den Leuten bewusst wurde.
Während die Frauen nähten und strickten, bastelten die Knechte Spielzeug für die Kinder, und jedes Stück, das unter ihren Händen entstanden war, rief neue Begeisterung hervor und ließ die Augen aufleuchten. Ein Lob aus dem Mund der jungen Herrin war der schönste Lohn.
Obwohl die Frau still und ernst war, ging von ihr doch eine solche Wärme aus, dass man ihr einfach gut sein musste, ob man wollte oder nicht. Sie wurde mit dem rauesten Gesellen fertig, und oft genügte ein ernster Blick aus ihren schönen Augen, um jeden Widerstand zu brechen.
Jeder Befehl, den sie erteilte, klang wie eine Bitte, und alle eilten, ihn auszuführen, um sie nicht zu enttäuschen.
*
So fand Axel von Lassberg sein Haus bestens bestellt, als er nach vier Monaten Abwesenheit gesund und dunkelbraun gebrannt heimkam.
Es war schon spät, als er auf der Burg eintraf. Seine freudige Erwartung bekam einen Dämpfer, als er erkannte, dass die Fenster im Herrenhaus bereits alle dunkel waren.
Nur aus den großen Fenstern der Küche, die im Erdgeschoß lag, leuchtete Licht in die Nacht hinein.
Wenigstens einer noch wach, der ihn willkommen heißen konnte, durchfuhr es ihn mit leichter Bitterkeit.
Wie oft hatte er in den vergangenen Monaten an eine schöne Frau denken müssen. Wie oft hatte er im Traum seine Hände ausgestreckt, um sie in heißer Sehnsucht in das lange nachtschwarze Haar zu graben. Und wenn er dann erwachte, wenn er erkannte, dass er allein war, dann hatte er mit offenen Augen auf seinem Lager gelegen und sich mit einem verträumten Lächeln seine Heimkehr ausgemalt.
Der Mann wischte sich über die Augen und lächelte grimmig.
Er war ein Träumer. Wann endlich würde er es lernen, einzusehen, dass die nackte Wirklichkeit anders aussah? Wann endlich würde dieses törichte Herz begreifen, dass es keine Wünsche mehr zu haben hatte, sondern sich damit abfinden musste, einsam zu sein?
Mit harten Schritten betrat der heimkehrende Burgherr sein Haus und ging durch die große Halle.
Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Seine Augenbrauen zogen sich verwundert in die Höhe.
Deutlich hörte er das fröhliche Lachen, das aus der Küche kam. Dazwischen klangen immer wieder Stimmen auf, die sehr angeregt zu sein schienen.
Nanu, da schienen aber noch mehr Leute zu sein. Was sie wohl um diese Zeit noch in der Küche trieben? Welche Unsitten waren denn hier eingerissen?
Ohne lange zu überlegen, ging er bis zum Ende des Ganges, an dem die Küche lag.
Ohne anzuklopfen öffnete er die Tür und verharrte.
Das Bild, das sich ihm bot, war auch wirklich so verblüffend, dass es dem sonst so überlegenen Mann die Sprache verschlug.
Die weiträumige Küche war zur Werkstatt geworden. Knechte und Mägde saßen einträchtig zusammen und schienen eifrig beschäftigt zu sein.
Neben ihnen auf dem Boden türmten sich die Kisten und Pakete, mit denen zwei Mägde beschäftigt waren, sie zu verschnüren.
Und dann sah er sie – schmal, feingliedrig, mit dem langen seidigen Haar, das auf ihre Schultern fiel, den glücklich leuchtenden Augen und dem Mund.
Genauso, wie sie ihm immer wieder in seinen Träumen erschienen war, greifbar nahe und doch unendlich fern.
Niemand hatte seinen Eintritt bisher bemerkt.
So hatte er Muße, das sonderbare, ihm noch immer unverständliche Treiben zu beobachten.
»Hans, du warst doch heute im Dorf. Was macht der Junge vom Schmied, geht es ihm schon wieder besser?«, wandte sich in diesem Augenblick die junge Frau an einen der Knechte, der gerade einem Holzpferdchen den letzten Schliff gab.
