Nadine Erdmann

Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel


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halten.«

      »Ich glaube, ich weiß auch schon, wo er hin ist.« Connor stand an der Wartungsleiter und leuchtete an ihr entlang die drei Stockwerke hinauf bis zum Dach. »An den Sprossen klebt Blut. Wahrscheinlich hat er aus der letzten Leiche die Innereien herausgerissen und ist damit geflohen, als die Zeugin ihn hier in der Gasse entdeckt hat.«

      Dumm waren Wiedergänger nicht. Im Gegenteil. Genauso wie alte, mächtige Geister besaßen sie meist eine hinterlistige und ziemlich grausame Schläue.

      »Boss?« Fragend sah Sky zu Thaddeus.

      Der nickte. »Geht. Sucht dieses Drecksbiest und schickt es in die Hölle, wo es hingehört.«

      Gabriel drückte ihm kurz die Schulter. Thaddeus hasste Geister und Wiedergänger. Im vorletzten Unheiligen Jahr waren seine Eltern von einem Wiedergänger zerfetzt und ausgeweidet worden, ganz ähnlich wie die drei Leichen, die hier vor ihnen lagen. Thaddeus war gerade achtzehn gewesen, als er ihre Überreste identifizieren musste. Seitdem hatte er sich dem Kampf gegen paranormale Wesen verschrieben und Gabriel war sich ziemlich sicher, dass Thad es bedauerte, nicht selbst ein Totenbändiger zu sein, um Geistern und Wiedergängern eigenhändig ihre Energie herausreißen zu können.

      Thaddeus klopfte Gabriel auf die Schulter und nickte dann zu Connor und Sky, die bereits die Leiter hochstiegen. »Passt auf euch auf. Und erstattet regelmäßig Bericht.«

      »Klar.« Gabriel kletterte die Leiter hinauf.

      Auf dem Flachdach war es finster. Der Schein der Straßenlaternen reichte nicht bis hier herauf, doch im Licht ihrer Taschenlampen fanden sie Blutstropfen und schmierige rote Fußabdrücke, die quer über sechs Häuser hin zu einer weiteren Wartungsleiter führten, die in einem dunklen Innenhof endete.

      Sie leuchteten hinab und ihre Lichtkegel erfassten einen Garten mit einer kleinen Rasenfläche, Beeten entlang der Außenmauern, einer Hollywoodschaukel, ein paar Gartenmöbeln und einem Grill. In einer Ecke stand ein kleiner Schuppen. Blutige Reste von irgendetwas, das einmal in einen Menschen gehört hatte, lagen auf dem Rasen und die drei sahen, wie sich eine dunkle Gestalt in den Spalt zwischen Schuppenwand und Hausmauer zwängte, als die Lichtkegel durch den Garten tasteten.

      »Da ist er«, sagte Sky leise.

      »Yep. Und er ist definitiv gerade erst entstanden, sonst würde er sich nicht so schnell vor dem Licht verstecken«, meinte Gabriel.

      Geister mieden Licht, weil es sie schwächte. Außer es war das Licht des Vollmonds. Das liebten sie, weil es sie ähnlich wie die Lebensenergie der Menschen stärker machte. Wiedergänger waren dagegen nicht so lichtempfindlich. Auch sie bevorzugten zwar die Nacht und mieden den hellen Tag, doch sobald ihr Körper stark genug war, machten ihnen kurze Aufenthalte im Licht nichts mehr aus.

      »Lasst uns einzeln runtersteigen«, schlug Connor vor. »Die anderen zwei halten die Hütte im Licht, damit das Biest nicht entkommen oder vorschnell angreifen kann.«

      Sie wechselten die Magazine in ihren Waffen. Um Wiedergänger zu erledigen, brauchte es Kugeln aus Silber.

      Gabriel stieg als Erster in den Garten hinab, während Sky und Connor den Schuppen vom Dach aus mit ihren Taschenlampen beleuchteten. Er suchte sich eine sichere Position am anderen Ende des Rasens, zog seine Waffen und schaltete seine Lampe an.

      Sky kletterte als Nächste hinab. Sobald sie unten angekommen war, ihre Waffen gezogen und den Schuppen mit ihrem Lichtkegel ins Visier genommen hatte, folgte Connor.

      Aus dem Schatten zwischen Schuppen und Hauswand drang ein Kratzen und Schaben, dann Fauchen und Knurren.

      »Beeil dich«, drängte Sky. »Ich glaube, das Biest ist noch längst nicht satt. Und es wird langsam unruhig.«

      Rasch streifte Connor den Rucksack ab und holte eine der Silberboxen samt Aktivator heraus. Er wollte die Box gerade in eine günstige Position bringen, als eine der Hintertüren geöffnet wurde, die aus den umliegenden Häusern in den Garten führten.

