Roy Rockwood

Bomba im Tal der Schädel


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      Würden die scharfen Augen der Kopfjäger die fast unsichtbaren Randlinien entdecken? Das wäre am hellen Tage durchaus möglich gewesen, doch jetzt begünstigte die hereinbrechende Abenddämmerung die Verhüllung seines Fluchtweges.

      Bomba hörte über sich das aufgeregte Rufen und Schnattern der Wilden und dann Nascanoras zornige Unterhaltung mit dem Medizinmann. Es gab einen frohen Ruck in seinem Innern, als er hörte, dass die Kopfjäger für diesen Tag die Jagd nach ihm abbrechen wollten. Doch dann sank die rasch emporgeloderte Hoffnung wieder, als er hörte, dass der Häuptling Posten bei den Felsen zurücklassen wollte. Im anderen Falle wäre es leicht für ihn gewesen, im Schutze der Dunkelheit sein Versteck zu verlassen und sich davonzustehlen.

      Er war also für den Augenblick gerettet. Doch war es wirklich eine Rettung? Hatte er vielleicht nicht nur eine Todesart gegen eine andere eingetauscht? In der Höhle war nicht genug Atemluft, um eine mehrstündige Belagerung auszuhalten. Von oben war das Loch hermetisch abgeschlossen, und der Erstickungstod war ihm sicher, wenn er keinen Ausweg finden konnte.

      Ehe er sich in der Dunkelheit auf die Suche nach einem Fluchtweg machte, betastete er seine verwundete Schulter. Der Schmerz war ziemlich stark, aber seine tastenden Fingerspitzen überzeugten ihn davon, dass er nur eine Fleischwunde davongetragen hatte. Er legte kühle Erde vom Höhlenboden darauf und verspürte fast augenblicklich eine Linderung des Schmerzes.

      Auf Händen und Knien tastete sich Bomba vorwärts und untersuchte jeden Zoll der Wände. Durch einen engen Spalt zwängte er sich in einen etwas größeren, sehr niedrigen Raum, der kreisrund war. Er tastete vorsichtig den Boden ab und atmete dann erleichtert auf.

      Während der letzten Minuten hatte ihn die Besorgnis beunruhigt, dass inzwischen vielleicht eine Anakonda oder Pythonschlange diese Höhle als Nest auserkoren hätte. Jetzt war er jedoch sicher, das einzige Lebewesen in der Höhle zu sein. Er begann die Wände der kreisrunden Höhle zu betasten und klopfte sie mit den Fäusten ab, uni möglicherweise eine hohle Stelle zu finden.

      Aber der erste Rundgang war hoffnungslos. Er hatte zwar nur Erdwände vor sich, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass er sich wie ein Maulwurf ins Freie arbeiten könnte. Über ihm waren Felsen, und seine ganze Arbeit mochte sinnlos sein, wenn er sie an der falschen Stelle leistete. Und dann? Wenn die Atemluft in der niederen Enge der Höhle erschöpft war, musste er ersticken. Diese bittere Erkenntnis drängte sich ihm immer wieder auf.

      Er steckte in einer Falle. Aber das Schlimmste daran war, dass er jetzt auch keine Möglichkeit hatte, seine Freunde zu warnen. Während er sinnend in der Dunkelheit kauerte, sah er in Gedanken die Kopfjäger an das Dorf der ahnungslosen Araos heranschleichen. Er glaubte ihr Triumphgeheul zu hören, als sie zum nächtlichen Angriff aufsprangen, und er presste unwillkürlich seine Hände zu Fäusten. Er wusste, dass die Kopfjäger kein Erbarmen kannten. Sie würden die Hütten niederbrennen, die Männer töten und die Frauen und Kinder als Sklaven in die Gefangenschaft schleppen.

      Alle diese Bilder standen mit schrecklicher Deutlichkeit vor ihm. In der Dunkelheit der Höhle arbeitete seine Einbildungskraft noch stärker als sonst. Er war unfähig, die furchtbaren Bilder zu vertreiben, die immer und immer wieder in seiner Einbildung erschienen.

      Endlich raffte er sich aus dem trägen Sinnieren auf. Er wollte den Kampf nicht aufgeben — er durfte es einfach nicht tun. Noch lebte er, noch konnte er für seine Befreiung arbeiten. Wenn auch die Chance sehr gering war, so wollte er doch versuchen, irgendwo die Wände seiner Todeszelle zu durchbrechen.

      Es schien so, als wären für dieses Vorhaben alle Teile der Wand gleich gut oder gleich schlecht geeignet. Ohne lange zu überlegen, griff Bomba daher nach seiner Machete und begann mit verzweifelter Energie zu graben.

      4 Im Treibsand

      Da er nun einmal den Entschluss zur Tat gefasst hatte, arbeitete Bomba unermüdlich und eifrig. Er war sehr froh darüber, dass er nirgends auf den Widerstand von Steinen oder Felswänden stieß. Wenn er die Klinge seiner Machete abgebrochen hätte, wäre alle Hoffnung auf Befreiung dahin gewesen.

