Roy Rockwood

Bomba im Tal der Schädel


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war, blieb er am Boden sitzen und hielt Umschau. Noch war die Dunkelheit wie ein schwerer Samtvorhang vor seinen Augen, aber allmählich schien dieser Vorhang dünner und durchscheinender zu werden. Zuerst hielt Bomba das für eine Täuschung. Doch dann kam der Augenblick, an dem er die gespenstischen Umrisse der Gegenstände in seiner Nähe zu erkennen begann.

      Plötzlich sprang Bomba auf die Füße. In der Ferne war deutlich ein heller Fleck in der Dunkelheit zu erkennen. Der Fleck wurde zu einem länglichen, leuchtenden Strich, und Bomba atmete unwillkürlich auf. Ein Sonnenstrahl!

      So schnell er konnte, eilte Bomba auf die Stelle zu. Gestürzte Baumstämme und breite Äste versperrten ihm den Weg. Wahrscheinlich hatte vor längerer Zeit ein Erdbeben die Bäume entwurzelt und in eine Erdspalte geworfen, die sich hinterher wieder geschlossen hatte. Einige Risse in der Erdoberfläche waren jedoch offengeblieben, und das Licht, das durch eine der Spalten sickerte, wies Bomba den Weg.

      Der Sonnenstrahl drang durch ein Netzwerk verfilzter Wurzeln in die Dunkelheit. Mit der Machete musste sich Bomba zuerst seinen Weg freihacken, bis er den Arm durch die Öffnung stecken konnte. Bald hatte er sich genug Raum geschaffen, dass er mit beiden Händen an die Ränder des Loches greifen konnte. Er schwang sich hoch.

      Nach langen Stunden war er endlich dem Tod des lebendig Begrabenwerdens entgangen!

      Ohne viel Zeit zu verschwenden, glitt Bomba zuerst auf ein Dickicht zu, das ihm Schutz vor Entdeckung bot. Erst jetzt holte er tief Atem und hielt Umschau. Er wusste nicht, wie weit er sich von der Stelle entfernt hatte, an der er den Kopfjägern entgangen war. Vielleicht hatte er unterirdisch eine weite Strecke zurückgelegt. Aber es war auch möglich, dass ihm bei der Mühseligkeit des Vormarsches der Weg nur länger erschienen war.

      Keine Menschenseele war zu erblicken, doch in einiger Entfernung bemerkte Bomba eine Rauchsäule, die sich über die Bäume hinaufkräuselte. Die Bedeutung dieses Rauchzeichens war klar genug für ihn. Es hieß nichts anderes, als dass die Krieger Nascanoras damit beschäftigt waren, ihr Frühstück zuzubereiten.

      Die Beobachtung erfüllte ihn mit Besorgnis und befriedigte ihn zugleich. Er war jetzt sicher, dass die Kopfjäger noch nicht zum Angriff auf das Dorf der Araos aufgebrochen waren. Er konnte also seine Freunde vielleicht noch rechtzeitig warnen.

      Doch er durfte jetzt keine Zeit mit müßigen Überlegungen verschwenden. Wahrscheinlich würde er einen großen Bogen beschreiben müssen, um ungefährdet das Dorf zu erreichen — und dieser Umweg bedeutete Zeitverlust, der verhängnisvoll sein konnte.

      Verstohlen bahnte sich Bomba seinen Weg durch das Unterholz. Er bewegte sich lautlos und mit ruhiger Umsicht, und als er plötzlich vor sich eine Männergestalt entdeckte, brachte ihn ein einziger, unhörbarer Schritt in Deckung. Der Kopfjäger hatte ihn nicht bemerkt. Er war dabei, Holz für das Lagerfeuer zu sammeln und entfernte sich nach einer Weile zu der Lichtung hin.

      Bomba setzte sein mühsames Vorwärtsschleichen solange fort, bis er sich in Sicherheit glaubte und fester auftrat. Dann eilte er so schnell er konnte durch den Dschungel dahin.

      Nach ziemlich kurzer Zeit schon fiel ihm eine Schar von kreisenden Geiern am klaren, blauen Tropenhimmel auf. Die schwarzen Silhouetten der Vögel beunruhigten ihn. Ihre Nähe deutete immer auf die Anwesenheit von Tierkadavern oder toten Menschen hin.

      Führte der Instinkt die Aasvögel her? Ahnten sie schon ein bevorstehendes Gemetzel? Oder war etwa Nascanora mit der Hauptmacht seiner Krieger bereits aufgebrochen; hatte er nur eine schwache Nachhut auf der Lichtung zurückgelassen? Hatte er vielleicht schon die Araos angegriffen und im Dorf sein schreckliches Blutgericht abgehalten?

      Bomba war so in der Beobachtung der Geier versunken, dass er für kurze Zeit nicht auf den Weg vor seinen Füßen achtete. Diese Nachlässigkeit kam ihm jäh zum Bewusstsein, als er plötzlich ins Leere glitt.

