Herrin eines angesehenen Hauses wie das unsrige zu werden«, sagte sie kalt und eindeutig verärgert. In Anbetracht ihrer Korpulenz stand Esther Linnley erstaunlich schnell auf und fuhr hochmütig fort: »Es ist Zeit für mich zu gehen. Ich muss noch wichtigen Personen die Einladungen überbringen. Schließlich erwarten wir auf unserem Fest die Elite nicht nur des cornischen Adels, sondern von ganz Südengland.«
Wie gnädig, dass ich überhaupt eingeladen werde, dachte Maureen zynisch. Niemals würde Lady Esther sie als ihresgleichen behandeln, das zeigte sich auch in der vertrauten Anrede, während Maureen die offizielle Form und Anrede wählen musste.
»Herzlichen Dank für die freundliche Einladung, auch im Namen meines Mannes und unserer Tochter. Wir wissen es zu schätzen, bei dem größten gesellschaftlichen Ereignis des Jahres dabei sein zu dürfen«, erwiderte Maureen diplomatisch. »Selbstverständlich werde ich Ihnen zur Hand gehen, wo ich nur kann.« Sie hatte die richtigen Worte gewählt, um Lady Esther wieder versöhnlich zu stimmen.
Wohlwollend und verzeihend lächelte Esther Linnley und ließ sich von Maureen in die Halle und von dort nach draußen begleiten. Sie hatte bereits in ihrer Kutsche Platz genommen, als sie das Wort nochmals an Maureen richtete.
»Auf Grund deiner lächerlichen Vorstellung, es könnte sich eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen unseren Familien ergeben, habe ich fast vergessen zu erwähnte, dass Bracken Hall einen neuen Besitzer hat. Es handelt sich um einen allein stehenden älteren Herrn. Zwar nicht von Adel, er soll jedoch freundlich und umgänglich sein, und vermögend muss er ebenfalls sein, wenn er den Besitz gekauft hat. Ich überlege, ihn ebenfalls zum Fest einzuladen, obwohl er mir noch nicht die Aufwartung gemacht hat. Man muss sich aber um solche Menschen kümmern, das gebiert schon die Christenpflicht. Ich hoffe, sein Auftreten entspricht unseren Ansprüchen. Nun, vielleicht ist er ...«
Es interessierte Maureen wenig, wer dieser Mann war und wie er sich benahm, aber sie heuchelte Interesse. Lady Esther hatte wie immer in ihrer unnachahmlichen Art abrupt das Thema gewechselt. Maureen hoffte, dass sie sich jetzt nicht weiter über die Nachbarschaft auslassen würde, Lady Esther hatte aber offenbar keine weiteren Neuigkeiten und verabschiedete sich. »Auf Wiedersehen, Kindchen!« Sie schenkte Maureen ein huldvolles Lächeln, nichts erinnerte mehr an ihren vorherigen Zorn.
Ein Diener schloss den Schlag, auf dem das Wappen der Linnleys prangte.
»Auf Wiedersehen, Lady Esther.« Maureen brachte es nicht fertig, Lady Esther für ihren Besuch zu danken. Für heute hatte sie genug geheuchelt. Erst nachdem das Gefährt das steinerne Tor von Trenance Cove passiert hatte, ließ Maureen ihrem Ärger freien Lauf und krauste die Stirn. Ihre Tochter nicht gut genug für die Linnleys? Ha! Es war genau umgekehrt! Frederica war viel zu schade für diesen schmalbrüstigen, bleichgesichtigen George! Auch wenn er zehnmal so reich gewesen wäre – er war das Ebenbild seines schwachen, rückgratlosen Vaters. Es war nicht etwa so, dass Maureen David Linnley nicht mochte, im Gegenteil, sie zog seine Gesellschaft der Lady Esthers vor. Es war allgemein bekannt, dass David Linnley selten eine eigene Meinung hatte oder die gar vertrat. Er richtete sich in allem, was er tat oder sagte, immer nach seiner Frau. Maureen fragte sich oft, wie zwei derart unterschiedliche Menschen hatten heiraten können.
