vorgeherrscht haben. Auch für die Handwerker gilt ein ähnliches Nebeneinander: es finden sich (angeblich) auch später »freie« Dorf- und Stadthandwerker neben solchen, die der Pharao als ihm fronpflichtig in den Stadtvierteln, die um seine Paläste liegen, angesiedelt hat. Aber rechtlich garantiert war diese Scheidung wohl kaum. Die große faktische Beweglichkeit der ägyptischen Lohnarbeiter (die z.B. in russischen Erscheinungen der Leibeigenschaftszeit ihre Parallele findet) darf nicht als Ausfluß ihrer Rechtslage gelten. »Arbeiter« ist eine der üblichen Bezeichnungen für alles nicht zum Amts- oder Tempeladel gehörige »Volk«: die Robotpflicht war sicherlich subsidiär eine ganz universelle. Der einzelne ist von jeher Objekt der Herrschaft des Pharao, er und sein Besitz sind vor allem »Katasternummer«. Die Gemeinden haften durch Vermittlung ihres Vorstehers solidarisch für die Leistungen, die der König ihnen zuweist. Dies ist offenbar der ursprüngliche Zustand. Daher kannte schon das »alte Reich« (dies zeigt u.a. ein Berliner hieratischer Papyrus für die 11. Dynastie) den später so wichtig gewordenen Begriff der »ἰδία«: Jedermann muß ein »Domizil« nachweisen können, d.h. aber: eine Gemeinde, der er »zugeschrieben« ist und wo er gegebenenfalls zu den Staatsfronden requiriert wird, – sonst verfällt seine Habe, insbesondere auch seine Familie, dem Pharao, der natürlich auch über ihn selbst nach Belieben disponiert. Später war die Robot so (nach Revillouts Behauptung generell) reglementiert, daß z.B. je eine Person 2000-2500 Quadratellen Gemüseland zu bestellen hat: solches Gartenland war offenbar besonders oft in eigener Regie des Königs. Die Untertanenabgaben bestanden in Getreide, Vieh, Stoffen und anderen Hausfleißprodukten.
Erblicher »privater« Grundbesitz – d.h. solcher Grundbesitz, der nicht nur, wie Kolonenstellen, faktisch, sondern irgendwie garantiert erblich war – scheint vorwiegend auf königliches Lehen zurückzugehen. Auf den Gütern der königlichen Lehenskonzessionäre sind Umfang, Ursprung und Garantie der Erblichkeit des Besitzenden auf Stelen eingegraben. Die urkundlich überlieferten königlichen