Aristoteles

Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst


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ist um des Vergnügens willen, kommen Anschuldigungen nicht leicht vor; denn beide erreichen zugleich, was sie beabsichtigten, wenn ihnen der Umgang Freude macht. Würde sich einer doch nur lächerlich machen, wenn er sich darüber beklagte, daß der andere ihm keinen Spaß macht; denn es steht ihm ja frei, von dem Umgang zurückzutreten. Eine Verbindung unter dem Gesichtspunkte des Vorteils dagegen gibt allerdings leicht zu Anschuldigungen Anlaß. Denn da man dabei den anderen um des Vorteils willen an sich heranzieht, so verlangt man immer noch mehr und meint immer, man verlange weniger, als einem zukommt, man ist deshalb verdrießlich darüber, daß man trotz der Gerechtigkeit seines Anspruchs doch nicht so viel erreiche, wie man fordert, und so vermag der andere mit allen noch so wertvollen Diensten, die er leistet, doch den Anforderungen nicht zu genügen, die der empfangende Teil erhebt.

      Wie nun das Recht ein doppeltes ist, ungeschriebenes und gesetzlich fixiertes Recht, so darf man sagen wendet sich auch solche Verbindung zu Zwecken des Vorteils teils an den guten Willen, teils an das Gesetz, und die Anschuldigungen stellen sich am meisten dann ein, wenn Abschluß und Auflösung der Gemeinschaft nicht von beiden in gleichem Sinne gemeint ist. Die Verbindung, die das gesetzliche Rechtsverhältnis erstrebt, ist die auf genau bestimmte Bedingungen hin eingegangene; sie ist die ganz marktgängige, wo Leistung und Gegenleistung Zug um Zug erfolgt, oder sie ist von vornehmerer Form, wo die Gegenleistung hinausgeschoben wird; aber immer ist auch hier Leistung und Gegenleistung durch Übereinkunft festgelegt. Die Verpflichtung ist damit deutlich und dem Streit entnommen, und nur das Hinausschieben der Leistung rechnet mit dem guten Willen. Darum ist in manchen Staaten dafür der Rechtsweg ausgeschlossen; man meint eben, diejenigen, die Verbindungen auf Treu und Glauben eingegangen sind, müßten sich dabei beruhigen.

      Eine geschäftliche Verbindung, die auf den guten Willen zählt, wird nicht auf genau bestimmte Bedingungen eingegangen, sondern etwa wie man einem, zu dem man in freundschaftlichen Beziehungen steht, ein Geschenk macht oder sonst irgend etwas leistet und dabei erwartet, daß man ebensoviel oder mehr wiedererhalten wird, indem man nicht sowohl etwas wegzugeben, als nur es auszuleihen beabsichtigt. Erfolgt nun die Einlösung der Verpflichtung nicht in dem Sinne, wie sie eingegangen worden ist, so beschwert man sich, und das ist die Folge davon, daß alle oder doch die meisten, so sehr sie das uneigennützig Edle schön finden, in ihren Entschließungen sich doch mehr für das Nützliche entscheiden. Sittlich edel ist es, Gutes zu erweisen ohne die Absicht, es zurückerstattet zu erhalten, dagegen ist es nützlich. Wohltat entgegenzunehmen. Demnach soll man, wenn man das Vermögen hat, den gleichen Wert, den man empfangen hat, auch zurückerstatten, und das aus freien Studien. Denn es ist nicht wohlgetan, jemanden als Freund zu behandeln wider seinen Willen; man muß in der Sache verfahren, als wäre man von vornherein im Irrtum gewesen und hätte gute Dienste von einem entgegengenommen, von dem man es nicht gesollt hätte, Dienste nicht von einem guten Freunde und nicht von einem, der in solcher Freundesgesinnung handelte. Man muß also seine Verpflichtung so einlösen, als hätte man die Leistung auf fest bestimmte Bedingungen hin empfangen, in diesem Falle wäre man doch mit dem andern dahin übereingekommen, daß er leistete, wenn er dazu imstande wäre. Allerdings, daß er nun leiste, wozu er nicht imstande ist, das würde der Geber selbst nicht verlangen. Also ist es geboten, zurückzuerstatten, wenn man es vermag. Von vornherein aber muß man sich's wohl überlegen, von wem man Dienste entgegennimmt und unter welcher Bedingung, um dann auch wirklich diese Bedingung innezuhalten oder abzulehnen.

      Verschieden denken kann man über die Frage, ob die Gegenleistung nach dem Nutzen, der dem Empfänger zugefallen ist, zu bemessen und dementsprechend ins Werk zu setzen ist, oder vielmehr nach der Größe des Opfers, das der Geber gebracht hat. Der Empfänger hat die natürliche Neigung, den Wert des Empfangenen herabzusetzen; er sagt wohl, er habe vom Geber solches erhalten, was für diesen nicht in Betracht kam und was er auch ganz gut von anderen hätte bekommen können. Der Geber umgekehrt behauptet, er habe das größte geleistet, was in seiner Macht stand und was sonst kein Mensch hätte leisten können, und das in gefährlichen oder sonstigen dringlichen Lagen. Wäre nun nicht da, wo die Verbindung geschäftlicher Art ist, das Richtige dies, daß der vom Empfänger erlangte Vorteil den Maßstab bildet? Dieser war doch der, der des andern bedurfte, und der andere half ihm aus in der Aussicht, das gleiche zurückzuerlangen. Der gewährte Beistand ist also so groß gewesen, wie der andere den Vorteil davon gehabt hat, und er muß so viel zurückerstatten, wie er Nutzen gehabt hat, oder noch mehr; letzteres ist das Edlere. In Verbindungen dagegen, die der Adel der Gesinnung stiftet, kommt es nicht vor, daß der eine sich über den anderen beklagt; hier liefert das Opfer, das in der Absicht des Gebers lag, den geeigneten Maßstab. Denn wo auf den Adel der Gesinnung und des Charakters gezählt wird, da ist das Entscheidende die Absicht, aus der die Handlung erfolgt.