»Er ist über den Damm, so hat der Schmied mir gesagt, Frau Baronin. Er dankt auch schön für die Bücher. Der Peter hat sich sehr darüber gefreut.«
»Fein, dann wird er ja Weihnachten wieder aufstehen dürfen. Wäre doch keine rechte Freude für den Buben, wenn er das Fest im Bett zubringen müsste.«
In diesem Augenblick schrie jemand erschrocken auf. Alle Köpfe flogen erschrocken herum, und alle wussten, wem der Ausruf gegolten hatte.
Betreten starrten sie auf den hochgewachsenen Mann, der unbeweglich an der Tür stand und mit staunenden Augen um sich sah.
Phyllis erging es nicht anders. Sie hatte zwar gewusst, dass der Gatte in nächster Zeit zurückkommen würde, aber wann es war, hatte sie nicht geahnt. Dass er nun völlig unerwartet und so spät ankam, verwirrte sie einen Moment und machte sie unsicher und verlegen.
»Du?«, stammelte sie und hatte etwas hilflos Rührendes in ihren großen Augen.
»Ich sehe, meine Überraschung ist mir gelungen«, fasste er sich schnell, indem er in die Küche trat.
»Ich hatte gedacht, das ganze Haus im tiefen Schlaf vorzufinden. Aber wie ich feststellen muss, scheinen hier Heinzelmännchen am Werk zu sein, die nur in der Nacht lebendig werden. Darf man wissen, was hier eigentlich gespielt wird?«
Sein leicht sarkastischer Ton rief bei dem Gesinde eine unruhige Betroffenheit hervor. Nun war sie wieder da, die alte Furcht vor dem strengen Schlossherrn, die alle Freude vertrieb.
Phyllis hatte ihren ersten Schock schon wieder überwunden. Ehrliche Freude leuchtete nun aus ihren blauen Augen.
»Wir wollen dem Christkindchen ein wenig helfen, Axel.« Sie lachte fröhlich, und alle Unsicherheit war von ihr abgefallen, die sein jähes Erscheinen ausgelöst hatte.
»Christkind – soll das heißen, dass ihr hier den Weihnachtsmann spielt?«, fragte er ungläubig.
»Ja, Axel. Schau dich nur einmal um. Alles, was du hier siehst, ist selbst angefertigt. Selbst die Spielsachen. Manche Stunde Arbeit steckt darin und manche geopferte Nachtruhe. Aber es hat uns allen Freude gemacht, nicht wahr?«, wandte sie sich mit leuchtenden Augen an die anderen, die ihr eifrig zustimmten.
Er schüttelte noch immer verblüfft den Kopf.
»Aber wozu denn diese Mühe, Phyllis? Eine einzige Zeile von dir, und ich hätte dir jede gewünschte Summe dafür zur Verfügung gestellt.«
Sie lachte verhalten.
»Nein, Axel, dann hätte es uns nur noch die halbe Freude gemacht.« Sie wandte sich den wartenden Mägden und Knechten zu.
»Machen wir Schluss für heute. Packt alles zusammen. Den Rest machen wir morgen Abend. Hans, du kannst morgen früh gleich damit beginnen, den Spielsachen schon den ersten Anstrich zu geben, sonst schaffen wir es nicht mehr. Am besten ist, wir räumen den kleinen Schuppen dafür aus, da kann es dann ungestört trocknen.«
»Wird gemacht, Frau Baronin, gleich morgen früh gehe ich an die Arbeit.«
Phyllis nickte und wandte sich dann an den Gatten:
»Wollen wir nach oben gehen, Axel?« Als der Mann nickte, bat sie die Köchin: »Bitte, Marie, richte doch ein Abendbrot für den Herrn Baron und etwas Tee.«
»Jawohl, Frau Baronin«, gab sie eilfertig zurück und machte sich gleich an die Arbeit.
Eine seltsame Spannung stand zwischen ihnen, als sie in ihren Räumen angekommen waren.
Phyllis fühlte sich durch die unerwartete Gegenwart des Mannes irgendwie beengt und fand nicht so leicht ihren freien unbeschwerten Ton zurück.
Wie ganz anders sie ist, wenn sie mit mir zusammen ist, dachte der Mann bitter, der vergebens nach dem warmen Ton in ihrer Stimme suchte, in dem sie sich mit den Leuten unterhalten hatte.
Phyllis aber hatte ihre erste Verwirrung nun überwunden. Sie wandte sich ihm zu, und nun war ein warmes Licht in ihren schönen Augen, als sie ihm freimütig ihre Hand reichte.
»Zuerst einmal willkommen in der Heimat, Axel.«