Ambrosius von Mailand

Das Hexaemeron


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Darum hat auch die Ausscheidung zwischen Licht und Finsternis statt. Es soll sich zeigen, daß die ausgesonderte Natur des Lichtes mit der der Finsternis nichts gemein hat.

      35.

      [Forts. ] * „Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht“*150, um auch dem Namen nach Tag und Nacht zu unterscheiden. Wir sehen also, wie augenscheinlich der Aufgang des Lichtes vor dem der Sonne den Tag erschließt: der anbrechende Tag beschließt die endende Nacht, und eine bestimmte Zeitgrenze und beschränkte Dauer des Bestehens ist der Nacht und dem Tag gesetzt. Dem Tage gibt dieSonne den Glanz, das Licht das Sein. Häufig ist der Himmel mit Wolken überzogen, so daß die Sonne verdeckt und kein Strahl derselben sichtbar ist: dennoch zeigt das Licht den Tag an und verscheucht die Finsternis.

      X. Kapitel.

       Gen 1,5. Der Tag geht der Nacht voraus. Der Tag als Zeitmaß von 24 Stunden. Sein Ende der Morgen.

      36.

      „Und es ward Abend und es ward Morgen, ein Tag“151. Einige werfen hier die Frage auf, warum die Schrift zuerst den Abend, dann den Morgen erwähnt? Ob sie damit nicht sichtlich die Nacht vor dem Tag bezeichnet? Sie beachten erstens nicht, daß dieselbe im vorausgehenden den Tag voranstellte, wenn sie hervorhebt: „Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht“; ferner nicht, daß der Abend das Ende des Tages und der Morgen das Ende der Nacht ist. Um also dem Tage sein Vorrecht und seinen Vorrang in der Entstehung einzuräumen, nannte sie zuvor das Ende des Tages, auf welchen die Nacht folgen sollte152. Dann erst hernach nannte sie beifügend das Ende der Nacht. Undenkbar aber konnte die Schrift der Nacht so den Vorrang vor dem Tage einräumen, daß sie sowohl die Tag- wie Nachtzeit mit der Bezeichnung „Tag“ zusammenfaßte und für die Wahl der letzteren der vorzüglichere Name entscheidend war. Daß auch dies Gepflogenheit der Schrift ist, den Namen auf das Hauptsächlichere zu übertragen, können wir mit zahlreichen Beispielen belegen. So sprach auch Jakob: „Die Tage meines Lebens sind kurz und schlimm“153. Und wiederum: „Alle Tage meines Lebens“154. Auch David gebraucht die Wendung: „Die Tage meiner Jahre“155; er nannte nicht auch die Nächte. Daraus ersehen wir, daß jene Gepflogenheiten, die heute als geschichtliche Tatsachen vorgetragen werden, eine ständige Regel für die Zukunft begründet haben. ― Der Anfang des Tages geht sonach auf Gottes Wort zurück: „Es werde Licht. Und es ward Licht.“ Das Ende des Tages ist der Abend. Unmittelbar auf das Ende der Nacht folgt der nächste Tag. Gottes Ausspruch aber ist klar: er nannte an erster Stelle „das Licht Tag“ und erst an zweiter „nannte er die Finsternis Nacht“.

      37.

      Recht auffallend heißt es auch: „ein Tag“, nicht der „erste Tag“156. Es hätte ja (Moses), nachdem ein zweiter und dritter Tag und der Reihe nach die übrigen folgten, „erster“ sagen können ― die Aufzählung schien dies sogar zu verlangen ―; indes wollte er zur Regel machen, daß die vierundzwanzig Stunden des Tages und der Nacht bloß mit dem Namen „Tag“ bezeichnet würden. Er wollte gleichsam sagen: „Vierundzwanzig Stunden sind das Zeitmaß des Tages“157. Wie der Stammbaum der Männer zugleich für den der Frauen zählt und gilt, indem das Sekundäre mit dem Primären in eins zusammengefaßt wird, so zählt man auch nur die Tage und läßt die Nächte miteinbegriffen sein. Wie es also nur einen Umlauf gibt, so nur einen Tag. Bezeichnen doch manche eine ganze Woche als einen Tag, insofern sie in sich wie in einen einzigen Tag zurückkehrt, und zwar siebenmal in sich zurückläuft. „Das ist aber das Bild des Kreises: von sich ausgehen und in sich zurückkehren“158. Darum spricht auch die Schrift da und dort nur von einer Weltzeit ― denn gebraucht sie auch an anderen Stellen „Welt“ in der Mehrzahl, so scheint sie damit mehr die verschiedenen öffentlichen Stände und Ämter zu bezeichnen, als bestimmte sich abfolgende Weltzeiten zu nennen ―: „Groß ist der Tag des Herrn und herrlich“159; und an einer anderen Stelle: „Was fällt euch ein, nach dem Tag des Herrn zu verlangen?“160 Auch da gibt es Finsternis, nicht bloß Licht; denn es ist klar, daß für Leute mit schlechtem Gewissen und für Unwürdige jener Tag voll Finsternis ist. Die Unschuld wird an ihm leuchten, der straffällige Geist Qual erleiden. Im übrigen lehrt uns die Schrift, daß jener unvergängliche Tag der ewigen Vergeltung ohne nächtliche Unterbrechung und wiederkehrende Finsternis fortdauern wird.