      Es war kein tiefer Sturz. Klatschend schlug er in ein Schlammloch und versank augenblicklich bis über die Hüften in dem zähen, dunklen Brei. Vergeblich versuchte er, sich herauszuarbeiten. Wie mit weichen aber unheimlich fest zupackenden Händen hielt ihn das Sumpfloch fest.

      Schmatzend und gurgelnd schloss sich der Schlamm um seinen Leib und zog ihn tiefer und tiefer hinab.

      5 Im letzten Augenblick

      Als Bomba sich nach den ersten vergeblichen Befreiungsversuchen den Schlamm aus den Augen wischte, sah er, dass er etwa fünfzehn Fuß vom Rande des Sumpfloches entfernt hilflos feststeckte.

      Er versuchte wieder, ein Bein zu heben, aber der einzige Erfolg dieser Bemühung war, dass er mit dem anderen Bein noch tiefer einsank. Der Gedanke, dass außerdem seine Feinde in der Nähe waren, brachte ihn der Verzweiflung nahe. So konnte er es nicht einmal wagen, einen Hilferuf auszustoßen und damit vielleicht einen freundlichen Eingeborenen herbeizuholen.

      Nur noch Minuten blieben ihm, um an seine Rettung zu denken — das wusste Bomba genau. Er fühlte, wie der Sumpf ihn unentrinnbar in seine grässliche Umarmung zog — unentrinnbar, Zoll um Zoll.

      Während er noch fieberhaft an eine Rettungsmöglichkeit dachte, hörte er plötzlich ein Knacken und Rascheln im Busch. Bedeutete dieses Geräusch für ihn Hoffnung oder Verderben? Er stellte sich diese Frage und sah im nächsten Augenblick schon, dass er nicht hoffen durfte. Es war kein menschlicher Schritt, den er hörte, sondern das Vorwärtsschleichen weicher, gepolsterter Raubtierpfoten.

      Gleich darauf schob sich ein breiter Kopf durch die Büsche, und Bomba starrte in die grüngelb funkelnden Augen eines mächtigen Pumas.

      Der König aller Urwaldbestien trat ins Freie und entblößte sein schimmerndes Raubtiergebiss. Das Fauchen des Tieres klang gereizt und zugleich überlegen, als fühlte es, dass Bomba eine hilflose Beute seiner Pranken war.

      Doch so rettungslos verloren war Bomba dem Puma gegenüber jedenfalls nicht. Noch besaß er sein Gewehr. Er hielt die kostbare Waffe fest in der Hand und wischte den Schlamm vom Schloss und Lauf ab. Dann versuchte er zu laden. Aber auch die Patronen waren mit Schlamm überzogen, und bei seinen verschiedenen Bewegungen sank Bomba immer tiefer ein.

      Auch von der anderen Seite des Schlammloches näherte sich jetzt ein Puma. Es war wahrscheinlich der Gefährte des anderen Tieres. Während Bomba noch mit aufgeregten Händen mit dem Laden des Gewehres beschäftigt war, versuchte er sich schon in Gedanken klarzumachen, welche Folgen das Abfeuern eines Schusses haben würde. Auf alle Fälle lockte er damit seine Feinde herbei. Auch jetzt noch fand er es rühmlicher, unter den Klauen der Raubtiere zu sterben als von den Kopfjägern qualvoll zu Tode gemartert zu werden. Pumas waren Raubtiere, aber sie waren im Vergleich mit den menschlichen Bestien gnädig. Sie spielten nicht mit ihren Opfern, sondern töteten sie schnell.

      Immer näher krochen jetzt die Raubkatzen an den Rand des Schlammloches. Sie fühlten, wie sie den Boden unter den Pfoten verloren, sobald sie sich zu weit vorwagten. Mit einem bösen Knurren der Wut und Enttäuschung zogen sie sich schnell wieder einige Zoll weit auf den festen Grund zurück. Ihre Erfahrung hatte sie gelehrt, wie tödlich der Schlamm sein konnte.

      Beide Katzen waren jetzt so nahe, dass sie Bomba leicht mit einem Sprung hätten erreichen können. Ihre Flanken waren dicht am Boden, und die Muskeln hatten sich zum Sprung gespannt. Dann richteten sie sich wieder auf und umkreisten unruhig das Schlammloch. Überall suchten sie nach einer Möglichkeit, an ihr Opfer heranzukommen, ohne den festen Boden verlassen zu müssen. Immer wieder sanken sie ein und immer wieder versuchten sie es mit einem gereizten Fauchen an einer anderen Stelle von neuem.

      Die Blutgier würde schließlich doch die Vorsicht überwinden. Bomba wusste das. Er war jetzt schon bis über die Hüften eingesunken und der Verzweiflung so nahe, wie das bei seinem zähen Lebensmut überhaupt möglich war.

      Jetzt setzte der größere der Pumas endgültig zum Sprung an. Sein Schweif peitschte den Boden, und der schmale Raubtierblick war entschlossen auf das Opfer im Sumpf gerichtet.

      Doch in diesem Augenblick zischten vier Speere zu gleicher Zeit durch die Luft. Jeder der beiden Pumas wurde von zwei Geschossen getroffen. Mit einem Brüllen des Schmerzes