      Zum Streite kann es auch in solchen Verbindungen kommen, wo der eine Teil das Übergewicht hat. Es kann jeder Teil zu viel für sich beanspruchen, und tritt das ein, so geht die Verbindung auseinander. Der Überlegene meint, es komme ihm zu, ein Mehr zu erlangen, denn dem Tüchtigen gebühre ein größerer Anteil. Ganz ähnlich der, der mehr leistet. Denn wer nichts leistet, heißt es, dürfe auch nicht das gleiche erlangen; sonst laufe es auf einen Ehrendienst und nicht auf eine geschäftliche Verbindung hinaus, wenn der bei der Verbindung sich ergebende Gewinn sich nicht nach dem Werte der Leistung richtet. Man meint nämlich, wie in gemeinsamen geschäftlichen Unternehmungen diejenigen, die mehr einschießen, auch mehr empfangen, so müsse es auch in freundschaftlichen Verhältnissen geschehen. Umgekehrt denkt der, der des anderen bedarf, und der Minderwertige, es sei einfach Pflicht eines befreundeten Mannes von guter Gesinnung, denen zu helfen, die der Hilfe bedürfen; denn was habe man sonst von der Freundschaft mit einem tüchtigen und mächtigen Manne, wenn man davon doch keinen Genuß zu schmecken bekomme?

      Da kann man nun den Anspruch beider Teile für begründet halten und meinen, beiden Teilen müsse auf Grund des Freundschaftsverhältnisses ein Mehr zufließen, aber nicht ein Mehr derselben Art: vielmehr gebühre dem Höherstehenden die höhere Ehre, und dem in bedürftiger Lage der größere Vorteil. Denn für edle Gesinnung und hilfreiches Tun bildet das Gegengeschenk die Ehre, und für eine bedrängte Lage ist der Gewinn die Hilfe.

      So sieht man es denn auch im Staate zugehen. Wer dem Gemeinwesen nichts Nützliches leistet, der genießt auch keine Ehre. Denn was das Gemeinwesen gewähren kann, wird dem gewährt, der sich um das Gemeinwesen verdient macht; das aber ist die Ehre. Ausgeschlossen dagegen ist das, daß man aus den Mitteln des Gemeinwesens Gewinn und Ehre zugleich schöpfe. Denn in allen Stücken zurückzustehen, das erträgt kein Mensch. Wer also an Geldbezügen verkürzt wird, dem teilt man Ehre zu, und wer Geld brauchen kann, erhält Geld. Denn, wie gesagt, das Austeilen nach dem Verhältnis der Würdigkeit stellt die Gleichheit her und erhält das freundschaftliche Band zwischen den Menschen.

      So also muß man auch in Verhältnissen zwischen Ungleichen das Verfahren regeln. Wer aus dem Vermögen oder durch das überlegene Verdienst des anderen Aushilfe empfangen hat, der soll mit Ehre als Gegengabe erwidern, indem er gibt, was in seiner Macht steht. Denn wo ein Freundschaftsverhältnis besteht, da verlangt man soviel, als wozu das Vermögen vorhanden ist, nicht soviel, als dem Verdienste entspricht. Das letztere wäre auch gar nicht in allen Verhältnissen möglich, so bei der Ehre, die man den Göttern oder die man den Eltern erweist. Hier könnte doch niemand Ehre nach Verdienst erweisen: dagegen meint man, daß der seine Schuldigkeit tut, der seine Dienste nach seinem Vermögen leistet. Deshalb meint man auch, es stehe zwar dem Sohne nicht zu, sich vom Vater, aber wohl dem Vater, sich vom Sohne loszusagen. Wer schuldet, muß bezahlen; der Sohn aber kann mit allem, was er leistet, nichts tun, was dem ihm vom Vater Geleisteten an Wert entspräche; er bleibt also immer Schuldner. Dagegen steht es dem Gläubiger zu, die Schuld zu erlassen, und so auch dem Vater. Zugleich aber wird es nicht leicht vorkommen, daß einer sich von dem eigenen Sohne abwendet, es sei denn, daß dieser über die Maßen verkommen ist; denn es liegt in der menschlichen Natur, auch abgesehen von der natürlichen Zuneigung, eine hilfreiche Hand nicht von sich zu stoßen. Dem ungeratenen Söhne dagegen erscheint die dem Vater zu leistende Hilfe als etwas, was er besser unterläßt oder wofür er sich wenigstens nicht besonders erwärmt. Denn Wohltaten zu empfangen wünschen sich die meisten, sie zu erweisen meiden sie als eine Last. Soviel über diese Dinge.

      e) Austausch ohne Entgelt