      »Was zum Teufel ist hier los?«, blaffte eine Männerstimme. »Was macht ihr in unserem Garten?«

      Innerlich verdrehte Connor die Augen und zog seine Dienstmarke vom Gürtel.

      »Sir, wir sind von der Metropolitan Police.« Er hielt die Marke so, dass der Mann sie im Licht, das von der Tür aus auf den Rasen fiel, sehen konnte. »Spuk Squad. Sie haben einen Wiedergänger in Ihrem Garten. Bitte treten Sie zurück ins Haus und schließen Sie die Tür. Wir kümmern uns –«

      »Wiedergänger? Zum Teufel!« Krachend warf der Mann die Tür zu.

      »– darum«, beendete Connor den Satz.

      »Nicht gerade höflich, aber wenigstens geht er uns nicht auf den Sack,« befand Gabriel schulterzuckend, als Connor die Silberbox in Position schob.

      Doch er hatte sich zu früh gefreut.

      Die Hintertür wurde erneut aufgerissen und trotz Warnung erschien der Mann wieder auf der Treppe, in seiner Hand eine Pistole.

      »Wo ist das verfluchte Biest?« Wild fuchtelte er mit der Waffe hin und her.

      »Sir! Stecken Sie die Pistole weg und treten Sie zurück ins Haus!«, fuhr Gabriel ihn an.

      »Von einem Totenbändiger muss ich mir nichts sagen lassen, Jungchen!«, gab der Alte zurück. »Laut neuer Waffengesetzgebung darf jeder Bürger in London sein Haus und sein Leben mit Waffengewalt gegen paranormale Wesen verteidigen!«

      Gabriel unterdrückte nur mühsam einen gepfefferten Kommentar. Er hatte keine Lust, sich von diesem durchgeknallten Alten eine Kugel einzufangen. Das verdammte Waffengesetz, das zu Beginn des Unheiligen Jahres im Stadtrat verabschiedet worden war, hatte bisher nur Ärger gemacht und der einzige Grund, warum nicht halb London schießwütig durch die Gegend ballerte, war, dass Silberkugeln verdammt teuer waren. Außerdem boten Auraglues nur in Verbindung mit Silberboxen einen echten Schutz und beides zusammen war für die normale Bevölkerung zum Glück absolut unerschwinglich.

      Pech war, dass sich der verfluchte Wiedergänger ausgerechnet im Garten eines Mitbürgers verstecken musste, der sich eine Silberwaffe geleistet hatte und diese jetzt unbedingt benutzen wollte.

      »Bitte, Sir«, übernahm Connor wieder.

      Er war in ihrem Team für die Kommunikation mit der Bevölkerung zuständig. Zum einen, weil er keine schwarzen Linien an seiner Schläfe trug und die meisten Bürger lieber mit jemandem sprachen, der kein Totenbändiger war. Zum anderen war er ein Mensch mit schier unendlichen Geduldsreserven. Hätte Gabriel sich mit all den Idioten auseinandersetzen müssen, die ihnen bei ihren Einsätzen immer wieder über den Weg liefen, hätte es am Ende ihrer Schichten vermutlich oft mehr Geister im Norden Londons gegeben statt weniger.

      »Treten Sie zurück ins Haus und lassen Sie uns bitte unsere Arbeit machen. Ich versichere Ihnen, wir haben alles unter Kontrolle und geben Ihnen Bescheid, sobald die Gefahr gebannt ist.«

      »Nichts da, Junge! Ich habe diese Pistole doch nicht umsonst gekauft!«

      Gabriels Hände krallten sich um seine eigenen Waffen. Wie Sky hielt er in der einen seine Dienstwaffe, geladen mit den Silberkugeln. Auf ihr saß die Taschenlampe, deren Licht den Wiedergänger aber vermutlich nicht mehr lange einschüchtern würde. In der anderen Hand hatte er die Auraglue schussbereit.

      Und jetzt gerade wünschte er sich dringend noch eine dritte Hand für seinen Taser, um diesen verdammten Alten ausschalten zu können.

      »Sir«, appellierte Connor weiter ruhig, aber bestimmt an die Vernunft des Mannes. »Wenn Sie den Wiedergänger nicht optimal treffen, machen Sie ihn nur rasend und damit gefährden Sie uns alle. Und falls Sie ihn doch in den Kopf treffen sollten, wird er sich augenblicklich in einen kaum zu bändigenden Geist zurückverwandeln, der sich auf denjenigen stürzen wird, der auf ihn geschossen hat. In diesem Fall also auf Sie. Und glauben Sie mir, das wollen Sie nicht. Also, bitte! Gehen Sie zurück ins Haus und lassen Sie uns das hier erledigen.«

      »Keine