      Es kam ihm vor, als hätte er schon Tonnen von Erde weggegraben, ohne dass ein sichtbarer Erfolg eingetreten wäre. Sein Körper war schweißbedeckt, und jeder Muskel schmerzte ihn. Aber er arbeitete weiter, obwohl ihm ein Schwindelgefühl zu schaffen machte und sein Atem schwerer und schwerer ging.

      Die Luft in der Höhle presste sich allmählich wie eine riesige Hand gegen seinen Brustkorb. Es war keine Luft mehr, es war irgendeine unheimliche, feste Masse, die zwar jedem Zugriff entglitt aber zugleich seinen Körper wie eine tödliche Umklammerung einzuschnüren drohte.

      Dann kam jener gefürchtete Augenblick, an dem seine Muskeln den Dienst versagen wollten. Sein Wille war noch ungebrochen, aber die Kraft hatte ihn verlassen. Er wollte den Arm heben und hatte das Gefühl, dass seine Machete viel zu schwer war, um sie auch nur einen Zoll zu heben. Die kraftvollen Stöße, mit denen er das große Buschmesser in die Erde getrieben hatte, waren zu einem kläglichen Tasten geworden. Kaum eine Erdscholle löste sich mehr von der Wand.

      Das war also das Ende! Vor seinen Augen bildeten sich feurige Kreise und farbige Ringe. Er presste die Lider zusammen und öffnete sie wieder. Seine Schulter sank gegen die Wand, und der Kopf fiel schlaff herab.

      Da — was war das für eine weiche, sanfte und kühle Berührung an der Stirn gewesen! Es war, als hätte eine liebkosende Hand über seine Haut gestrichen!

      Noch einmal straffte sich Bombas Körper. Er hob den Kopf. Da war die Berührung wieder! Luft! Luft! Sie füllte mit belebender Kraft seine Lungen.

      Er riss die Machete aus dem gegrabenen Loch und stieß die Klinge noch einige Male mit letzter Kraft in die weiche Erdmasse. Mit einem Male spürte er keinen Widerstand mehr: Er hatte die Wand durchbrochen!

      Neue Hoffnung belebte ihn. Im Augenblick war er zwar zu schwach, die Arbeit fortzusetzen, aber er steckte den Kopf durch die Öffnung und trank die Luft mit gierigen Zügen. Das Schwindelgefühl in seinem Kopf wich, als würde ein Vorhang zur Seite geschoben. Er wartete, bis er neue Kräfte gesammelt hatte und begann dann wieder auf die Wand loszuhacken.

      Als die Öffnung groß genug war, zwängte sich Bomba hindurch und befand sich jetzt in einem Raum, der ihm nach der Enge seines stickigen Gefängnisses fast grenzenlos erschien. Er fühlte das nur, denn seine Augen konnten ihm auch hier keine Hilfe leisten. Ein Ruf von seinen Lippen fand jedoch erst nach längerer Zeit sein dumpfes Echo. Das bestätigte Bombas Erkenntnis von der Weite des Raumes.

      Nach dem Aufenthalt in der niederen Höhle erschien ihm die Luft hier wie ein süßes, balsamisches Getränk. Es würde auf alle Fälle lange dauern, bis er hier die Atemluft aufgebraucht hätte, auch wenn es keine unsichtbare Quelle gäbe, aus der sie sich erneuerte.

      Schon im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass er in dieser Hinsicht keine Befürchtungen zu haben brauchte. Er stellte fest, dass eine schwach spürbare Bewegung in der Luft war. Sie strömte leicht und frei dahin. Irgendwo mussten also Öffnungen sein, die diese Luftströmung verursachten.

      Wo jedoch Luft war, musste auch das Licht eindringen können. Doch Bomba rechnete sich rasch aus, dass jetzt noch kein Sonnenlicht die Finsternis seines unterirdischen Gefängnisses erhellen konnte. Als er von den Kopfjägern geflohen war, hatte sich bereits die Dämmerung auf den Dschungelwald gesenkt. Dann hatte er viele Stunden lang daran gearbeitet, sich einen Fluchtweg zu bahnen. Nach seiner Schätzung musste es jetzt gegen Mitternacht sein. Bis zum Tagesanbruch blieben ihm noch etwa vier Stunden. Am besten war es, wenn er jetzt ruhte und seinen erschöpften Körper neue Kräfte sammeln ließ.

      Bomba hatte keine Angst davor, dass er die Zeit verschlafen könnte. In seinem einsamen Dschungelleben hatte er sich dazu erzogen, dass er zu jedem beliebigen Zeitpunkt aufwachen konnte. Jetzt stellte er diesen geheimnisvollen Wecker in seinem Gehirn auf eine Stunde vor Anbruch der Morgendämmerung, ließ sich zu Boden sinken und schlief fast augenblicklich ein.

      *

      Wie er es sich gewünscht hatte, erwachte er in tiefster Dunkelheit. In seinem Beutel hatte er noch einige