      38.

      Sinnig aber ließ (Moses), nachdem er einmal die beiden wechselnden Zeiten als einen Tag bezeichnen wollte, letzteren mit dem Morgen bechließen, um zu zeigen, wie der Tag mit Licht anfängt und in Licht endigt; denn erst mit dem Ende ist die volle Frist des Tages und der Nacht gegeben. ― So laßt denn auch uns stets „wie am Tage ehrbar wandeln“ und „ablegen die Werke der Finsternis!“161 Zur leiblichen Ruhe, wie wir wissen, ist die Nacht gegeben, nicht zur Verrichtung eines Geschäftes oder Werkes: in Schlaf und Vergessen bringt man sie zu. Fern sei von uns Schmauserei und Trunkenheit, Beilager und Unzucht!162 Sprechen wir nicht: „Die Finsternis und die Wände decken uns“163, und wer weiß, ob des Höchsten Auge es gewahren wird? Nein, Liebe zum Lichte und Streben nach Ehrbarkeit bleibe in uns! Am Tage wandelnd laßt uns trachten, daß unsere Werke leuchten vor Gott164, dem Ehre, Lob, Ruhm und Macht ist mit unserem Herrn Jesus Christus und dem Heiligen Geiste von Ewigkeit und jetzt und immerdar und in alle Ewigkeiten. Amen.

      Der zweite Tag. Dritte Homilie (Gen 1,6-10)

      I. Kapitel.

       Die Schöpfung kraft des göttlichen Willens ein einheitlicher Organismus. Der Schöpfer der Materie ihr Bildner. Maßstab für die Beurteilung der Schöpfung ist nicht sophistische Scheinwahrheit, sondern die Regel der Schriftwahrheit: nicht Menschenauge, sondern Gottesauge.

      1.

      Den ersten oder vielmehr „einen Tag“ ― die Prärogative der prophetischen Bezeichnung soll ihm gewahrt bleiben ― haben wir, so gut wir’s konnten, erledigt165. An ihm ward, wie wir gesehen haben, durch die Schöpfungstat des allmächtigen Gottes und des Herrn Jesus Christus sowie des Heiligen Geistes der Himmel gegründet, die Erde erschaffen, darüber die Fülle des Wassers und die Luft ringsum ausgegossen, die Ausscheidung des Lichtes und der Finsternis vollzogen. Wer nun sollte sich nicht wundern, wie die infolge der ungleichen Bestandteile ungleichartige Welt zu einem einheitlichen Organismus erstehen und so Verschiedenartiges kraft eines unlöslichen Gesetzes der Eintracht und Liebe zu einem festen Verbande und Gefüge gegenseitig sich zusammenschließen konnte, so daß Dinge von ganz verschiedener Natur, als gehörten sie unzertrennlich zusammen, zu einem Bund der Eintracht und des Friedens verknüpft sind? Oder wer hättte angesichts derselben mit seiner schwachen Vernunfterkenntnis solches auch nur für möglich gehalten? Und doch hat die dem Menschengeiste unfaßbare und für unser Menschenwort unaussprechliche göttliche Macht dies alles kraft ihres Willens zusammengeordnet.

      2.

      Gott nun hat den Himmel und die Erde geschaffen und als Urheber mit seinem Befehlswort ins Dasein gerufen: nicht Bildner ihrer Form, sondern Schöpfer ihrer Natur. Wie könnten denn auch die unveränderliche schöpferische Kraft Gottes und die veränderliche Natur der Materie ineinander wirken, gleichsam voneinander entlehnend, was ihnen gebricht? Denn ist die Materie unerschaffen, hat folgerichtig Gott in sichtlicher Ermangelung der Schöpfergewalt über die Materie von dieser das Substrat für sein Schaffen entlehnt. War sie aber ungestaltet, ist es mehr als wunderlich, daß die mit Gott gleichewige Materie sich nicht selbst die Ausstattung geben konnte, nachdem sie ihre Substanz nicht von einem Schöpfer empfing, sondern in zeitloser Dauer selbst besaß. Der Schöpfer des Alls hatte darnach mehr vorgefunden denn verliehen: vorgefunden die Materie, um an sie Hand anlegen zu können, verliehen aber die Form, die den vorgefundenen Dingen Schönheit geben sollte.

      Der