Luzia Pfyl

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel


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Kaffee, das wird eine lange Nacht.«

      Im Borough Market herrschte reger Betrieb, als Payne daran vorbeiging, doch er warf nur einen kurzen Blick auf die Händler und deren Stände, die sich unter dem Gewicht der zum Kauf angebotenen Ware bogen. Frost erwartete ihn bei der Waffenfabrik, die sie gestern besucht hatte. Sie hatte darauf bestanden, dass sie in aller Herrgottsfrühe mit der Befragung der Verdächtigen anfingen.

      Southwark wurde von den Fabriken beherrscht. Hinter dem Bahnhof ragten die ersten Schlote in den Himmel und verpesteten die Luft. Payne hätte sehr viel gegeben, nördlich der Themse zu wohnen, doch hier waren die Häuser fast so günstig wie in Whitechapel. Nur der Slumcharakter fehlte, was vor allem Cecilia sehr schätzte.

      Er schlang sich den Schal über Mund und Nase, um sich vor dem Smog zu schützen. Zweimal musste er Arbeiter nach dem Weg fragen, die Backsteinhäuser und Hallen sahen alle gleich aus. Als er endlich durch das weit offen stehende Tor der richtigen Fabrik trat, sah er Frost schon von Weitem winken. Sie stand etwas abseits einer Halle, wo gerade eine Lieferung Kohle ausgeladen wurde. Die Luft war beinahe schwarz und greifbar vom Kohlestaub.

      »Morgen!«, rief Frost und trat auf Payne zu. Auch sie hatte ihr Gesicht in den Schal gehüllt. Für seinen Geschmack war sie viel zu wach so früh am Tage. Ihre Augen funkelten zu ihm auf. »Lost Treasures.«

      »Was?« Payne hob irritiert die Augenbrauen.

      »Lost Treasures, was meinen Sie? Für unsere Agentur.«

      »Unsere Agentur? Ich dachte, ich arbeite für Sie.«

      Frost zuckte mit den Schultern. »Details, Mr. Payne, Details.«

      »Finden Sie nicht, dass ›verlorene Schätze‹ mehr nach Piraten klingt?« Payne musste schmunzeln. Rein theoretisch hätte er nichts dagegen einzuwenden, Pirat zu sein.

      »Die Menschen kommen zu uns, weil sie etwas verloren haben, sei es eine Person oder einen Gegenstand. Für diese Menschen sind das Schätze, die wir wiederbeschaffen sollen«, erläuterte Frost. »Wir sind also theoretisch eine Schatzjäger-Agentur.«

      Payne lachte auf. »Sie meinen das tatsächlich ernst. Okay, wie Sie wollen. Agentur ist Agentur, finde ich.«

      Frost lächelte und kramte dann in ihrer Umhängetasche. »Hier, ich habe etwas für Sie.« Sie drückte ihm einen Gegenstand in die Hand. Payne starrte auf das Gerät und konnte sein Erstaunen kaum verbergen. »An Ihrem Pokerface müssen wir noch ein wenig arbeiten. Ich dachte, ihr Pinkertons seid gut darin.«

      »Miss Frost, das ist ein Aethercom.« Als ob sie das nicht wüsste. Payne betrachtete das Gerät in seiner Hand. Es war leicht, wog wahrscheinlich kaum mehr als ein paar hundert Gramm. Das Kupfer, mit dem es ummantelt war, schimmerte im frühen Morgenlicht. Die sogenannten Aether-Kommunikatoren waren der neueste Schrei. Sie ermöglichten die direkte Verständigung zwischen zwei Menschen via Aether und bedrängten die Telegrafie stark. Die High Society, egal aus welcher Stadt, stritt sich regelrecht um sie. »Das kann ich nicht annehmen. Wissen Sie, wie teuer die Dinger sind?«

      Wieder zuckte Frost mit den Schultern. »Ich habe seit gestern sehr viel Geld, ich gedenke es dementsprechend auch auszugeben. Und sobald wir den Fall gelöst haben, kommt noch mehr Geld rein. Ich habe mir übrigens erlaubt, meine Nummer in Ihrem Gerät abzuspeichern. Drücken Sie die Taste eins.«

      Payne klappte das Aethercom auf und drückte auf die verlangte Taste. Gleich darauf fing Frosts eigenes Aethercom an, piepsende Geräusche von sich zu geben. Sie strahlte, klappte das Gerät auf und hielt es sich ans Ohr.