Wahrscheinlich handelte es sich um eine von den jeweiligen Eltern arrangierte Ehe, eine übliche Vorgehensweise in ihren Kreisen. Maureen wünschte zwar eine gute Partie mit finanzieller Sicherheit für ihre Tochter, Frederica sollte in erster Linie aber glücklich werden. Sie und ihr Mann Philipp würden Frederica niemals in eine Ehe mit einem Mann drängen. Frederica sollte selbst entscheiden, wem sie einmal ihre Hand reichen wollte. Darüber hinaus kannte Maureen das eigenwillige Wesen ihrer Tochter, die sich ohnehin zu nichts zwingen lassen würde. In dieser Beziehung war Frederica ihrer Mutter sehr ähnlich. Bereits als Kind war Frederica lebhaft und ungeduldig gewesen, mochte es nicht, sich stundenlang mit einer Aufgabe oder gar Handarbeit still zu beschäftigen, und Maureen hatte ihre Tochter nie zu etwas gezwungen. Sie selbst fand es auch nicht anregend, stundenlang ein Altartuch mit biblischen Motiven zu besticken. Obwohl Maureen ihre Tochter von ganzem Herzen liebte, verschloss sie nicht die Augen vor der Tatsache, dass Frederica gern ihren Willen durchsetzte, was ihr bei ihrem Vater mit schmeichelnden Worten und einem koketten Augenaufschlag auch spielend gelang. Bisher hatte es sich aber nur um belanglose Dinge gehandelt, die einem jungen Mädchen wichtig waren, wie hübsche Kleider oder bunte Haarbänder. Allerdings besaß Frederica einen Charakterzug, der schon in jungen Jahren erkennen ließ, dass sie bei einem schwachen Mann schnell den nötigen Respekt verlieren konnte. Sie brauchte einen Partner, der ihr gewachsen war und ihr die Stirn bot. In Maureens Augen war George Linnley ein solcher Schwächling. Er war gewohnt, von Lady Esther gegängelt zu werden und ging jeder Konfrontation aus dem Weg. Wenn die Zeit der ersten Verliebtheit erst einmal vorbei war – und dieser Zeitpunkt kam in jeder Ehe früher oder später, dass wusste Maureen aus eigener Erfahrung –, würde Frederica beginnen, George zu bevormunden. So, wie Lady Esther es mit ihrem Mann tat. Obwohl Lady Esther sie und ihre Tochter unverhohlen beleidigt hatte, war Maureen froh, dass eine Verbindung zwischen Frederica und George Linnley nun endgültig ausgeschlossen schien.
Beim Dinner drehte sich das Gespräch um das bevorstehende Gartenfest. Maureen berichtete von Lady Esthers Besuch, erwähnte aber vor ihrer Tochter mit keiner Silbe, was die Nachbarin ihr bezüglich Georges Zukunft anvertraut hatte. Die kleine Missstimmung zwischen ihr und Lady Esther behielt sie ebenfalls für sich, Philipp hätte sie nur wieder gebeten, sich künftig mehr zusammenzunehmen.
»Hoffentlich regnet es nicht«, seufzte Frederica mit sorgenvoller Miene. »Glaubst du, Mama, die Schneiderin hat mein Kleid bis Samstag fertig?«
Maureen lächelte verständnisvoll.
»Sicher, Kleines, morgen ist doch schon die letzte Anprobe. Du wirst in dem Kleid wie eine Prinzessin aussehen.«
»Auf einem Gartenfest der Linnleys regnet es niemals«, mischte sich Philipp Trenance ein. »Da dieses Jahr der Bischof erwartet wird, wird Petrus es nicht wagen, auch nur eine Wolke am Himmel aufziehen zu lassen.« Er lachte über den kleinen Scherz. Liebevoll sah er seine Tochter an. »Ich bin überzeugt, dass du das schönste Mädchen auf dem Fest sein wirst.«
Frederica warf dem Vater einen dankbaren Blick zu. Maureen fühlte einen Stich der Eifersucht über die Eintracht von Vater und Tochter. Zwischen den beiden bestand eine besondere Verbindung, die sich tagtäglich in kleinen Gesten und Blicken äußerte. Maureen liebte ihre Tochter nicht weniger, aber Philipp und Frederica schien ein unsichtbares und unzerstörbares Band zu verbinden, während sie mit ihrer Tochter oft heftige Diskussionen auszutragen hatte.
»Frederica, du kannst mir am Stand helfen«, sagte Maureen, wohl wissend, sich Fredericas Unmut zuzuziehen. Das Mädchen runzelte auch sofort unwillig die Stirn.
»In der äußersten Ecke des Gartens? Aber Mama, dahin verirren sich doch nur die alten Frauen, um stundenlang Tratsch und Klatsch auszutauschen. Da ist es doch sterbenslangweilig! Es werden so viele interessante Leute auf dem Fest sein, und ich möchte mich amüsieren.«
Maureen zog eine Augenbraue hoch, was ihrem Gesicht einen Ausdruck von Strenge verlieh.
»Du willst doch nur in George Linnleys Nähe sein«, brachte sie Fredericas Gedanken auf den Punkt. »Wenn ich dir einen Rat geben darf: Du solltest keine allzu tiefen Gefühle aufkommen lassen. Dein Vater und ich können doch davon ausgehen, dass dein Verhalten bisher untadelig war und nichts geschehen ist, das dich kompromittieren könnte?«
Frederica errötete, dann senkte sie den Blick und stocherte lustlos auf ihrem Teller herum.
»Aber ich habe doch gar nichts getan ...«
Philipps kräftige Hand legte sich auf Maureens Arm.
»Es kommt alles so, wie es kommen muss, meine Liebe. Jetzt wollen wir nicht mehr darüber sprechen, sondern uns auf das Fest freuen.«
Maureen war indes nicht bereit, so einfach nachzugeben. Sie wollte Frederica beschützen, sie davor bewahren, ihr Herz an den falschen Mann zu verlieren. Maureen wusste, Philipp hätte nichts gegen eine Vermählung mit George Linnley einzuwenden, schließlich würde er eines Tages ein beträchtliches Vermögen erben. Es ärgerte sie, dass Philipp gegenüber