      »Hallo, hier ist Lydia Frost, mit wem spreche ich?«

      »Sie sind eine Schande.«

      »Und Sie sind ein Spielverderber.« Frost klappte das Aethercom zu und steckte es in ihre Tasche, doch Payne konnte das Grinsen, das sie zu verbergen versuchte, deutlich erkennen. »Kommen Sie, wir haben viel Arbeit vor uns.«

      »Yes, Ma'am.« Payne schmunzelte und hielt ihr die Tür auf.

      Die Schleuse schloss sich zischend hinter ihnen. Payne pfiff durch die Zähne, als er sich umschaute. Frost hatte nicht übertrieben mit ihren Schilderungen. Hier unten befand sich tatsächlich eine hochmoderne Waffenfabrik.

      Frost griff in ihre Tasche und reichte ihm einen Stapel Akten. »Wir teilen uns am besten auf.«

      »Was ist mit diesem Baxter?«, fragte er. »Glauben Sie, dass er vielleicht etwas mit dem Diebstahl zu tun hat?«

      »Die Möglichkeit habe ich bereits in Erwägung gezogen. Vermutlich hat der Dieb nicht alleine gearbeitet.« Sie erreichten die erste Werkstatt und blieben davor stehen. »Treffen wir uns wieder an der Schleuse?«

      Payne nickte. Frost betrat die Werkstatt und sprach einen der Wissenschaftler an. Payne erkannte ihn als einen der Verdächtigen. Er wandte sich dem Arbeitsraum gegenüber zu. Einen Moment lang wog er die Chancen ab, wie Frost zu seinen nicht so sanften Pinkerton-Verhörmethoden stehen könnte. Sie brachten Resultate, hinterließen jedoch sehr oft gebrochene Nasen. Und anderes. Nein, zivilisiertes Ausfragen musste genügen.

      Ein einzelner Mann saß an einer Werkbank. Payne betrachtete die Lichtbilder, die mit Klammern auf den Deckblättern der jeweiligen Akten festgemacht waren. »Sind Sie Mr. Arthur Giles?«

      Der Mann Ende dreißig saß über dem geöffneten Gehäuse einer Apparatur und war gerade dabei, mit einer Pinzette und einem Lötkolben etwas darin anzubringen. »Der bin ich«, sagte er, ohne aufzuschauen. »Und wer sind Sie?«

      »Mein Name ist Jackson Payne. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«

      »Polizei?« Mr. Giles schaute nun auf, schob sich die Schutzbrille in die Stirn und musterte Payne misstrauisch.

      »Nein.«

      »Hm. Und was sind das für Fragen, die Sie mir stellen wollen, Mr. Payne?« Er wandte sich wieder der Apparatur zu. Der Lötkolben zischte leise. »Sie sehen, ich bin beschäftigt.«

      Payne kannte solche Leute wie diesen Giles. Sie gaben vor, sich nicht für einen zu interessieren und zeigten die kalte Schulter. Doch er konnte an der Körperspannung des Mannes sehr genau erkennen, dass er auf der Hut war und alles andere als uninteressiert.

      »Was haben Sie am Montag nach offiziellem Dienstschluss hier gemacht, Mr. Giles?«

      Giles hielt inne. Wieder schob er sich die Schutzbrille in die Stirn. »Sie sind von der Betriebsaufsicht. Ja, ich habe recht, stimmt's?«

      Payne erwiderte sein Grinsen mit einem leichten Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Beantworten Sie einfach die Frage, Sir.« Er hatte nicht viel übrig für Männer wie Giles. Während seiner Zeit als Pinkerton hatte er es mit vielen seiner Sorte zu tun bekommen. Offensichtlich gab es sie auch hier in London.

      »Ich habe gearbeitet«, sagte Giles und legte den Lötkolben in die Schutzhalterung. »Wir haben hier enge Vorgaben und – ich hänge ein wenig im Zeitplan hinterher.«

      »Kann das jemand bestätigen?«

      Der Techniker überlegte einen Moment. »Ich war nicht der einzige, der am Montagabend noch gearbeitet hat. Ich bin mir sicher, dass mich jemand gesehen hat. Die Wachmänner, fragen Sie die. Oder Sanderson, der war ebenfalls hier«, fügte er energisch hinzu.

      Payne verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein und ging dann ein paar Schritte im Raum hin und her. »Was wissen Sie über die Waffen, die Sie hier produzieren?«

      Giles legte die Stirn in Falten. »Es sind Prototypen für neuartige Waffensysteme. Wir arbeiten direkt für das Militär und das Königshaus. Einige der neusten Erfindungen verwenden eine Aether-Elektrik-Fusionstechnik.«

      »Sind diese Prototypen wertvoll?«

      »Oh ja, sehr sogar. Aber das wissen Sie bereits, nicht?« Giles setzte ein Lächeln auf. »Kommen Sie schon, fragen Sie mich, ob ich den Prototypen